Trotz Leo-Perutz-Preis die Besprechung eines russischen Krimis, nämlich Polina Daschkowas „Die leichten Schritte des Wahnsinns“, das ist auch der interessant, vor allem wenn die Heldin Lena Polanskaja heiißt und in Moskau im März 1996 mit dem Kinderwagen und der zweijährigen Tochter Lisa nach Hause geht und dabei von einem dunkelblauen Volvo verfolgt wird.
Lena ist sechsunddreißig Hahre alt, mit einem Polizei-Oberst verheiratet und Redakteurin einer Literaturzeitschrift, vor fünfzehn Jahren war sie mit ihrer Freundin Olga und deren Bruder Mitja auf einer Delegation in Sibirien, wo sie ihre Literaturzeitschrift in einem Gefängnis vorstellte und dabei die Gedichte des rangtiefsten Häftlings veröffentlichte.
Inzwischen ist viel Zeit vergangen, der Kommunismus verschwunden, die freie Marktwirtschaft mit ihren mafiaähnlichen Strukturen hat Einzug genommen, so werden auch überall die Menschen ermordet und so berichtet Olga auch gleich ihrer Freundin, daß ihr Bruder, ein Liedermacher, angeblich Selbstmord im Drogenrausch begangen haben soll, obwohl nur seine Frau Katja rauschgiftsüchtig war. Die geht zu einer berühmten Therapeutin und wird irgendwann auch ermordet und noch ein anderer Sänger und es kommt auch der Leiter des größten Musikkonzerns dazu, der seine Leichen im Keller hat, hatte er nämlich einen berühmten revolutionären Großvater, an den ihn seine Mutter immer mahnte, ansonsten hatte sie nur wenig Liebe zu ihm, so daß er nicht umhin konnte, die Frauen, zu denen er sexuellen Kontakt hatte, gleich zu ermorden. 1981 ist er Kulturamtsleiter in Tobol und hat die Aufgabe die drei Studenten durch die Gefängnisse zu führen, dabei verliebt er sich in Lisa und Mitja sieht einmal Blut an seinem Pullover, kurz nachdem ein junges Mädchen ermordet wurde. Dafür hält natürlich ein anderer den Kopf hin und der Polizist der Verdacht schöpft, wird ebenfalls ermordet, wie das in Russland so sein scheint und Wenjamin Wolkows Frau Regina ist auch ein Kind aus Tobol und hatte das Pech sehr häßlich zu sein, ihre Mutter eine Bibiliothekarin tröstete sie zwar mit den inneren Werten und der schönen Literatur, Regina studierte aber Medizin, beschäftigte sich mit Hypnose und Gerichtsmedizin und verführte Wenjamin, den sie ständig hypnotisierte, so daß sie nicht ermordet wurde, sondern seine Frau und mit ihm den größten Musikkonzern aufbaute.
1996 erinnert sich Mitja nun an das Blut am Pullover und Olga erzählt Lena, daß sie nicht an den Selbstmord glaubt. Dann verliebt sich noch der Musikproduzent ein zweites Mal unsterblich in Lena, Regina versucht sie zu ermorden und schmuggelt Sprengstoff in den Kinderwagen, nur leider parkt sie auf dem Parkplatz des hiesigen Mafiabosses, der läßt sich das nicht gefallen, so daß die Bombe zu früh losgeht.
Lena schöpft Verdacht und soll außerdem, während ihr Mann auf einen Kongreß in London ist, noch ganz zufällig einen amerikanischen Historiker durch Sibirien begleiten. Da wird es dann richtig gefährlich, denn Regina hat sich an die größten Mafiabosse gewandt und denen Märchen vom CIA erzählt, so daß der Professor nicht nur Schwierigkeiten hat, sich in Sibirien vegetarisch zu ernähren, das Gepäck wird auch durchwühlt, eine Puderdose verschwindet und zuletzt wird Lena noch entführt. Das Wunder kommt in dem dichtenden Häftling, der sich inzwischen zum größten Profikiller entwickelt hat, der ist Lena nämlich dankbar, so daß er sie nicht ermordet, sondern durch die Taiga schleppt, bis sie ihr Mann mit dem Polizeihubschrauber findet. Regina hat inzwischen ihren Mann ermordet, natürlich so, daß niemand etwas beweisen kann, so daß sie in den Talkshows darüber Auskunft gibt, daß sie leider leider den Konzern nun alleine weiterführen muß. Sie ist auch nicht mehr häßlich, sondern hat sich längst den Schweizer Schönheitschirurgen unters Messer gelegt, einen jungen Liebhaber hat sie auch.
Schade nur, daß sich der beste Profikiller „anschickt seine übliche Arbeit zu tun, aber nicht auf Bestellung und nicht für Geld. Nur für sich allein.“
Das wars und wir haben einen Einblick in das Leben Russlands von 1996 bekommen. Daß es dort sehr gewalttätig zugeht, hören wir in den Medien, die 1960 in Moskau geborenen Polina Daschkowa, die inzwischen eine der erfolgreichsten Krimiautorinnen Rußlands ist und am Gorki-Literaturinstitut in Moskau studierte, schildert es sehr eindrucksvoll und plastisch, wenn auch ein wenig langatmig. Köstlich die Stelle, wo der lokale Mafiaboss, der in dem Wohnblock eine Geliebte hat, auf ihren Moskwitsch auffährt, der Kinderwagen sich vorzeitig entzündet und die eiskalte Ärztin, die sich trotz ihrer Millionen ärmlich angezogen hat, aussteigen und in einen Bus flüchten muß. Dort wird sie beim Schwarzfahren erwischt, sie hat natürlich kein Geld dabei, denkt sie doch nicht an sowas, nur noch Teile des Sprengsatzs in der Handtasche, als die Kontrollore, die Polizei rufen wollen, erbarmt sich eine junge Mutter, zahlt für sie das Bußgeld und ist verblüfft, daß Regina dann ein Auto anhält, wie das in Moskau offenbar so üblich ist und nach Hause in ihre schwerbewachte Millionenvilla braust und als fast ist und Lena mit Lisa, ihrem Mann und noch einen anderen Polizisten die Talkshow mit Regina sehen und der Polizist, so erbost darüber ist, daß man Regina nichts anhaben kann und droht, sie selbst umzubringen, schaut ihm das Kind streng an und fragt „Warum schreist du so? Man darf niemanden umbringen! Hast du verstanden? Und überhaupt, mach endlich das Sandmännchen an!“
Sehr köstlich und interessant, dieser Bücherkastenfund, ich habe von Polina Daschkowa in einer Thalia Abverkaufskiste übrigens schon ein anderes Buch gefunden „Nummer fünf hat keine Chance“, wo es um eine Lehrerin geht, die mit einer Prämie die sie bekommen hat, aus der Provinz nach Moskau fährt, um irgendein dringend notwendiges Stück zu kaufen, nur gerät sie leider vorher in die Fänge eines Wettsalons.
Wenn man über das Leben im neuen Russland etwas erfahren will, ist Polina Daschkowa wahrscheinlich sehr zu empfehlen, auch wenn ich bezweifle, daß man mit Hypnose wirklich so arbeiten kann, wie es Regina Valentinowna tut. In der Hauptbücherei war Polina Daschkowa vor ein paar Jahren auch zu erleben. Ich weiß allerdings nicht mehr aus welchen Buch sie gelesen hat.
2011-09-15
Die leichten Schritte des Wahnsinns
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