„Rote Lilo trifft Wolfsmann“ – Literatur der Arbeitswelt, herausgegeben von Petra Öllinger und Georg Schober, ist die erste Anthologie, die auf Grund eines Wettbewerbes des „Duftende Doppelpunkts“, 2006, entstand. Denn da feierte der duftende Doppelpunkt seinen ersten Geburtstag, deshalb wurde der zweistufige Wettbewerb veranstaltet. Thema war die Arbeitswelt und den Gewinnern wurden in einer zweiten Stufe, ein sogenannter Tutor, beispielsweise El Awadalla, Armin Baumgartner, Traude Korosa, Gerald Grassl, Raimund Bahr, der mit seiner Edition Art und Science auch der Verleger ist, um nur die zu nennen, die kenne, beigestellt, so daß noch einmal Texte entstanden, die in der Anthologie enthalten sind.
Erfahren habe ich davon im Frühling voriges Jahr, denn da wurde noch einmal ein solcher Wettbewerb ausgeschrieben, bzw. eine zweite Anthologie vorbereitet und mit einem mehrwöchigen, gar nicht so leichten Gewinnspiel mit Fragen zur Literatur der Arbeitswelt beworben und dabei habe ich das Buch gewonnen.
Literatur der Arbeitswelt, das hat ja eine eigene Geschichte und darüber habe ich auch schon öfter geschrieben, bzw. wird das in dem Buch, nach dem Vorwort auch erwähnt und da wird als Beispiel der Deutsche Günter Wallraff genannt, es gibt aber natürlich auch Max von der Grün etc und eine berühmte Fischer Taschenbuchreihe und für Österreich werden die Namen Scharang, Turrini, Innerhofer, Wolfsgruber, also Literaten, die in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts bekannt wurden, genannt. Es gibt oder gab den steirischen Werkkreis der Arbeitswelt, den ich durch den Arbeitskreis schreibender Frauen kennenlernte und die Gruppe um Gerald Grassl, die die „Tarantl“ herausgibt, beim Volksstimmefest und der KritLIt auftritt etc. Es gab auch den Luitpold Sternpreis und eine Schreibwerkstatt der Gewerkschaft unter Eveline Haas, die ich einige Jahre besuchte und wo ich auch Petra Öllinger kennenlernte, mit ihr habe ich auch in einer oder einigen Anthologien einen gemeinsamen Text, habe im Frühling bei dem Gewinnspiel eifrig mitgemacht und bin auch zur der Präsentation der zweiten Anthologie im Mai in die Arbeiterkammer, gegangen und habe jetzt die „Rote Lilo“ gelesen, die viele interessante Texte enthält, die überraschen, weil sie lange nicht so realistisch sind, wie ich eigentlich dachte, sondern viele sogar einen surrealistischen Einschlag haben.
Da die sich beteiligten Autoren sowohl aus Österreich, Deutschland und aus der Schweiz und auch aus allen Berufsgruppen kommen, kenne ich nur wenige von ihnen, eigentlich eher die schon erwähnten Tutoren. Susanne Gregor ist mir aber bekannt, hat sie auch bei Christa Stippingers Exil-Ausschreibung gewonnen und jetzt einen Roman herausgegeben, der auf meiner Leseliste steht. Ihr Text „Maschinenlärm“ ist, entnehme ich der Biographie, ihre erste Veröffentlichung. Dann ist mir noch Christoph Aistleitner bekannt, denn der war auf der Long- oder auch Shortlist des letzten FM4-Wettbewerbs, die anderen Autoren kannte ich eher nicht, die Texte waren aber sehr interessant. So beginnt es mit der „Abmachung“ von Andreas Montalvo. Da steht, während die hungrigen Leute nach Hause zu dem guten Essen eilen, ein kleiner Bub auf einer Straßenkreuzung und jongliert den ganzen Tag, um für seine Familie Geld zu verdienen, während die anderen Kinder in die Schule gehen. Er muß sich anstrengen, denn wenn er nichts verdient, bekommt er am Abend nichts zu essen, es gelingt auch, er fährt mit der U-Bahn heim, verfährt sich aber, wird überfallen und ausgeraubt, der Vater holt ihn ab, findet ihn zerlumpt und tröstet ihn, heute gilt die Abmachung nicht. Eigentlich ein eher ungwöhnlicher Text zur Arbeitswelt.
„Leise“ von Silke Rath, ist das auch, wenn auch auf eine andere Art. Da sitzt ein Fahrer in seiner U-Bahn oder S-Bahnkabine und denkt vor sich hin, er hat nicht viel zu tun, denn die Züge fahren fast automatisch, sprechen darf man mit dem Fahrer nicht, so hört er den Gesprächen zu und verlernt dabei fast das Sprechen. Und „Enge“ von Esther Schmidt erinnert fast an Kafkas „Verwandlung“. Da arbeitet einer Tagaus Tagein und die Decke fällt ihm buchstäblich auf den Kopf, so daß er schließlich mit dem Computer schon unterm Schreibtisch sitzt und keiner merkt es, keiner hilft ihm, bis ihm die Arbeit ganz erdrückt. So kann man die Arbeitswelt auch beschreiben.
Von Christoph Aistleitner ist der „Wolfsmann“, da geht es um Freisetzung, die kommt auch in anderen Texten vor und da tritt dann eine entlassene Krankenschwester schon manchmal in ein Plakat, um sich um verlassene Kinder zu kümmern.
„Maschinenlärm“ von Susanne Gregor aus der Slowakei schildert den Arbeitsalltag eines jungen Mädchens in einer Fabrik und am Fließband, sie muß immer bis dreihundertvierzig zählen und zu Mittag setzt sich in der Kantine ein Mann an ihren Tisch und ihre Familie wirft ihr einen Liebhaber vor. Und Marcela Vsetickova ist Bibliothekarin, das heißt, sie hat studiert und muß daher nicht, wie die Melker um 3.30, sondern erst um vier Uhr aufstehen und braucht ihre Stunden, bis sie an ihren Arbeitsplatz in die Bibliothek von Olomouc kommt und ist schon erschöpft, bevor sie zu arbeiten beginnt.
Die Tutoren haben auch ihre Texte, so beschreibt Gerald Grassl beispielsweise den Beruf „Schreib-Arbeiter“ und Traude Korosa bringt einen Auszug „Aus einer Troubadora Arbeitswelt“, hat Irmtraud Morgner in den Siebzigerjahren in der DDR nicht auch soetwas versucht? Und auch Raimund Bahr schildert das Leben eines Postbeamten höchst surrealistisch, da fährt einer mit einem Aufzug und man darf nicht selbst die Knöpfe drücken und ein anderer überfällt sogar seinen Arbeitsplatz. Und „Die Virginity-Show“ von Awadalla habe ich schon einmal gehört, hat sie die ja einmal bei einer Lesung im Uhudler vorgetragen.
Ein sehr interessantes Buch mit vielen kurzen Texten, die einen die Arbeitswelt in vielen Aspekten näherbringt und sehr zu empfehlen, wenn man ein bißchen über den Tellerrand des Literaturbetriebs hinausschauen und erfahren will, daß viel mehr Leute schreiben, als man denkt, wenn man sich nur für den Mainstream interessiert. Es gibt, wie erwähnt inzwischen eine zweite Anthologie, die auch auf der KritLit im November präsentiert wurde und die Buchmesse der Gewerkschaft wird es, wie mir Herr Blaha, als ich ihm das letzte Mal sah, sagte, nicht mehr geben. Was sehr schade ist, so daß ich die, die sich für die Literatur der Arbeitswelt interessieren, nur auf Anthologien des duftenden Doppelpunkts verweisen kann.
2012-01-22
Rote Lilo trifft Wolfsmann
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