Zweimal Peter und vom Recht der Liebesbriefe

In Memoriam Petrus Cinericombustor

Abhandlung vom Recht der Liebesbriefe_Titelblatt

Man möchte meinen, der Mensch bestehe aus seinen Erinnerungen, wäre da nicht zum Beispiel just der Stiftzahn, der so unbarmherzig genau in einem Moment aus dem Mund fällt. So sind wir stetig ein Gemisch aus Traumgespinst und erlebter Wirklichkeit. Mein Kopf erinnerte sich heute Vormittag an einen Antiquar, den ich nur flüchtig kannte und der schon vor einigen Jahren verstorben ist. Mir fallen nur seltene, kurze Unterhaltungen mit Peter Aschenbrenner in der Cafeteria der Bibliothek, die einmal meine Dienststelle war, ein. Er war der Inhaber eines Antiquariats in Hannovers Innenstadt. Antiquare haben immer etwas liebenswert Kauziges und jetzt, wo ich dies schreibe, taucht sogar wieder sein Gesicht vor mir auf, das ein Lächeln trug mit einen unkonventionell schelmenhaften Zug. Meist kam er mit der Mission, möglichst einige wertvolle ältere Drucke bei dem Direktor der Bibliothek los zu werden, was nicht immer von Erfolg gekrönt gewesen ist. Manchmal grüßten wir uns nur kurz, auch weil eine französische Bibliothekarin und Kollegin von mir eine gemeinsame Bekannte war. Irgendwie muss sein Reprint der juristischen Dissertation des “weitberühmten Professors auf der Universität Jena” Peter Müller und seine “Abhandlung vom Recht der Liebesbriefe in und ausser der Ehe” von 1724 in meine Sammlung geraten sein. Gerade las ich, dass damals die Professoren zum Teil hunderte solcher Dissertationen schrieben und sogar Texte von Dritten vorgelegt werden konnten. Da hätte es heutzutage jeder Promovierte leicht gehabt, seine Plagiate zu rechtfertigen. Aber die Zeiten ändern sich und auch das, was Peter Müller über die Frauenzimmer seiner Zeit schrieb, ist zwar in Manchem obsolet geworden, aber nichts desto weniger köstlich zu lesen:

“Es heißen aber die Briefe, Liebesbriefe, weil sie von der Liebe, das ist, von einem verborgenen Feuer zeugen, wie Vergilius spricht, oder von einer Flamme. Diese Liebe die sonst eine Bewegung des Appetites ist, durch welche das Gemüth mit demjenigen vereiniget wird, was ihm schön zu seyn deuchtet, wird von Vergil eine Wunde, ja sogar eine Raserey genannt.”

Der Verstorbene mag mir verzeihen, dass nur noch dies kleine Büchlein von 1988 mein Gedächtnis anregt, an ihn zu denken. Mittlerweile hat Google Books ein Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek vollständig digitalisiert, das man sich kostenlos anschauen und als PDF herunterladen kann (10 MB). Das Digitalisat vermittelt einen guten Eindruck von der damaligen Zitierweise mitten im Text mit Quellenangabe und dem bisweilen abenteuerlichen Druckbild. Dass ich dann auch noch Herrn oder Frau Google mit Fingerlingen auf der Schnapszahlseite 44 beim Digitalisieren erwischte, machte meinen Fund noch interessanter.

Abhandlung vom Recht der Liebesbriefe_Google_Digitalisat

Petrus_Cinericombustor_Signatur