Ich sah sie springen, einer nach dem anderen. Sie nahmen im Zimmer wohl ein wenig Anlauf, denn sie setzten keinen Fuss auf das Gelaender des Balkons. Sie sprangen aus der vierten Etage, einer nach dem anderen. Im Vorgarten des fuenfstoeckigen Mietshauses befand sich ein Bassin, nicht sehr gross, aber tief genug. Sie plazierten ihre Arschbomben mitten hinein. Das Wasser spritzte hoch und erreichte die dritte Etage. Ich sah zu. Ich beobachtete nicht, ich sah zu, nippte an meinem Kaffee. Gérard hatte mir den Kaffee serviert. Ich kannte ihn nicht, alle anderen erweckten den Eindruck, mit ihm freundschaftlich verbunden zu sein. Er hatte Freikarten, jede Menge, und er trug eine Thermoskanne bei sich. Woher nahm er die kleinen Kaffeetassen, die er mit einem vorzueglichen, heissen Arrabica zu fuellen verstand? Ich wollte es gar nicht wissen. Fuer einen kleinen Moment war ich von seinen eleganten Bewegungen wie verzaubert. Gérard trug einen dunklen Anzug und ein weisses Hemd, weit geoeffnet. Ich konnte fast den Bauchnabel sehen. Ich mochte das nicht. Ich wollte ihn aber um eine Freikarte bitten. Gérard bewegte sich, die anderen forderten ihn, ich schaute hinaus durch das grosse Fenster, und ich sah sie springen. Den ersten, den zweiten, den dritten, den vierten, lauter Arschbomben, der fuenfte verfehlte das Ziel. Der fuenfte war der kleinste und augenscheinlich juengste. Er kam zu stehen, krachte aber mit dem Kinn auf die hoelzerne Umrandung des Bassins, hatte versucht, mit beiden Armen den Aufprall ein wenig abzumildern. Vergebens. Der Junge ging ins Haus. Nichts liess er sich anmerken, rein gar nichts. Ich registrierte, mehr nicht. Er haette tot sein muessen oder doch zumindest schwer verletzt. Ich sah nur hin. Mein Blick war teilnahmslos. Ich bemerkte an mir stolze, harte, weltverachtende Zuege, wie ich sie in dem schoenen Gesicht meiner Grossmutter entdeckt zu haben glaubte, damals. Ich weiss nicht, ob sie jemals gluecklich gewesen ist. Sie lebte in einer unfreiwilligen traurigen Gefangenschaft, so wurde mir berichtet, und so war es wohl auch, gebadet in Tand und Flitter. Waehnte sie sich allein, entspannten sich die ernsten, harten Zuege, ein melancholisches Laecheln umspielte die schoengeschwungenen Lippen, und mit sehnsuechtigen Blicken schaute sie hinaus in die Natur, deren freier Genuss ihr fuer immer versagt war. So stellte ich sie mir vor. Befand sie sich aber in Gesellschaft anderer, dann nahmen ihre Gesichtszuege gleich wieder den den herben, abweisenden Ausdruck an, ihre herrliche Gestalt richtete sich majestaetisch auf, und alles frauenhaft Milde und Weiche war aus ihrer Erscheinung verschwunden. So muss sie gewesen sein. Sie, die ihr an den Ufern des Schwarzen Meeres gelegenes Elternhaus hatte verlassen muessen. Ich ging hinaus. Gérard rief mir etwas nach, ich drehte mich noch einmal kurz um, erblickte ihn aber nicht. Ich hatte sie springen sehen, aber es haette auch anders kommen koennen. Vielleicht hatte ich mich geirrt. Vielleicht war meine Grossmutter eine ganz andere. Vielleicht passte mir die eine, die ich mir ausgemalt hatte, so grad. Und keine andere? Vielleich haette ich sie nicht springen sehen muessen. Freiheit? Es fing zu regnen an. Ich nahm die Strassenbahn und kam rechtzeitig zum Beginn der Spaetschicht im Krankenhaus an.
Meta
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@Sholeh Das ist sehr intensiv. Was ich mich aber frage, weil mich der Stil an Diotima erinnert, ob ihr zusammenhängt, ob es da Verbindungen gibt. Auch zu Feelia. Wie drei Seiten ein und derselben Frau, habe ich gedacht. Aber auch wieder nicht. Ich kann aber verstehen wenn du dazu nichts sagen willst. Es ist auch egal. Trotzdem hätte ich gern sowas wie ein Bild, wie eine Beschreibung von euch. Irgendwie so. Ich weiss jetzt auch nicht. Entschuldigung.
@salome