Da ist mir in meinem Bemühen das literarische Leben Wien unter Dreißig möglichst lückenlos zu erfassen, offensichtlich etwas entgangen, nämlich „Die junge Literaturwerkstatt Wien“, die es unter der Leitung von Semier Insaif offenbar schon seit 1999 in der Galerie Wort und Bild in der Garnisongasse gibt. Da die auch ihre Lesungen in der Gesellschaft für Literatur haben, bin ich aber daraufgekommen, daß da heute Laura Freudenthaler, Nadine Kegele, Elisabeth Klar und Kathrin Primetzhofer lesen. Bis auf Nadine Kegele lauter unbekannte Namen. Nadine Kegele kenne ich vom letzten Volksstimmefest und dann war sie auch in der Alten Schmiede bei einer von Angelika Reitzer moderierten Textvorstellungen. Sehr viel junge Leute in der Gesellschaft für Literatur, ein paar Gesichter, glaube ich, schon einmal gesehen zu haben, Gustav Ernst und Manfred Müller im Vorraum, ein alter Herr, der öfter zu den Veranstaltungen der Gesellschaft der Literatur geht und Nadine Kegeles Chef, auf den sie öfter hinwies, das hat sie, glaube ich, auch schon in der Alten Schmiede so getan.
Am Vortragstisch lagen vier Manuskripten, dann kamen die Herren Müller und Insaif und setzten sich, das ist ungewöhnlich in die erste Reihe, während die jungen Frauen am Podium Platz nahmen und kommentarlos zu lesen begannen. Die vom Publikum aus gesehen linkeste tat es und las von einer Yolanda, die Briefe schrieb, die mit Rosenöl besprüht waren, sich dann auf eine Announce eines Heinrichs eines studierten Akademikers zu melden schien, ja ein Roland kam auch noch vor, der sich für Saufen, Fußball und Frauen interessierte. Dann gab es zu einen Bruch, denn die Frau auf der rechten Seite las zwei Sätze, bevor es mit Yolanda wieder weiterging, die zweite Frau von links setzte dann mit der Figur des Heinrichs fort, der schien sich mit Yolanda zu treffen, die schwanger und mit kurzem Röckchen am Bahnhof spazieren ging und Heinrich suchte eine Partnerin für kulturelle Interessen, hatte aber offensichtliche eine Sekretärin namens Dominiquee, diesen Satz las dann Nadine Kegele, die einzige Autorin, die ich zu diesem Zeitpunkt kannte und deren Textteil war auch sehr interessant. Denn da wechselten die Identitäten und brachten etwas Verwirrung, weil es zuerst um die rotgeschminkte Sekretärin mit Stöckelschuhen und eine Buchlesende Frau ging, dann wurde ein männlicher Dominique daraus und es kam zu einer fast Vergewaltigung, relativiert wieder von der zweiten Leserin, die immer von Perspekitiven und falschen Rollenzuteilungen las, die vierte Leserin hatte dann einen anderen Textstil, denn sie las von der heilen Familie, zwei Schwestern und einem Bruder, einer Mutter die alles richtig macht und einer Großmutter der alle Männer gestorben sind, der Bruder war der Sonnenschein, die Schwestern gehen zum Therapeuten.
Danach trat Semier Insaif auf, stellte die Autorinnen in falscher Reihenfolge und mehreren Wiederholungen vor und sagte dem Publikum, daß es Fragen stellen soll.
Das wollte dann auch wissen, wie die Texte entstanden sind und was die junge Literaturwerkstatt ist und erzählte etwas von seinen Hörerfahrungen und Semier Insaif erklärte, daß man sich in der Literaturwerkstatt monatlich trifft und Texte bespricht und daß es für diese Lesung das Thema „Perspektive und Performanz“ gab, das erklärte schon die junge Frau von der ich inzwischen herausbekam, daß sie Elisabeth Klar heißt. Jeder hat einen Textteil zu Figuren geschrieben, die vorher festgelegt wurden, dann wurde hinein und hinausgestrichen und um Madame Bovary und männliche Perspektive ging es irgendwie auch noch. Fragen wurden dann gestellt, wie kann man das Veröffentlichen und auf Gustav Ernsts „Kolik“ verwiesen und diskutiert, wie fühlt man sich, wenn andere in den Text eingreifen, ist das eine Erweiterung oder eine Bedrohung und es war ein spannender Abend mit vielen Fragezeichen, die das Internet aufzulösen hilft, denn da kann man ja nach Hause gehen und die „junge Textwerkstatt Wien“ nachgooglen, ein paar Texte, Bilder, Fotos dabei finden. Wenn man dann zu Laura Freudenthaler geht, erfährt man, daß es schon zumindest einmal eine Hörerfahrung gab, denn die 1984 in Salzburg geborene, hatte einen Text in der ORF Sommerreihe Wörtersee und Kathrin Primetzhofer, das ist auch sehr interessant, ist Kunsttherapeutin und Legasthenietrainerin und 1980 geboren, genau wie Nadine Kegele, die Germanistin, Literaturrezensentin, Nachtsekretärin ist und derzeit einen Roman „Wegen eines schadhaften Zuges schreibt“ und Elisabeth Klar wurde 1986 in Wien geboren, hat zahlreiche Veröffentlichungen und schon verschiedene Preise gewonnen.
Interessant was es so alles an neuer junger Literatur in Wien, auch ohne die Herren Hakel und Weigl aus den Fünfzigerjahren gibt, weil ja irgendwie die Vergleiche zu den Fünzigerjahren naheliegen, damals waren es die jungen Frauen Hertha Kräftner, Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger, etc, heute lesen die Fräuleinwunder im Kolik Slam, bei den Lockstoffen, bei den Poetry Slams oder wenn man sie läßt, studieren sie Sprachkunst und lesen beim Bachmannpreis. Meine These ist ja, daß Gustav Ernst mit seinem „Kolik“ ein heutiger Förderer ist und weiters interessant, daß man eine literarische Lesung durchaus spannend gestalten und, daß man auch im Team schreiben kann, allerdings heißt das vielleicht auch, daß Literatur die Performance braucht um überhaupt erst Aufmerksamkeit zu finden und weil ich schon bei der jungen österreichischen Literatur, die diesmal wahrscheinlich zufällig, aus reiner Frauenpower bestand, bin, diese Wochen geht es weiter mit der jungen Literatur, gibts am Freitag ja wieder eine „Studentenlesung“ und am 2.2. einen Kolik Slam mit Anna Weidenholzer, Philipp Weiss und Nadja Spiegel, kann ich gleich eine Information weitergeben, die Christoph Kepplinger an mich schickte. Es gibt nämlich einen Literaturpreis für unter Dreißigjährige, den ich der Einfachheit verlinke, schade, daß ich mich daran nicht mehr beteiligen kann, aber ich nehme ohnedies schon lang nicht mehr an Literaturausschreibungen teil und noch ein paar Worte zu Semier Insaif, den GAV Kollegen, den ich schon lange kenne und der auch im Organistationsteam des Siemens Literaturpreises war, bei „Rund um die Burg“ hat er gelesen hat und beim Fest für Ernst Jandl vor einem Jahr, Buchveröffentlichungen hat er auch und er ist auch, glaube ich, soetwas wie Lebensberater oder Kunsttherapeut.
2012-01-24
Perspektive und Performanz
1 Kommentar »
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Ich war dort und finde die Beschreibung sehr gut. Manches von dem, was mich dort interessiert hat, habe ich besser in den Blick bekommen und verstanden. Die Beschreibung gehört fast dazu zu den Blickinkeln der Autorinnen.
SK
Kommentar von Dr. Sabine Klar — 2012-01-25 @ 18:31 |