Literaturgefluester

2013-08-19

Stadtschreibertext: Frequency

Filed under: Uncategorized — jancak @ 03:56

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In die Stadt fahren. Von Harland nach St. Pölten am Samstag auf den Domplatz, um dort um zwölf den Alfred treffen und mit ihm ein Würstel essen. Eine Käsekrainer mit einem Achterl Wein und dann noch in der Tschibo-Kaffeebar eine Caffe Latte.
Beinahe jeden Samstag machten wir das diesen Sommer. Ich mit dem Rad in die Stadt hinein, der Alfred mit dem Auto, dem Korb und der Kühltasche, um Milch, Joghurt, Marillen, Fleisch, Fisch und vieles mehr zu besorgen.
„Nur einmal im Jahr ist alles anders!“, schrieb mir vorhin Robert Englhofer in seinen „Frequenzy-Bericht“.
„Da rückt meine Wohnung im wahrsten Sinne des Wortes ins Zentrum des St. Pöltner Kulturgeschehens!“ oder, wie ich vor einigen Jahren schrieb, „In die Hochsicherheitszone“, als ich Doris Klomstein im Cafe Schubert treffen und dann noch beim „Lidl“ einkaufen wollte.
Alle Jahre wieder vier Tage Lärm und Absperrgitter, die schon Wochen vorher an der Traisen aufgestellt werden, um die Bevölkerung vom Geschehen auszusperren und die Jugendlichen, die da in Scharen in das impromiviserte Zeltlager an der Traisen zu kommen, dort mit ihren Bierdosen, Badeschlapfen und natürlich den Musikgenuß abzuschirmen?

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So genau, weiß ich noch immer nicht, welche Bezeichnung die richtigere ist, der Bürgermeister, bei dem ich mich 2010 beschwerte, daß sich ein junger Mann mit einer Taucherbrille über meine Corn-Flakes mit den Wortens „Das ist nicht eine von uns, da wollen wir untersuchen, was Sie da im Körbchen haben, junge Dame!“, beugte, hat mir mit der Erklärung was für ein heraussragender wirtschaftlicher Erfolg die Frequency, dieses jährlich stattfindende viertägige Musikfestival in St. Pölten an der Traisen und im diesbezüglichen Veranstaltungszentrum, ist, geantwortet.
Als ich meinen „Hochsicherungstext“, beziehungsweise die Antwort des Bürgermeisters vor einigen Jahren beim Osterspaziergang der Lit Ges vorgelesen habe, habe ich den Rat bekommen, daß ich an diesen vier Tagen ja nicht an der Traisen Radfahren muß.
Natürlich nicht, ich kann die Bundesstraße wählen, wenn ich nach St. Pölten will oder an der Traisen in Richtung Ochsenburg und Wilhelmsburg fahren, was ich auch Donnerstag und Freitag brav machte, wird inzwischen auch alles umgeleitet und auf Zetteln angeschrieben, daß der Radweg zwischen 15. und 18. August wegen einer Veranstaltung gesperrt sein wird.

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Am Samstag war aber alles anders, denn da wollte ich ja, wie beschrieben auf den Domplatz und am Markt, ein Würstl essen, ein Glas Wein trinken und dann noch einen Kaffee und ein Stück Kuchen in der Tschibo-Bar.
Und weil man aus der Erfahrung lernt und seit 2010 auch ein paar Jahre verstrichen sind, habe ich schon Schleichwege herausgefunden, wie man hinten herum in die Stadt und auf den Marktplatz kommen kann.
Es ist eigentlich ganz einfach. Ich fahre zuerst ein Stückchen in Richtung Ochsenburg bis zur Brücke und dann durch die Felder zum Spratzener Sportplatz und weiter durch die Felder, wo die Maiskolben wachsen bis zum Veranstaltungszentrum.
Da begegneten mir dann schon die grünbewesteten Sicherheitsguards und die Jugendlichen, die Burschen meist, wie Robert Eglhofer schrieb im „Oberstufenalter“, die Mädchen mit kurzen Hosen und Spaghettitops. Sie rennen in Scharen in Richtung Veranstaltungszentrum oder Traisen, sitzen bei der Busstation und ich konnte ungehindert aber etwas langsamer an ihnen vorbei in Richtung „Kika“ fahren.

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Beobachte dabei, daß sich sogar die Polizei vor dieser Veranstaltungsinvasion verbarrikierte und erst die Gitter wegschob, um aus ihrer Station herauszufahren.
In der Traisen sitzen dann die Jugendlichen in Massen im Wasser oder vor ihren Zelten. Aber beim Steg, wo ich am Weg in die Stadt, die Traisen erreiche,ließ das fröhliche Treiben ohnehin bald nach.
Also bin ich fast pünktlich in die Stadt gekommen und zurück, weil ich ja alles sehen will, an der Traisen weitergefahren, wo ich nur von einem der Sicherheitsmänner aufgefordert wurde, abzusteigen und das Rad zu schieben.
„WEr sein Rad liebt, der schiebt!“, dichtete die Grünweste suiffisant.
Also schon ein Fortschritt und das Angepöbeltwerden von Seiten der Jugendlichen war diesmal auch nicht ganz so stark. Nur einer schrie „Hopp, hopp!“, als ich schon wieder aufgestiegen war.
Das war aber erst bei der Spratzener-Brücke möglich, denn vorher saßen die jungen Frauen und Männer mitten am Weg, so daß es schwierig war, das Rad vorbeizubalancieren und nicht ins Wasser oder in die Wiese abzustürzen, beziehungsweise schleppten sie Bierpaletten an mir vorbei.

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Bei der Traisenbrücke war sogar eine richtige Fresszeltstadt mit nonstop geöffneten Wurstsemmelzelt errichtet und in den Nächten war es sogar in Harland, sieben Kilometer vom Geschehen entfernt sehr laut. Bis weit nach Mitternacht wummerten die psychodelischen Klänge in der Luft, so daß mir die Ruth schon den vorsorglichen Rat gegeben hat, daß ich ja in Frequency-Zeiten meine Sommerfrische unterbrechen und mich nach Wien begeben könnte.
Aber warum sollte ich? Will ich mich ja nicht auf die Flucht begeben und eigentlich stören mich die Musikfetzen, die da ins Schlafzimmer dringen, auch viel weniger, als die verdreckte Traisen, die Jugendlichen lassen ja nachher alles liegen, so daß die Putztrupps einige Tage lang Zelte, Schlapfen, Essenreste, Bierdosen, Sonnenschirme, etc zu entfernen haben und die Absperrgitter.
Die Absperrung der Bevölkerung vom Geschehen oder die der Jugendlichen vom Rest der Welt? Da weiß ich immer noch nicht so genau, wie ich mir die Antwort deuten soll. Der Alfred hat sich jedenfalls gewundert, daß sich da von den Zehntausenden, die da vier Tage lang in St. Pölten an der Traisen campten, um sich das Musikgeschehen zu geben, niemand am Domplatz zu sehen war.
Die hat er dann erst am Sonntag zu Gesicht bekommen, als er mit dem Fotapparat auf die Traisenbrücke kam, um die Abräumarbeiten und den Dreck, der überblieb zu fotografieren.

2 Kommentare »

  1. Danke, dass du mich zum Frequency zitierst. Dieses Monster-Spektakel kann keinen Bewohner unserer erholsamen Stadt unbeteiligt lassen!
    Robert Eglhofer

    Kommentar von Robert — 2013-08-19 @ 18:14 | Antworten

  2. Natürlich, denn man wird ja zwangsläufig einbezogen, wenn da plötzlich bis vierzigtausend Menschen in einer sehr kleinen Stadt campieren.
    Mich irritiert, daß ich da vier Tage nicht Radfahren kann, die Bewohner des Altersheimes an der Traisen und wahrscheinlich auch die Spitalspatienten werden sich sicher noch viel hautnaher und gewaltiger durch den Lärm gestört fühlen und die Literatin beginnt bei den Käfigen zu sinnieren und sich zu fragen, wer da ein oder ausgesperrt wird?
    Die Leute drinnen gebärden sich ja, wie die Freiherren, sitzen ungeniert mitten am Weg oder fahren dich an, wenn sie dich als fremd erkennen.
    Andererseits sind ihre Zelte auch umzäunt, sie sind von Securities umgeben und wenn man eine Woche vor dem Spektakel an der Traisen fährt, sieht man, wie die Kinderspielplätze und anderes eingezäunt wird und am ärgsten finde ich den Dreck, der da überbleibt und denke, das ist eine Umweltverschmutzung, die sich in einigen Jahren sicher rächen wird. Dann wird der aktuelle Bürgermeister an den Sünden seiner Vorgänger zu kiefeln haben und wahrscheinlich kein gutes Haar an ihnen lassen, wenn er durchs Bürgermeisterzimmer führt.
    Viel Erfolg für deinen Artikel, denn das ist ja das Einzige, das man kann, seine Stimme erheben und mir kommt es heuer vielleicht ein bißchen zu Gute, da ich mich ja sozusagen zur „Stadtschreiberin“ machte und durch deinen Artikel angeregt wurde, nochmals darüber zu schreiben, obwohl ich das erst gar nicht wollte. Vielen Dank dafür!

    Kommentar von Eva Jancak — 2013-08-19 @ 18:24 | Antworten


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