Marilyn liest
In der Erotik steckt wohl etwas wie die gleichzeitige Ansprache des Körpers und des Geistes. Das Bild einer Frau, die selbstversunken in einer Zeitung liest, macht uns zum Voyeur, egal wie mehr oder weniger bekleidet das Objekt auch ist. Schönheit gepaart mit Esprit ist eine unwiderstehliche Mischung. Gerade die Schwarzweiß-Fotos der lesenden Marilyn Monroe sprechen mich da immer wieder an. Wo man dem Sexsymbol bei einer alltäglichen Beschäftigung zusehen darf, wird der innere Ausdruck reizvoll, weniger ihre körperlichen Vorzüge. Das Symbol fällt aus dem Rahmen, wird mit einem mal menschlicher, nicht so weit weg. Wenn die Farbe mit ins Spiel kommt, verliert das Ganze, dann ist es wieder buntes Hollywood.
Ob lesende Männer auf Frauen eine vergleichbare Wirkung haben. Das erinnert mich wieder an das Buch “Frauen die lesen, sind gefährlich”. Sind lesende Männer auch gefährlich? Gibt es Frauen, die Abbildungen von lesenden Männern sammeln?
Mollys inneren Monolog am Ende von James Joyce: Ulysses
Wahrscheinlich doch eine männliche Obsession. Der Wunsch, das eigene Verlangen nach dem weiblichen Körper, den Trieb, mit einem geistigen Anspruch zu verbinden. Lesende Männer im Internet zu sammeln ist ungleich schwerer. Die weibliche Sexualität ist medial unterrepräsentiert, nicht nur dort – und wenn, dann wird sie aus männlicher Perspektive geschildert. Aber vielleicht sollte ich, ungeachtet meiner sexuellen Disposition, demnächst auch einmal lesende Männer sammeln. Männer lesen viel, aber sie sind anscheinend kein Objekt, dass man bei dieser Betätigung unbedingt betrachten will. Honni soit qui mal y pense… Aber was heißt hier “mal”, jedes Verlangen ist menschlich, solange es nicht verletzt oder zerstört.
Arthur Millers Adaption von Henrik Ibsen “Ein Feind des Volkes”