Literaturgefluester

2011-02-09

Komödie des Alterns

Filed under: Uncategorized — jancak @ 15:08

„Michael Scharangs herzerfrischende „Komödie des Alterns“ ist ein Buch über drohende Verluste und Tröstungen, über Sprache und Musik, über Bescheidenheit und den Abschied von den großen Verheißungen“, schreibt Volker Hage, vom Spiegel, auf der Buchrückseite.
„Ein Meisterwerk“, hat Elfriede Jelinek hinzugefügt.
Worum geht es in dem 2010 bei Suhrkamp erschienenen Roman, der in einem Prolog, einen Epilog und zwölf Kapitel, die so schöne Namen tragen, wie „Der Sandsturm“, „Der Todfeind“, „Das Stahlwerk“, etc.
Es geht um zwei Männer um sechzig, die also eigentlich noch gar nicht alt sind, obwohl sie als solche geschildert werden. Um den ägyptischen Maschinenbauingenieur Zacharias Sarani und den österreichischen Schriftsteller Heinrich Freudensprung, die einst Freunde waren, aber jetzt einen derartigen Haß aufeinander haben, daß sie zu des Beginn des Buchs schon tagelang nichts gegessen und getrunken haben und solcherart geschwächt auf eine Extremsituation zusteuern.
Bei dem der Oberschicht angehörenden Ägypter ist das, daß er die Absicht hat, nachdem er den ehemaligen Freund vom Flughafen abgeholt hat, sich in die Wüste zurückzuziehen und von dort nicht mehr zurückzukommen, bei Freudensprung, der sich im Flugzeug, das ihm von New York nach Kairo bringt, seltsam gebärdet, die Vorstellung, seinen Ex-Freund nach oder vor der Begrüßung abzuknallen.
Die jeweiligen Kapitel werden abwechselnd aus der Sicht Saranis oder Freudensprungs erzählt. Sarani sitzt zuerst auf einer Bank am Flughafen, Freudensprung im Flugzeug, bis sie aufeinandertreffen, in dieser Zeit erfährt man viel aus dem Leben der beiden. Sarani, wie erwähnt ein Oberschichtägypter, dessen Vater den König beraten hat, der als junger Mann nach Graz kam, um Maschinenbau zu studieren und vorher im Kapfenberger Stahlwerk ein Praktikum machte, wo der Arbeitersohn Freudensprung, der hervorragend Geige spielt, ebenfalls in den Ferien arbeitet, die beiden freunden sich an, Freudensprung rettet Sarani mehrmals das Leben, sie machen Bergtouren auf den Hochschwab und in die hohen Tauern, später bauen sie in der Wüste eine Farm, Saranis Lebenswerk, auf Gemeinschaftsbasis auf. Es soll dort auch noch eine Akademie entstehen und daran begann der Konflikt, die zwei so narrisch machte, aufzuheizen. Aus Saranis Sicht hat ihn Freudessprung verraten, weil er sich weigerte, zu seinem Fest zu kommen, wo die beiden ihren sechzigsten Geburtstag feiern wollten, dann wirft er ihm noch vor, daß er seinen Sohn David, der die Akademie führen sollte, abspenstig machte. Der haßerfüllte Freudensprung ist vor allem davon betroffen, daß er, der mit sechzig, die fünfunddreißigjährige Lena kennenlernte, die mit ihm unbedingt den August 2000 oder 2001 in New York verleben wollte, sich dort in David verliebte, Freundensprung vermutet eine Intrige und schmiedet Rachepläne.
Irgendwann kommt das Flugzeug an, die beiden Männer erschießen sich nicht, Sarani läßt Freudensprung auch nicht stehen, sondern geht mit ihm in das Flughafen-VIP Restaurant, zu dem nur ausgesuchte Personen Zutritt haben. Dort fangen die beiden Ausgehungerten einmal zu essen an. Bei Ham and eggs, Hühnchen, Meeresplatte und Spaghetti kommen sie einander näher, nebenbei bekommt man einen Slapstickkurs des ägyptischen Spitzellebens. Gibt es da ja noch den Geschäftsmann Mustafa, der mit den beiden die Farm errichtete, aber mit den Geheimdiensten in Verbindung steht und einen Kellner, der sich während des Gelages als Doppelagent entpuppt. Am Schluß wird jemand erschoßen und der Geheimdienst, bzw. Karem, auch ein Farmmitarbeiter bringt die beiden in das Wüstenhaus, wo ebenfalls gekocht und getrunken wird und es schließlich zum Versagen und Verzichten bzw. zur Versöhnung kommt.
Serani hat noch eine österreichische Frau, die er sehr liebt, die sich aber während der Zeit von Seranis Krise nach Graz in ärztliche Behandlung begibt und, wie es scheint, die Absicht hat, dort zu bleiben, während Serani seinem Ex-Freund schon am Flughafen sagte, daß er eine Professur in die Schweiz bekommen hat. David und Lena kommen ebenfalls nach Ägypten und werden die Akademie aufbauen. Sie danken Freundensprung auch dafür, daß er sie, wenn auch ohne Absicht zusammenbrachte.
So klärt sich also alles, das junge Paar ist glücklich, Serani geht in die Schweiz und Freundensprung wird in dem Wüstenhaus bleiben „um diese Geschichte niederzuschreiben. Darauf stießen sie an.“
Soweit die „Komödie des Alters“, die von zwei Sechzigjährigen handelt, geschrieben vom 1941 in Kapfenberg geborenen Michael Scharang, der eine Dissertation über Musils „Mann ohne Eigenschaften“ geschrieben hat. Das tat auch Heinrich Freudensprung und die beiden Freunde philosophieren in dem Restaurant und dem Wüstenhaus darüber. Michael Scharang ist jedenfalls zehn Jahre älter als seine Helden, aber das Buch spielt, um 2000 und, daß Michael Scharang in dieser Zeit oder früher in Amerika war, würde ich auch vermuten, habe ich doch „Das jüngste Gericht des Michelangelo Spatz“ gelesen, das dort spielt. Ansonsten bin ich auf den Namen Scharang nach meiner Matura, als ich anfing mich für Literatur zu interessieren, über „Charly Traktor“ gestoßen, das ich nicht gelesen habe. Er ist ja damals mit Wolfgruber und Innerhofer für die neuen Realisten oder, wie das hieß, gestanden. In meinem Bücherkatalog stehen einige Bücher wie „Das Wunder Österreich“, „Der Lebemann“, „Auf nach Amerika“ und „Bleibt Peymann in Wien oder kommt der Kommunismus wieder“, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Scharang gilt jedenfalls als politischer Autor und hat, als wir vor zehn Jahren „schwarz-blau“ hatten, eine umstrittene kulturpolitische Rolle gespielt.
Das Buch habe ich von der Anna zum Geburtstag bekommen, die glaube ich, eher ein Fan von Schrarangs Tochter Elisabeth ist, die eine bekannte Filmemacherin und FM4 Moderatorin ist und ich habe die neuerliche Auseinandersetzung eines älter werdenden Autors mit dem Alter, die Michael Scharang ja hervorragend komisch und irrational schildert, sehr spannend gefunden, überhaupt, wo es jetzt in den Nachrichten so viel über Ägypten und den Aufstand der Massen gegen die Diktatur zu hören gibt. Auch wenn ich denke, daß Freudensprungs und Saranis Leiden ein wenig übertrieben geschildert wurden und die Welt nicht gleich untergeht, wenn ein Sechzigjähriger von einer Freundin, die eigentlich seine Tochter sein könnte, verlassen wird. Aber die intellektuellen Männer leiden, wie ich weiß, sehr daran, in diesem Sinne freue ich mich schon auf das nächste Buch meiner Leseliste und wieviel an dem Roman wahr und wieviel erfunden ist, läßt sich auch sehr schön diskutieren, habe ich auf der Wikipediaseite ja einige Übereinstimmungen gefunden.

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