Ich beobachte mich. Mein linkes Bein schreitet aus, dann zieht das rechte nach. Ich sehe an mir herunter, trägt der dort doch meine Cordhose. Das bin ja ich. Deshalb. Der, den ich beobachte, der ich bin, setzt sich mit einem Seufzer an den Schreibtisch. Das irritiert mich. Ich bin mir sicher, nicht zu seufzen. Der aber seufzt, greift nach den Zigaretten und zündet sich eine an. Dann beugt er sich über die Tastatur und schreibt. Ich sehe meinem gebeugten Rücken, seinen rhythmischen Bewegungen zu. Ich beobachte mich beim Schreiben. Der dort, der ich bin, hält inne, dreht sich langsam in meine Richtung, runzelt die Stirn. Ich scheine meine Anwesenheit bemerkt zu haben, kann mich aber trotzdem nicht erblicken. Gut so. Denn dann wäre mit dem Beobachten Ende. So aber drehe ich mich wieder zur Tastatur hin und schreibe weiter, während von draußen das Bellen eines Hundes zu hören ist. Ich muss nur drei Schritte machen, schon stehe ich am Fenster. Im nächsten Moment bin ich neben mir aus dem Boden gewachsen. Ich erschrecke, aber ich bemerke mich noch immer nicht. Ich beobachte mich beim Atmen. Schwere Atemzüge. Ein leichtes Keuchen. Ich sollte weniger rauchen. Mein Gesicht ist entspannt, was mich freut. Ich scheine in diesem Moment einmal frei von Ängsten. Der neben mir, der ja ich bin, blickt mit mir aus dem Fenster. Wir sehen den Hund, der aufgeregt einen Radfahrer umrundet und dabei bellt. Eine Alltäglichkeit, die aber seltsam wirkt, weil wir sie gemeinsam erleben. Ich würde mich gerne berühren, lasse es aber lieber sein. Ich genieße die Situation und will den Moment nicht gefährden. Hund und Radfahrer entschwinden unserem Blickfeld. Ich kehre an den Schreibtisch zurück und schreibe weiter. Jetzt ist der, den ich eben noch beobachtet habe, zum Beobachter geworden. Ich drehe mich zu ihm um. Er steht direkt hinter mir und lächelt mich an. Dann gibt er mir mit einer Kopfbewegung zu verstehen, ich solle weiter schreiben. Ich nicke. Tippe weiter. Ich schreibe über mich als Beobachter, der sich selbst beim Schreiben beobachtet. Ich spüre meine Hand auf meiner Schulter. Ich gebe mir meine Zigarette, die ich im Aschenbecher sorgsam ausdrücke. Als ich mich abermals umdrehe, bin ich fort. Von draußen ist wieder das Bellen des Hundes zu hören. Ich hoffe, es geht mir gut, denke ich und beobachte nun den Hundebesitzer. Ich sitze auf seinem Gepäckträger. Der Hund bellt, weil er meine Anwesenheit spürt. Deshalb also. Vorhin am Fenster sah ich mich nicht. Wir fahren zur Wohnung des Fahrradfahrers. Er ist traurig. In seiner Wohnung ist etwas Schreckliches geschehen. Ich kann sein Zittern spüren.
Derweil stehe ich am Fenster und beobachte mich, der ich auf dem Gepäckträger hocke und mich mit ängstlichen Augen an das Metallgestänge klammere. Ich entferne mich, bis nur noch mein Schemen in der Dämmerung zu erkennen ist. Den Rest der Geschichte werde ich meiner Phantasie überlassen müssen.
(Erschienen bei Die Veranda)
Sehr schöner Text! Gut beobachtet, sozusagen. 😉
Danke sehr.