Kaffee, Zigarette.
Da saß ich dann, der Überarbeiter, der überarbeitete Überarbeiter, laut lesend. Las mich durch über hundert Seiten Text, die gleiche Menge folgt heute noch einmal.
Knurrend schlich ich mich an den Bildschirm heran, schnappte zu, schüttelte den Kopf, bis ich endlich einen Brocken heraus gerissen hatte, den ich dann der Muse zu Füßen warf, damit sie prüfte, ob das Wortfleisch denn noch genießbar sei. Man muss nur laut lesen, dann springen einem die ungelenken Sätze wenigstens vor die aufgeblendeten Augenscheinwerfer. Man bremst ab. Horcht nach dem Herzschlag. Entlässt das Sprachwild in die Freiheit des Waldes, oder aber man greift nach dem Jagdmesser, sieh dich um, Seraphe, sind wir denn wirklich alleine, und gibt dem röchelnden Wesen den Rest. Man beißt die Zähne zusammen und befördert den Satz mit einem sicheren Schnitt durch die Kehle ins Jenseits.
Man steigt in seinen Jeep. Fährt weiter. Scheucht das Wild auf, wo man es findet.
Plötzlich ein Schrei. Ein abruptes Bremsen.
„Was ist das?“
Wir stiegen aus und sahen uns vor einem Jungtier, das sich von der Herde entfernt hatte und nun durstig und hungrig am Verenden schien. Die Zunge hing ihm aus dem Hals.
Ich hob den Kopf.
„Was ist?“, fragte Seraphe.
„Seine Eltern sind ganz in der Nähe“, sagte ich. „Wir sollten uns aus dem Staub machen. Diese ausgewachsenen Sätze springen dich an und verschlucken dich. Einfach so. Wir müssen hier weg.“
„Und der hier?“
„Wenn er zäh genug ist, wird er überleben.“
So brausten wir weiter. Durchquerten öde Landstriche, die sich von Sätzen mit drei Worten ernährten, bis wir schließlich an einer Wasserstelle Rast machten.
„Für heute reicht es“, sagte ich.
Seraphe nickte erschöpft.
Wir saßen eine Weile da. Tranken vom Wasser. Warteten auf die Nacht. Starrten zum Mond.
Da ertönte plötzlich ein grässlicher Schrei.
Seraphe rückte näher an mich heran.
„Was war das?“
„Die Mutter des Jungtiers. Es hat es nicht geschafft. Sie überleben selten in diesem Alter.“
Wir hielten uns an den Händen und trauerten. Wir konnten den Schmerz der Mutter spüren.
„Wir müssen jetzt zurück ins Basislager“, sagte ich. „Nachts sind eine Menge Wildsätze unterwegs.“
So sitze ich nun wieder mit Tropenhelm und Büchse vor dem Bildschirm. Ich werde mich jeden Moment an die Überarbeitung machen. Es gilt eine Menge Worte aufzuscheuchen. Gott stehe uns bei!