Literaturgefluester

2012-09-10

Emma oder Die Mühen der Architektur

Filed under: Uncategorized — jancak @ 10:12

Nachdem ich vor einem Jahr Ruth Aspöcks Tagebuchprojekt „Nichts als eine langweilige Blindschleiche“, gelesen habe, kehre ich zu den Wurzeln zurück. Der offene Bücherschrank machts möglich, denn da fand ihre 1987 bei Guthmann Peterson erschienene „Emma“ und sie hat es, wie sie mir auf meine Frage antwortete, nicht selber hineingestellt. Es ist auch nicht das erste Buch, der 1947 Geborenenen, das erste ist „Und der ganze Zauber nennt sich Wissenschaft“, beim Wiener Frauenverlag erschienen, der damals ja so hieß.
„Emma oder die Mühen der Architektur“, von dem ich schon einiges hörte, ist ein interessantes Buch. Zum Teil, wie im Nachwort der Autorin steht, in Havanna und mit Hilfe eines Stipendiums unter Palmen in einem kleinen Zimmer geschrieben, die Autorin, hat, steht in der Klappe, zu der Zeit als freie Wissenschaftlerin in Wien und Havann gelebt und „Emma oder die Mühen der Architektur-Die Geschichte einer Frau aus Wien oder Wer hat Angst vor Schwarzen Mann“, wie es in der längeren Form heißt, ist ein utopischer Roman, geht er ja bis in das Jahr 2000 und hier irrt sich die Autorin zweimal, denn im Jahr 2000 hat es ja kein Jugoslawien mehr gegeben und das AKH war nicht mehr dort, wo es die Autorin noch beschrieb und er ist versöhnlich, wie ein Märchen, viel schöner wie die Wirklichkeit, die die Autorin, wenn man in ihrer „Blindschleiche“ nachliest oder sie ein bißchen kennt und ich tue das ja sehr, selber nicht erreichte. Obwohl vieles auf dem ersten Blick autobiografisch scheint, der „Roman beschreibt aber“, wie sie im September 1987 schreibt „keineswegs mein Leben, wohl aber viel von dem, was ich beobachtet, gehört, gelesen und erfahren habe.“
Es beginnt im ersten Kapitel „Kinderspiele“ mit dem fünften Jahr der Besatzung und allgemeinen Überlegungen über Krieg und Frieden, die sich durch das ganze Buch ziehen. Emma wächst in dieser Zeit in Wien auf, hat eine ältere Schwester, mit der sie sich gut versteht, streitende Eltern, von denen sich die Kinder weit wegwünschen und daher im Kinderzimmer Zirkusspiele üben, um damit zu überleben. Zu den Kinderspielen gehört auch das „Wer fürchtet sich vom schwarzen Mann“, das genau beschrieben wird und auch dieses Thema durchzieht das ganze Buch.
Die kleine Emma wächst in diesem Nachkriegsösterreich auf, besucht das Gymnasium, beginnt Architektur zu studieren und bekommt von einem Pfarrer einmal einen „Gast aus Afrika“ zur Betreuung anvertraut, mit dem wird sie sich dem Vater zum Trotz, der ihre Vorliebe für den „Negajazz“ nicht teilt und lieber Volksmusik hört, liieren, hat er ihr doch auf ihre Frage, was er machen würde, wenn sie einen solchen „Nega“ steht in dem Buch heiratet würde, lapidar mit dem Umbringen gedroht.
Er tut es nicht, die Beziehung zu dem Gast, der in dem Buch auch so genannt wird, geht auseinander, vorher gibt es eine Abteibung, das wünscht der Gast so, bezahlt sie dann aber, wie angekündigt, nicht. Das vierte Kapitel heißt „Ehefreuden“ und da geht die blonde sommersprossige Emma plötzlich mit einem ebensolchen Kind und Ehemann spazieren. Wie es zu der Beziehung der Beiden kam, erfährt man eigentlich nicht oder nur nebenbei. Es kommt auch zur Scheidung, bei der Emma dann so weint, daß der Richter sie fragt, ob sie es nicht vielleicht doch noch einmal versuchen möchte? Sie möchte nicht, hat sie der Ehemann, Sohn einer jüdischen Mutter, der auch gern ostjüdische Witze erzählt, so sehr geschlagen, daß sie sich von einem Ohrenarzt behandeln lassen muß, der mit ihr ins Bett will.
Man oder Frau schreibt die Siebzigerjahre und Emma wendet sich dem Feminismus zu, geht in das damalige Frauenzentrum in die „Tandlergasse“, macht als Architektin Karriere und schlägt einige Berufungen aus, weil sie sich nicht korrumpieren lassen will.
Der Alltagrassismus ist ein ständiges Thema, so schickt sie ihren Sohn Franz in eine internationale Schule, damit er die Weltoffenheit lernt, als sie aber mit ihrer Schwester, deren Kind und den beiden Kindern, der Lehrerin Regine, die mit einem Chinesen verheiratet ist, zuerst nach Kärnten und dann nach Italien fährt, geniert sich ihre Mutter für die beiden Asiaten und wird nicht müde zu betonen, daß es nicht ihre Enkelkinder sind.
Emma findet ein spätes Glück mit einem Mann, der aus einem Land kommt „in dem die Farben schillern“.
Wie es heißt, wird nicht genannt, ich nehme aber an, daß Kuba damit gemeint wird, der will dort ein Friedenszentrum aufbauen und lädt Emma ein, mitzukommen. Viel zahlen können sie ihr nicht, nur Kost und Quartier, sie kann dort aber architektonisch tätig sein.
Im Jahr 2000 ist Emma mit ihm verheiratet, hat die Architektur, wenn ich es recht verstanden habe, aufgegeben, will aber ein Kinderbuch schreiben und die deutsche Sprache so reformieren, daß nur mehr die Friedenswörter in ihr enthalten sind.
Sie trifft ihre Jugendliebe, den „Gast aus Afrika“ wieder, ihr Sohn ist Arzt geworden und die Alltagsrassismen hören nicht auf, denn der Bankdirektor, den Emma auf einem Empfang trifft, spricht den letzten Satz des Buches „Asiaten und Nega, das sind ja wohl das Letzte.“
Inzwischen schreiben wir 2012 und haben Ruth Aspöcks fünfundsechzigsten Geburtstag im Februar gefeiert. Sie ist aus Havanna zurückgekommen, einen eigenen Verlag gegründet und ihn wieder aufgegeben. Inzwischen verlegt sie ja bei Löcker, reist, schreibt, liebt und ist, wie ich glaube, sehr aktiv.
An dem Buch, das mich, obwohl ich es ja erst jetzt gelesen habe, schon seit seiner Erscheinung beeindruckt hat, könnte ich wieder kritisieren, daß es sehr theoretisch und zu wenig erzählend ist.
„Show an not tell!“, aber das war 1987 noch genausowenig das „must do“, wie 1938, denn da hat Sigrid Undset ihren Roman „Das getreue Eheweib“ geschrieben, den ich gerade in Harland lese und bei dem ich das auch bemängle, obwohl sie 1928 den Nobelpreis bekommen hat.
Was mir noch auffällt, ist, daß es um Architektur in dem Buch, nicht oder nur sehr wenig geht, das ist die Kulisse zu Emma, könnte man sagen, Ruth Aspöck hat ja Theaterwissenschaft studiert und der rote Faden mit den Alltagsrassismen am Beispiel des schwarzen Mannes. Und da hat sich, fürchte ich, nicht sehr viel geändert, außer, daß wir nicht mehr Neger sagen.
Die politische Situation hat sich geändert, man kann heute nicht mehr so leicht, wie unter Kreisky studieren, die Migration hat auch heute sicher einen anderen Stellenwert, als sie es 1970 hatte und mit dem Feminismus ist es leider auch nicht so bergauf gegangen, wie Ruth Aspöck und auch ich wir es uns wünschten.
Trotzdem gibt es einige Bücher von Frauen, die Afrikaner geheiratet haben und ihre Sicht der Dinge sehr energisch schildern und das ist sehr interessant.
Ruth Aspöcks persönlicher Traum hat ja, glaube ich, nicht so geklappt, wie man in ihren anderen Büchern nachlesen kann. In „tremendo swing“ hat sie ihre Zeit in Kuba beschrieben, in „Ausnahmezustand für Anna“ ihre Zeit, in der sie in Spanien während der Franco Diktatur, studierte.
Ich habe ja die meisten Bücher Ruth Aspöcks und sehr viele von ihren auch gelesen. „Kannitverstan“ habe ich hier besprochen.
„Konjunkurs-Erfahrungen zu Alfred Stern“,1998 erschienen, habe ich mit ihr während einer xxx-small Kleinmesse im Amerlinghaus tauschen wollen und bin da auf Widerstand gestoßen, obwohl sie jetzt ihre Bücher zur freien Entnahme in den Bücherkasten legt. Sie hat es mir dann doch gegeben und es hat mich auch zu den „Wiener Verhältnissen“ angeregt, wahrscheinlich, weil mir das „mangelnde Erzählen“ auch damals aufgefallen ist. Ich habe es dann selber probiert. Es ist mir offenbar auch nicht recht gelungen, hat ja Diana Voigt, deren Agentur ich es damals anbot, gemeint, es wäre keine richtiger Roman und sie wisse nicht, wo man den verlegen könne?
Interessant ist es wahrscheinlich trotzdem, sowohl Ruth Aspöck, als auch mich zu lesen, in diesem Sinne freue ich mich auf die „Reisen Grillparzers“, Ruth Aspöcks nächstes Buch, das bald erscheinen wird oder vielleicht schon ist, das vielleicht auch zu mir kommen wird.

3 Kommentare »

  1. Es ist schön, wenn ein Buch, das Anfang der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde, jetzt eine so interessante und sorgfältige Rezension erfährt. Schön, wenn die Rezensentin das Buch auch genau liest – heutzutage keineswegs selbstverständlich. Was den Fehler mit Jugoslawien betrifft: die letzten beiden Kapitel waren ja damals Utopie und Wunschtraum. Niemand wusste – ausser vielleicht die NATO-Strategen – dass Jugoslawien das 21. Jahrhundert nicht erreicht. Ich konnte mir das damals nicht vorstellen und habe nicht einmal an solch eine Möglichkeit gedacht.
    Fein, dass der Bücherschrank solche Schätze birgt. Ich, die Autorin, stelle nur Bücher ein, von denen ich noch mehrere Exemplare habe und das ist bei diesem Buch nicht so.

    Kommentar von Ruth — 2012-10-21 @ 21:20 | Antworten

  2. P.S.: Der Universitätscampus in der Alserstrasse in Wien war damals noch das alte josefinische Allgemeine Krankenhaus – die Zeiten und die Dinge ändern sich recht schnell. So wird ein aktueller Roman zu einem historischen Dokument.

    Kommentar von Ruth — 2012-10-21 @ 21:25 | Antworten

  3. Gerade das habe ich spannend gefunden, natürlich konntest du damals nicht wissen, daß es Jugoslawien nicht mehr geben wird und auch das AKH inzwischen woanders ist.
    Das ist ja die Gefahr beim Schreiben von utopischen Büchern und dann auch wieder lustig, zu erfahren, wie es sich die Autorin gedacht hat und es kommt anders, als man frau es denkt…
    Interessant ist auch, daß ich das weiß, weil ich ja in Wien lebe und die historischen Veränderungen noch so nah und erinnerbar sind, wie ist das aber bei den Büchern, wo sich nicht herausfinden läßt, wo sich der Autor, die Autorin irrte? Und das werden ja die meisten sein.

    Kommentar von jancak — 2012-10-21 @ 23:59 | Antworten


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