Literaturgefluester

2012-09-01

Der rosarote Balkon

Filed under: Uncategorized — jancak @ 10:55

„Der rosarote Balkon“ das neue bei Wieser erschienene Buch, des 1955 in Kärnten geborenen Axel Karner, der in Wien als Religionslehrer und Autor lebt, GAV-Mitglied ist und mich immer auf seine Veranstaltungen aufmerksam macht, könnte man als Kurzgeschichten des Dorfes und dichte eindrucksvolle Erzählungen, des Kärntner Alltags bezeichnen.
Ich tue das, komme ich ja von der Psychologie, sowie dem realistischen Beobachten her und habe weder Germanistik noch vergleichende Literaturwissenschaft studiert.
Ingeborg Kofler, die den Klappentext verfasste, tut das sicher viel poetischer.
„Brechen, schneiden, zerren, reißen. Auseinanderzunehmen gilt es das entstellte Gefüge zwischen Häusern und Höfen, Kirche, Tenn und Gasthaus, abzutragen den dumpfen Ton der ins große Geläut gegossenenen Erstarrung.“
Trotzdem haben mich die vierunzwanzig Prosatexte, manchmal ist auch ein Gedicht dabei, sehr beeindruckt und mir eine sehr intensive Badewannenstunde bereitet.
Jetzt kann ich sie mir mir noch ein bißchen besser vorstellen, die Gewalt und die Grausamkeit, die in den Kärntner Dörfern in den Fünziger und Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts herrschte und die es vielleicht immer noch gibt. Denn Axel Karner weiß sie in scharfen Bildern sehr eindrucksvoll heraufzubeschwören und es beginnt, Axel Karner ist offenbar ein Pfarrerssohn, zumindest wird in dem Buch sehr viel von einem Pfarrer berichtet, der offenbar der Vater ist, mit einem Bibelzitat „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Johannes 1, 14.
„IM FEBER STEIGT DIE lUST DER EINHEIMISCHEN AM TÖTEN SIE WARTEN BIS WANDERER UNTER IHREN DÄCHERN INNENHALTEN…“, geht es dann in Großschrift weiter, um mit dem ersten Text scheinbar friedlicher zu werden, denn da besucht ein Pferd das Gasthaus und wartet auf den Zucker „Geah schon, geah in Stall, hast gnua gebettelt fia heit.“
Der rosarote Balkon, des Buches Namengeber, taucht in der zweiten Geschichte auf.
Dann wird der Kirchplatz beschrieben, der für ein Dorf sicherlich ein wichtiger Ort ist.
„Zuerst war das Wirtshaus. Die Kirche steht höher als das Wirtshaus, sie hält über alles ihren Blick.“
Dann kehrt der Vater in kurzen Hosen und festen Schuhen him und die kleine Schwester wird zum Glockenläuter geschickt.
„Aha, Dorfgeschichten!“, habe ich mir gedacht und das mit Bleifstift aufnotiert, damit ich das später gut besprechen kann.
Die Schwester wird dann noch mit dem Fahrad auf die Post geschickt, um die Asche des Kornels abzuholen, denn „das Pfarrhaus wurde benachrichtigt, das Paket innerhalb einer bestimmten Frist zu holen“
In die Grausamkeit des Dorfes spielt also auch die, der Geschichte hinein und beide hängen wohl auch sehr zusammen, denn „in der Kirchenmauer sind die Tafeln derjenigen eingelassen, die zitternd heimfanden. Das Hakenkreuz haben sie bis heute nicht eliminiert.“
So schiebt das „Schwesterlein bergwärts das Rad und traut sich nicht zu fahren, hat doch die Beamtin „Bitte pietätsvoll behandeln“, vorher zu ihr gesagt. Obwohl für „Kornel kein Platz in der Mauer ist.“
Und um zum Dorfalltag wiederzurückzukommen: „Fressen, saufen, Kindermachen – egal wo und wann!“, wird da der Sinn des Lebens sehr einfach erklärt, während der Vater „eine Handvoll Erde wirft.
So haben Arzt und Inspektor auch miteinander zu plaudern, wenn das „Kind ausgeweidet auf der Tenne hängt und sich die Organe in einer Emailschüßel befinden.“
„Daschreckn S nit!“, denn es wird gleich wieder viel banaler.
Heinz Conrad begrüßt die Einsamen, Kranken, Mädchen und Buben und die Mutter hat ihre Woche nach Sendungen eingeteilt.
Das Beinhaus wird beschrieben, das abgerissen und neu gebaut werden soll, denn „der Krieg hat nicht viele heimgebracht. Der Pfarrer spricht den Segen und der Vater möchte in dem gedüngten Boden Kartoffeln setzen.“
Ja, der Alltag und die Grausamkeit liegen dicht beieinander. So, daß der Totengräber zum Pfarrer kommt und sagt, mit dem Grab, das er aufgraben soll, kann etwas nicht stimmen, denn die Leiche, die drinnen liegt, ist höchstens fünfe und keine zwanzig Jahre alt, wie sie es eigentlich sein sollte. Der Rest ist Schweigen bis die Kinder kommen und beim Graben zusehen wollen „Geahts weg!“, ruft der Totengräber-
„Wann ana einefallt, was nocha?“
Das ist wohl die Frage, die man sich stellen kann, wenn man den Sinn des Lebens sucht.
„Fressen, saufen, Kindermachen oder das Wort von Johannes 1, 14“.
Man kann es sich wohl aussuchen, je nach Geschmack und Weltanschauung und bleibt, wenn man das Buch weggelegt hat, noch eine Weile tief beeindruckt.
Denn da hat sich ein leiser und dennoch sehr eindrucksvoller Ton in die vielen Herbstneuerscheinungen eingeschlichen. Auf der Longlist des deutschen Buchpreises ist das Buch nicht zu finden, wohl aber auf der ORF Bestenliste für September. Da hat es Edith Ulla Gasser vorgeschlagen und ich kann mich ihren Urteil nur anschließen.
Schreiben ja so viele, man kann nicht alles lesen und das Leise, bleibt auch, wenn es so eindringlich, wie Axel Karners Kurzprosa ist, oft verborgen. So bin ich dem Autor sehr dankbar für seine Informationen und bedanke mich auch sehr für die schnelle Zuschickung des Buches, als ich ihn fragte, ob er es mit mir tauschen oder mir für eine Besprechung im Literaturgeflüster schicken will?
Axel Karner ist, wie erwähnt ein GAV Kollege. Ich glaube, das erste Mal habe ich seinen Namen gehört, als ich 1992 in der Jury für das Nachwuchsstipendium war, dann ist er nach Wien gezogen und hat auch bei der von mir organisierten „Tag der Freiheit des Wortes“-Veranstaltungen gelesen. Bei der Poet Night tut er das manchmal und da haben mich seine Kriminalgeschichten, ja zum „Novembernebel“ inspiriert, dem das Buch auch gewidmet ist.
Die Lissabonner Gedichte „Die Stacheln des Rosenkranzes“ habe ich mit ihm getauscht und „Chanson Grillee“ wurde, glaube ich, bei einer Podium Veranstaltung im Wieser Verlag vorgestellt.
Axel Karner hat aber noch mehr Publlikationen aufzuweisen und ist auch Mitglied bei den Dialektautoren, wie beim Österreichischen Schriftstellerverband.

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