„Herr Mozart wacht auf“, ein Buch aus der „Thalia-Abverkaufskiste“ von 2012 und gehört habe ich auf der Buch Wien 2009 oder 2010 davon, da hatte ich schon ein Buch von einem wiederaufgelebten Mozart gelesen und eines, wo es mit Hitler in die Zukunft geht gibt es, davon hörte ich das erste bei „Rund um die Burg“ neu und Dennis Scheck schmeißt es, weil es auf der Bestsellerliste steht, jedesmal in seiner Sendung das Laufband hinunter, ob er es mit dem von Eva Baronsky geschriebenen Buch auch so machen würde, weiß ich nicht, aber vielleicht hat das gar nicht auf der Bestsellerliste gestanden, obwohl es sehr spannend ist und ich es fast in einem Ruck durchgelesen habe.
Es beginnt am Totenbett, am 5. Dezembre 1791 und das nicht vollendete Requiem spielt auch eine Rolle, dann erwacht Herr Mozart wieder, 2006 glaube ich in einer WG, wird für einen Sandler gehalten, pinkelt auch eine Teetasse voll, die er für einen Nachttopf hält, schreibt am Requiem weiter und läßt die Blätter in Anjus Zimmer, in das man ihn gebracht hat, liegen. Ein anderer WG-Bewohner chauffiert ihn in seinem Toyota auf den Stephansplatz, wie er das macht, ist nicht so ganz klar bzw. möglich, aber Mozart staunt über die Höllenmaschine ohne Pferde, entdeckt zuerst das Haas-Haus, dann den Dom und schließlich die Steine mit den Daten der Musiker, da gibt es einen von einem Johann Strauß, der 1804, also für Mozart noch ein bißchen in der Zukunft, geboren wurde, dann die eigenen Lebensdaten und glaubt da die, die in den Stephansdom strömen, źum jüngste Gericht gehen. So geht er beichten, der Pfarrer fühlt sich genarrt, empfiehlt ihn den Steinhof und auf der Kärntnerstraße lernt er den polnischen Geiger Piotr kennen.
So geht es los, Mozart lernt die Mechanik des einundzwanzigsten Jahrhunderts kennen, nennt sich fortan Mustermann, weil man ihm etwas anderes nicht glauben würde, geht mit Piotr, der verschiedene Engagments in Gasthäusern hat, spielen, um sich sein Essen und ein paar Euro zu verdienen, kauft sich einen Anzug und später eine Jeans und weil er ein Genie ist, fühlt er sich von einem Jazzclub angezogen, wo er fortan für ein paar Bier und Knödeln improvisiert.
Die Frauen ziehen ihn auch stark an, so entkommt er Piotr, der ihm zur Ordnung erziehen will und verbringt eine Nacht mit einer schönen Saxophonistin, die dann aber entschwindet.
In ein Klaviergeschäft geht er auch und spielt dort am Bösendorfer, Herr Liebermann Senior läßt ihn das auch tun und empfieht ihm sogar ein paar Schülerinnen, nur leider kommt er nicht mit dem Handy zurecht. Er bringt ihn auch in ein Wohltätigkeitskonzert, wo sein Genie erkannt wird, als er aber einem Mäzen gegenübergestellt wird, gießt er ihm Sekt auf die Hose, der verschwindet erbost und Mozart improvisiert vorerst weiter.
Die liegengebliebenen Noten wurden inzwischen einen Musikprofessor übergeben und Anju, eine in Salzburg geborene Inderin, begegnet Mozart auch wieder, zuerst hat sie ihn hinausgeworfen, weil er ja in ihre Tasse gepinkelt hat, er bringt ihr eine schöne teure aus altmodischen Porzellan wieder. Es kommt zu einer Liebesnacht, nur als er ihr gesteht, wer er wirklich ist, bekommt sie es mit der Angst zu tun und schickt ihn fort.
Schließlich landet er, weil er ja keine Papiere hat, wirklich noch am Steinhof und wird behandelt. Anju besucht ihn dort, weil sie von ihm schwanger ist, eine Ärztin erklärt ihr ihre Theorien über den Meister und Professor Michaelis kommt ihn auch besuchen, damit er das Requiem fertigstellen kann.
Das ist dann schon ein Jahr, später am 5. Dezembre 2007 und Mozart hält den Besucher für den Erzengel Michael und beginnt das Requiem weiterzuschreiben, beziehungsweise in der Musik, wie kann es anders sein, zu entschwinden.
Ein „Postludium“, die einzelnen Kapitel tragen solche musikalischen Überschriften, die 1968 geborene Eva Baronsky, die für ihren ersten Roman den „Friedrich Hölderlin-Förderpreis“ bekommen hat, scheint sich in die Welt Mozarts sehr eingearbeitet zu haben, gibt es auch, da sind wir zweihundertsechzehn Jahre zurückgeglitten und hören Constanzes schluchende Stimme „Er kann nicht vom Requiem lassen!“ und Mozart schüttelt den Kopf.
Ein witziges, spannendes Buch, in dem man in die Welt Mozarts eintauchen und mit ihm wieder aufmachen und nachdenken kann, wie es dem größten Genie gehen würde, wenn es zweihundert Jahre später wieder aufwacht, sich vor der U-Bahn fürchtet, Telefonnummern für einen Code hält, etc.
Sehr sorgfältig gearbeitet, denn dieser Mozart macht sich auch Gedanken, ob es noch andere Wiedergeborene gibt, denkt über den Sinn seiner Mission, die er offenbar noch zu erfüllen hat, nach, verliebt sich aber ständig, war der echte Mozart so, daß er hinter jedem Frauenzimmer herschlurfte und es gleich abbusselte?
Eva Baronky hat sich auch in seine Sprache eingearbeitet und so spricht der Mozart für uns zweihundert Jahre später Geborene sehr unverständlich und vor allem sind die Briefe, die er Anju aus der Psychiatrie schreibt sehr schwer zu lesen, so daß ich das bald aufgegeben habe.
Es ist also doch gut eine einheitliche Orthografie zu verwenden, natürlich ja, trotzdem ein sehr schöner Roman, der auch zeigt, wie es den polnischen Straßenkünstlern in Wien geht und, daß Mozart, der ja, glaube ich, 1770 oder 80 zwar viel verdiente, aber auch viel ausgab und oft ausgenützt wurde, zweihundert Jahre später, mit vielen Versprechen aber mit wenig Gage spielte.
Das „Buch ist wie eine Umarmung“, hat Robert Schneider auf der Rückseite sehr poetisch formuliert. Ich würde es anders nennen, gefallen hat es mir aber auch.
2014-05-04
Herr Mozart wacht auf
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