Literaturgefluester

2012-05-28

Mit leichtem Gepäck

Filed under: Uncategorized — jancak @ 18:20

Wie geraten Bücher zu einem, bzw. nach welchen Kriterien entnehme ich sie den offenen Bücherkästen? Monika Buschs „Mit leichtem Gepäck“, wäre mir höchstwahrscheinlich entgangen, hätte ich nicht heute meinen Pfingstlesemarthon gemacht und mir dafür ein Buch zum sofort Lesen auswählen wollen. Eine Vicki Baum ist mir ins Auge gefallen und dann als ich schon weggehen wollte, der blaue Himmel, das Meer und die weiße strohgedeckte Windmühle auf dem Cover. Name und Titel sagten mir nicht viel. Was ist das für ein Buch, ein Reiseführer?
Ich schlage es auf und lese „Wäre am Pfingstsamstag mein Zug nicht mit dreizehn Minuten Verspätung in Karlsruhe angekommen, hätte ich Tamara vielleicht nie kennengelernt“ – Was zu dem anderen Satz „Hätte ich nicht während meines Pfingstmarathons, hätte ich dieses Buch höchstwahrschein nicht…“, hinüberschwenkt und ich habe umdisponiert.
Hätte ich nicht, wäre mir wahrscheinlich auch nicht viel entgangen, denn ich bin ja eigentlich schon zu alt für ein Jugendbuch und ein solches ist es ja. 1986 erschienen und es handelt von der füfnzehnjährigen Christiane, die an besagten Pfingstsamstag ihre Schwester Andrea, die Krankenpflegeschülerin in Freiburg ist, besuchen will und den Zug versäumt. Während sie wartet und sich ärgert springt ihr der Name „Bad Wiesenstein“ ins Auge und sie erinnert sich, daß dort ihre Großmutter lebt, die sie nicht kennt, weil sie bis vor kurzem im Ausland lebte, bzw. ihren spießigen Eltern zu leichtsinnig ist.
Mal eine Umkehrung des gewohnten, Christiane wird jedenfalls neugierig, telefoniert der Schwester, daß sie später kommt und steigt in den Zug. Sie findet die Adresse der Großmutter gleich, die flotte Frau, die ihr öffnet, hält sie zunächst für die Haushälterin oder Pflegerin. Es ist aber Grandma herself, die sich wahnsinnig über den Besuch der ihr unbekannten Enkelin freut.
Ist Omi doch jung Witwe geworden und hat sich dann einen Künstler zum Freund genommen, der ihrer spießigen Tochter nicht genehm war und Christiane hält diesen „Leo“ zuerst auch für das Hündchen der Oma, denn das diese einen Lover hatte, kann sie sich nicht vorstellen.
Die Oma serviert exotisches Obst, Kiwis und Avocados z.B., läßt auch etwas von einer Jugendliebe namens Antonio durchblicken und schwärmt vom leichten Leben, das König Minos in Griechenland führte, dann trennen sich die beiden vorerst, Christiane fährt zu Schwester weiter, die schlechter Stimmung ist, weil sie in ihrem Krankenhaus am Montag ein Fieberthermometer zerbrach, Dienstag beim Anblick eines Verbandwechsel schlappmachte und fast einem Patienten statt einem Schlafmittel ein Abfuhrmittel brachte und dann noch den Chefarzt mit „Herr Doktor“ ansprach. Christiane überredet sie sich trotzdem mit ihren Kollegen am Abend zu treffen und sich auch dafür ein neues Kleid zu kaufen und als sie wieder heimkommt, gibt es auch dort schlechte Stimmung, denn ihr Vater, ein Versicherungsvertreter hat eine Polizze verschlampt und soll den Schaden nun ersetzen. Kann er aber nicht, hat er doch erst einen Kredit für das neue Auto aufgenommen. Da fällt Christiane die Großmutter Tamara ein, die sie inzwischen dicke Oma nennt, weil sie nicht zunehmen will und die verkauft dann einen antiquarischen Schreibtisch und fährt im Sommer mit Christiane nach Kreta um mit ihr das „minoische Leben“ auszuprobieren. Das heißt, alles mit leichten Gepäck anzugehen, aber Christianes schwermütige Mutter packt ihr natürlich einen ganzen Koffer warmer Westen und Pullover ein, weil es ja auch in Griechenland regnen kann, die läßt die Oma aber in einem Schließfach zurück und so kommen die beiden Damen leicht in Heraklion an und Christiane ist erst einmal enttäuscht, weil diese Stadt ist nicht so schön. Die Oma mietet aber ein Auto und so fahren die beiden auf der Insel herum, immer auf der Suche nach Omas Jugendliebe, die sie vor vierzig Jahren dort kennenlernte. Christiane ist begeistert, schwimmt zwar mal ein Stück zu weit hinaus, bekommt auch einen Sonnenbrand, trinkt aber ihr erstes Schückchen Wein, sowie ihren ersten Ouzo und verliebt sich fast in einen jungen Schnösel namens Fabian, der der größte Schauspieler werden will und den heiligen Antonio finden sie nur in einer Kirche und lernen dabei die giriechische Gastfreundschaft kennen, denn der grauhaarige Herr, der jeder alten Dame „Frollein, ich dich kennen!“, zuruft und sich dann den Wein bezahlen läßt, ist es nicht. Christiane macht aber doch die Bekanntschaft eines französischen Jungen der es ernster zu nehmen scheint, gerät beim Schmuggeln von „alten Scherben“ fast den Zöllnern in die Händen, aber die nehmen es dann auch leicht. Die Schwester wird doch nicht Krankenschwester, weil sie dafür zu empfindlich ist und die Oma kehrt zu ihren Leo nach Mallorca zurück, aber irgendwann werden sie und Christiane sich sicher wiedersehen und das Interessante an dem leichten Buch über das Wunder Griechenlands ist, wenn man es mit dem vergleicht, was wir heute über die Griechen und ihren Schuldenstand denken. Da hat man wohl etwas vielleicht zu leicht genommen. Aber heute haben wir 2012, Christiane wird vielleicht bald auch schon Oma sein und mit ihren Enkeln auf Urlaub fahren und Günter Grass hat die Welt schon wieder mit einem Gedicht erregt, das diesmal „Europas Schande“ heißt und sich mit Griechenland beschäftigt.

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