Das Weiterschreiben an der „Frau auf der Bank“, ist mir nach dem Urlaub, wie schon erwähnte, gar nicht so leicht gefallen. Obwohl ich im Juli sehr schnell über fünfzig Seiten und sechzehn Szenen konziperte. Damit bin ich nach Polen gefahren und da waren die Geschichten von der Türkin Sevim, der Psychiaterin Svetlana und der Selma Steininger, die jetzt Obermayer heißen wird, natürlich weg. Habe ich mich ja auf die Reisereportagen konzentriert und mich auf das Wochenende gefreut, wo ich alles aufschreiben wollte.
Vorigen Samstag war ich damit fertig und als dann das Manuskript durchgehen wollte, habe ich Widerstand gespürt und zu trödeln angefangen. Alles war weit weg, dafür aber die Gedanken „Das wird ohnehin nichts!“, sofort da. Und die sind bei mir sehr stark vorhanden und haben sich in den achtunddreißig Schreiberjahren tief eingeprägt. Habe ich ja, als so etwa 1978 einen meiner ersten Texte, es war „Die Einladung zum Tee“ schüchtern herumzeigte, nur Abweisungen bekommen.
„Das ist nicht gut genug, aber, wie es besser wird, können wir dir auch nicht sagen!“ oder „Jeder Satz muß sitzen!“ und dann kamen auch die Sätze, wie „Da passiert ja nichts!“ oder „Die Personenführung ist zu flach“ oder das mit den Rechtschreibfehlern. In jüngster Zeit höre ich auch, daß man nicht zu viele „Adjektive verwenden soll“ und das habe ich dann in mir, wenn ich mich hinsetze um Buch fünfundzwanzig zu schreiben. Einige Wiederholungen habe ich auch und es sind ja auch sehr bekannte Themen, die ich mir wieder vornehme, denn über depressive Frauen, die in Wien herumgehen, um die Finger an die Wunden zu legen, habe ich schon öfter geschrieben. Andererseits denke ich mir, daß ist eben das, was mich interessiert, was für mich wichtig ist und ich auch kann. Die Schicksale der Selma, Sevim und Svetlana laßen sich sicher auch so verknüpfen, daß etwas Neues dabei herauskommt. Was mir sehr hilft, sind auch Sätze, wie man sie in Schreibwerkstädten und beispielsweise bei Thomas Wollinger finden kann. Daß nicht alles gleich perfekt sein muß, weil man überarbeiten und korrigieren kann. Daß das Zeitlassen für mich wichtig ist, habe ich schon geschrieben und darauf muß ich auch sicher achten, daß ein Roman eben länger dauert und nicht in einer Woche geschrieben sein kann oder muß. Warum das bei mir so ist, wird aber auch seinen Grund haben und so bin ich auch sehr schnell wieder in den Roman zurück gekommen, denn auch das braucht ein bißchen Zeit. Als ich also genug getrödelt hatte, habe ich mir in Wien die „Biber“ und die Zeitschriften vom „Romano Centro“ herausgesucht, um Hintergrundmaterial zu haben und vorgestern und gestern das Manuskript durchkorrigiert.
Inzwischen habe ich siebzehn Szenen und fünfzig Seiten, bzw. 22.675 Worte. Schade, daß ich mir das in Harland nicht ausdrucken kann, da das für einen optischen Typ, wie ich es bin, sehr wichtig ist. Ideen für die Handlungsstränge sind mir aber trotzdem schon gekommen. Am Unklarsten ist da nach wie vor die Selma. Mag sein, daß die eine Verbindungsfigur auf der Suche nach dem Bürgermeister bleibt, den sie vielleicht am Schluß findet oder auch nicht. Sie Sevim ist am Plastischsten ausgeprägt, die wehrt sich gegen ihren Mann. Da habe ich gerade eine Tanzkursszene geschrieben, sie wird als nächstes aufs Arbeitsamt fahren und sich für eine Pflegehelferausbildung anmelden, ob sie sich scheiden lassen wird oder nicht, ist nicht ganz klar. Es gibt aber die Idee eines österreichischen Volksschullehrers, den sie kennenlernen könnte. Sie trifft sich auf jeden Fall mit Selma im Rathauspark, bringt ihr Baclava mit und erzählt ihr von ihren Fortschritten. Mit Norbert könnte sie auch einen richtigen Tanzkurs besuchen, den den Svetlana z.B. besucht vielleicht und Svetlana läßt sich von Selma angestachelt in eine Beziehung mit Theo Hardenberg ein. Nach der Tanzstunde hat er sie schon auf ein Glas Wein eingeladen, als nächstes kommt eine Einladung in die Oper und dann stellt er sie seiner Familie in der Hietzinger Villa vor. Dazwischen gibt es die Therapiegespräche zwischen Selma und Svetlana, die immer vom Herrn Oberarzt, statt von ihren Tabletten spricht und das Ganze könnte sich in kleinen Schritten entwickeln.
Wie lange ich dazu brauche und wann ich mit dem Rohentwurf fertig sein werde, weiß ich noch nicht. Daß das auch schnell gehen kann, habe ich schon geschrieben und, daß ich versuchen werde, es so lange zu ändern, bis es passt, auch. Da ist es auch sicher gut Material zu sammeln und vielleicht in Wien ein bißchen herumzufahren. Wenn ich mich da zum offenen Bücherschrank am Brunnenmarkt setze oder die Neulerchenfelderstraße entlang gehe, bekomme ich sicher Anschauungsmaterial.
So weit bin ich also, geduldiger werden mit sich selbst, Thomas Wollingers Satz, daß alles schon in einem steckt, beherzigen und ich schreibe eher einfach und realistisch. Aber Ludwig Laher ist mit seinem Dokumentarroman auch auf die Longlist des dBP gekommen und bei den Erzählbänden von Seher Cakir und Grezgorz Kiewalski habe ich mir auch gedacht, das kann ich eigentlich auch. Also sollte ich mich von meinen Kritikern nicht irritieren lassen. Auch das nehme ich mir vor, ich schreibe so gut, wie ich es kann und es sollte mir Spaß machen, mich in meine Figuren einzulassen und sie weiterzuentwickeln, daß ich dabei an Hemmungen und Grenzen stoße ist klar. Mit ein bißchen Geduld komme ich aber damit weiter und wenn nicht, bleibt es so, wie es ist.
2011-08-20
Weiter am Roman
2 Kommentare »
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wenn mans nicht allzu übertreibt, würd ich auch zum trödeln raten… wenn einen die geschichte grad nicht will, dann eben nicht. auf teufel komm raus schreiben… ich weiß nicht – lieber abwarten, bis herz & hirn wirklich wieder dabei sind, das wird schon wieder kommen! (und noch ist ja ein bisschen sommer, der schlendrian darf ja auch zu besuch kommen – )
Kommentar von s. — 2011-08-20 @ 11:59 |
Ja, natürlich, deshalb hab ichs auch aufgeschrieben, weil es das ist, was ich erst lernen mußte und mit Sechsundzwanzig beispielsweise, habe ich das sicher nicht gekonnt, denn da war ich, wenn ich an die Grenzen meines Schreibens gestoßen bin, total hilflos und habe gedacht, ich muß mit dem Kopf durch die Wand, damit es weitergeht. Jetzt weiß ich, auch weil ich mich ja mit der Depression beschäftige, da muß man durch. Ich denke öfter, wenn ich in der Früh mein Geschirr abwasche und weiß, was ich dann alles machen sollte, ich mag oder kann nicht, inzwischen weiß ich, einfach anfangen, dann geht es schon und diesmal war der Schreibprozeß besonders interessant. Denn ich war Samstagabend einfach zu müde, um mich in den Roman einzulassen und vielleicht auch noch nicht ganz zurück aus Polen, da wollte ich herumgooglen und die Tage in Wien zwischen den Stunden ging es auch nicht. Als ich dann zwei Tage Zeit hatte und das Ganze durchkorrigierte, sind die Ideen fast sofort gekommen. Inzwischen gibt es sieben weitere Szenen und ich würde sagen, vielleicht gelingt mir auch das Verdichten und das Abstrahieren diesmal so, daß am Ende etwas Neues herauskommt und niemand böse ist, weil er sich vielleicht erkennt, weil die Sevim und die Svetlana natürlich auch ihre realen Vorbilder haben.
Kommentar von jancak — 2011-08-20 @ 12:13 |