Wir standen immer noch im zweiten Stock des Technikmuseums Berlin, Spectrum, Science-Center, mein Junge über den Rahmen des Kastens gelegt, Jascha, der größere, stützte sich lediglich auf. Weiterhin sahen wir den Gebilden fasziniert zu.
„Es sind niemals dieselben Teilchen, was wir da sehen“, erklärte ich, „sondern Tausende entstehen und vergehen, und wenn sie sterben, hinterläßt ihr Zerfall diese Spuren.“
„Dann vergeht“, erwiderte Jascha, „aber auch d e r.“
„Wer?“
„Der Zerfall.“
Erstaunt sah ich ihn an.
„Du meinst: zerfallender Verfall?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Guck, Papa!“ rief Adrian. “Da ist w i e d e r eine Dorata gestorben.”
„Corinna“, sagte ich.
„Corinna?“
„Corinna Frieling. Kennst du nicht. Eine Freundin von Papa.“
Ein paar Jugendliche drängten her, scherzten, neben und hinter uns knatterten die Geigerzähler in den anderen Versuchsvitrinen.
„Wieso Corinna, Papa?“
“Weil heute der sechste November ist.”
„Stimmt nicht“, erwiderte Jascha.
„Bitte?“
„Heut ist der erste“, sagte er.
Überrascht sah Deters den älteren Herrn an. Der war gerade die Treppe zu den Toiletten herabgekommen, die Deters eben hinaufgehen wollte.
„Entschuldigen Sie bitte, welchen Tag haben wir heute?“
„Heut ist der erste November“, wiederholte der.
„Oh.“
„Machen’S sich nichts draus, ich vergeß auch manchmal aufs Datum.“
„Aber wir sind in Berlin?“
Jetzt war dieser Mann überrascht. Fing sich aber und antwortete nicht ohne Spott, davon gehe er aus. Pfiffig wäre jetzt gewesen, hätte Cordes einen Grund gefunden, um Hans Deters den Menschen nach seinem Namen fragen zu lassen. Dann wäre nämlich herausgekommen, daß auch er Jascha mit Vornamen hieß. Cordes fand aber keinen, weshalb das unbemerkt blieb. Zumal wieder Adrian in die Bemerkung hineinsprach und mich ins Technikmuseum zurückbrachte.
„Und wer war d a s da jetzt, Papa?“
„Das ist Kumanis Vater gewesen.“
„Kumanis Vater?“
„Sein Papa, ja. Für den ist heute nämlich a u c h der 6. November. Heute wird er gelöscht.“
„Es ist aber heute der erste“, beharrten beide Jaschas, im Technikmuseum der elf- und im SILBERSTEIN der fünfzigjährige. Weil halt Cordes an dieser Stelle versagte (oder nicht versagte, vielmehr interessierte die Sache ihn nicht), sprang meinerseits ich der Erzählung bei und ließ ihn Brahms heißen, nein, nicht mit dem Komponisten verwandt, auch wenn ich dachte Ihr habt nun Traurigkeit, aber Jascha Brahms halt doch, und mit dem Jungen hatte er zumindest seine lebenslange Leidenschaft für Fußball gemein.
„Gelöscht, Papa? Wie meinst du das?“
Daß der knapp Fünfjährige das, ohne grundlegend verunsichert zu werden, nicht verstünde, war mir bewußt. Deshalb erklärte ich bloß, daß für die Geschöpfe, deren Zerfall wir sähen, Zeit eine ganz andere Ausdehnung habe. „Siehst Du?: Das waren jetzt vielleicht anderthalb Sekunden, die wir sahen, aber für Dorata selbst sind diese anderthalb Sekunden fast fünfundvierzig Jahre gewesen. Was sie erlebt hat, könnten wir überhaupt nicht sehen, so schnell ist das für uns.“
Meta
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