„Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein“, ist der erste oder zweite Roman, der 1973 in Tschechien geborenen Marketa Pilatova, der von Michael Stavaric übersetzt, 2010 bei Residenz erschienen ist.
Marketa Pilatova hat Romanistik und Geschichte studiert, reiste 2005 nach Brasilien, wo sie den Nachfahren tschechischer Einwanderer Tschechischunterricht gab und lebt heute in Südamerika oder Prag.
Die spärlichen über Google erhältlichen Angaben variieren. Der Roman wurde jedenfalls von Kritik und Publikum in Tschechien, wie auf den Klappentext steht, gefeiert und auch von Residenz sehr gelobt.
Es ist auch ein sehr erfrischendes Prosawerk in einer jungen lebendigen Sprache, das die Tschechen und Prag von einer ganz anderen Seite zeigt. Geht es in dem Buch doch um vier Frauen, zwei alte und zwei junge und den jüdischen Doppelspion Jaromir, der immer ganz anders sein wollte. In Auschwitz oder sonstwo von der Zigeunerin Johana, den Tod aus der Hand gelesen bekam und von ihr mit den Resten der Nazigelage genährt wurde.
Jaromir ist danach nach Sao Paulo gegangen, wo er die Tochter deutscher Einwanderer Luiza heiratete, aber dennoch unentwegt seiner Jugendliebe Maruska, die in einem Prager Ministerium als Sekretärin arbeitete, Briefe schrieb und von ihr in abendteuerlicher Weise auch welche hinausgeschmuggelt bekam, herrschte in Prag ja der Kommunismus und so sind auch Lena und Marta, Kinder tschechischer Auswanderer, in Brasilien aufgewachsen. Lena als Cowgirl in den braslianischen Weiten, während Marta von ihrer unmöglichen Mutter in die Steiner Schule geschickt wurde und dort die künstlerische Ader und das soziale Handeln gelehrt bekam.
So beginnt das Buch auch mit dem Tod von Frau Hrubesova aus dem Club Novy Slovan in Sao Paulo, die sie betreute, um dann nach Prag zu flüchten, wo sie Schals und Mäntel mit schwarzen Vögel strickt und Lena kennenlernen wird, die auch nach Prag kommt, um dort bei Tante Ludmila zu wohnen.
Das Ganze ist nicht chronologisch erzählt, sondern in Kapitel, die unterschiedliche Namen tragen und von dem jeweiligen Protagonisten geschildert werden. Jaromirs Briefe an Maruska tauchen auf und das Tagebuch des alten Erdkundelehrer Jandls.
Jaromir, der seit seiner Zeit als Doppelspion immer eine Kapsel Zyankali im Mund oder in der Tasche trug, schluckt sie schließlich 1987, so daß Luiza nach seinem Tod nach Prag fährt, um dort endlich ihre Nebenbuhlerin kennenzulernen.
Aber die haben schon vorher Marta und Lena kennengelernt, da Lena das Blauauge Vladimir liebt, der sie als Hilfstherapeutin in eine Psychiatrische Klinik bringt, um in seiner Dissertation zu erforschen, ob Therapien von Laien erfolgreicher, als die von Psychoanalytikern sind, wo Maruskas Depressionen behandeln werden.
Am Schluß dreht und wendet sich alles, Maruska, die nie zu Jaromir nach Brasilien kommen wollte, zieht dorthin und unterrichtet auf Lenas Farm, die Kinder der Landarbeiter, während Marta mit ihrer Mutter endgültig nach Prag geht, um dort ein neues Leben zu beginnen, vorher nimmt sie aber an einer spiritistischen Sitzung teil, um mit Jaromirs Geist zu sprechen und ihn zu fragen, was sie Luiza von ihm mitteilen soll. Ein wirklich flott dahingeschriebenes Buch, leicht und spritzig, in dem immer wieder sehr schöne poetische Wendungen auffallen, obwohl es nicht wirklich viel Neues erzählt, zumindestens in den Jaromir Passagen, wo es um den Faschismus und den Kommunismus geht nicht, Lena und Martas lockerer spritziger Feminsmus und auch die Art, wie sich Marketa Pilatova über die Psychiatrie und sonst noch einiges lustig macht, klingt aber neu und vor allem die Art, wie die brasilanischen Tschechen Prag sehen könnten, ist erfrischend und amusant zu lesen.
2010-08-14
Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein
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