Die Rolle der Schauspieler beziehungsweise überhaupt aller Künstler in der NS-Zeit ist sicher sehr interessant. Elfriede Jelinek hat vor Jahren in dem Stück „Burgtheater“ die Rolle der Familie Hörbiger-Wessely beleuchtet und dadurch große Aufregung und Diskussionen ausgelöst. Charles Lewinksy tat es viel später in „Kastelau“ mit einem eher harmlosen Filmteam, das 1944 aus Berlin in die Berge entrückte und dort zuerst einen Kriegsdurchhaltefilm ohne Material drehte und dann noch rasch einen Widerstandsfilm daraus machte, als schon die Amerikaner in das Dörfchen kamen.
Das hat mich angeregt, mir zuerst die „Jud Süß-Verfilmung“ mit Tobias Moretti anzusehen, der darin die Rolle des Schauspiers Ferdinand Marian hatte, der damals den Joseph Süß Oppenheimer spielte, dann bin ich zu Heinrich George gekommen, der in diesen Film den Herzog spielte und 1946 in einem russischen Internierungslager gestorben ist und dann kam eine Einladung in die Wien-Bibliothek zu einer Buchpräsentation über Hedwig Pistorius, 1906-2004 in der Nazizeit Heroine am Burgtheater Lebensbild, aufgezeichnet von ihrer Tochter Agnes, die offenbar bis zu ihrer Pensionierung Kuratorin im Theatermuseum war, weil deren Nachlaß der Wien-Bibliothek übergeben wurde.
Das war interessant, aber am 18. September wäre ÖAAG-Refelexionstreffen gewesen und und dann auch noch das „Come-Together“ im Bezirksamt Margareten, so habe ich zuerst nachgegooglet, denn der Name Hedwig Pistorius war mir höchstens vom Hörensagen bekannt und jetzt das Buch gelesen, das einen sehr ausführlichen Archiv-und Bildteil hat, so daß man die Schauspielerin in vielen ihrer Rollen sehen und im Anhang auch alle ihre Rollen finden kann.
Ein interessanter Lebensweg einer Frau die 1906 in Mitterbach am Erlaufsee geboren wurde, dann eine Ausbildung als Lehrerin und Kindergärtnerin machte und schließlich das Reinhardts-Seminar, das damals erst aufgebaut wurde, besuchte.
Dann kamen die ersten kleinen Rollen, den Erzengel bei den Salzburger Festspielen im „Jedermann“ oder Mitglied bei der „Tischgesellschaft“ und das Suchen nach einer Stelle, das wird auch damals nicht so leicht gewesen sein, weil auch damals wahrscheinlich viele Schauspieler werden wollten, dann ging es nach Deutschland in kleinere Theater, da waren ab 1933 die Nazis, die in Österreich ja verboten waren, so gab es eine Organisation, die den in Österreich verfolgten Parteimitgliedern half und da mußte man natürlich in die Partei eintreten, um in Deutschland arbeiten zu können. Im Reichsarbeitsdiesnt hat Hedwig Pistorius auch gearbeitet, bzw. dort, weil sie eine pädagogische Ausbildung hatte, mit den “ deutschen Maiden“ Märchenspiele eingeübt.
Agnes Pistorius schreibt, daß man das nicht mit dem „Bund deutscher Mädchen“ verwechseln darf. Hedwig Pistorius kam dann nach Wien zurück und 1940 durch Vermittlung von Hans Thimg an das Burgtheater, wo sie in der Rolle der „Antigone“ großes Aufsehen erregte, sie war auch eine große Frau, einen Meter achtzig, die „Libussa“ spielte und an der Seite von Paul Hörbiger im „Bauer als Millionär“.
Es gab auch ein Nazistück, in dem sie eine Rolle übernehmen mußte, Ferdinand Marian soll sich auch erst geweigert haben, die Rolle des Jud Süß zu ubernehmen, wurde aber von Minister Geobbels dazu gedrängt und auch Intrigen, beziehungsweise falsche oder richtige Aussagen bei Verleumdungen.
1945 wurde ihre Tochter Agnes, eigentlich Hedwig Agnes geboren, die sie alleine aufzog, da gab es auch Gerüchte, daß Baldur von Schirach der Vater wäre.
Nach dem Krieg konnte sie ihren Erfolg und ihre großen Rollen nicht mehr fortsetzen, hat in kleineren gespielt, unterrichtet, als Regieassistentin gearbeit, in Grinzing mit ihrer Tochter gewohnt, war mit Richard Eybner, der sie wegen ihre Größe „Großfürstin“ nannte, sie hat auch während ihrer Ausbildung einige Zeit im Schloß Schönbrunn gewohnt, weil sich das Reinhardts-Seminar ja dort befindet.
Gestorben ist sie 2004 und hat seit 1992 im „Haus der Barmherzigkeit“, einem Pflegeheim gelebt.
Agnes Pistorius promovierte 1978 als Theaterwissenschaftlerin und hat jetzt das Lebensbild ihrer Mutter bei „praesens“, als Band 15 der Frauenbiografieforschung herausgebracht.
Wenn man sich ein Bild über das Theaterleben in der NS-,aber auch der Nachkriegszeit machen will, ist es sehr zu empfehlen, denn die Namen Hedwig Bleibtreu, Alma Seidler, Richard Eybner, Hans Helene Hermann Thimig geistern ja herum und man ist mit ihnen aufgewachsen, wenn man in den Nachkriegsjahren in Wien oder sicher auch anderswo geboren wurde, Filme mit diesen Schauspielern sindoder waren im Fernsehen zu sehen, da ist es sicher gut, das wissenschaftlich aufbereitet, gut recherchiert und aus der persönlichen Sicht geschrieben, nachlesen zu können.
2014-10-04
Heroine unterm Hakenkreuz
4 Kommentare »
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danke für den buchtip. nach der kastelau lektüre und wie du schreibst den namensherumgeistereien sollte ich mich des inhalts annehmen, noch dazu wo der eybner der grossonkel eines jugendfreundes von mir war, dessen schwester in einem düsteren stadtschloss meiner heimatstadt wohnte, ich sie also noch kannte, den eybner nie gesehen, aber immer wieder von in gehört habe.
Kommentar von otto lambauer — 2014-10-04 @ 11:09 |
Aber der Richard Eybner war doch die große Stimme der Sechzigerjahre. Ich erinnere mich, wir hatten eine Platte, eigentlich zwei zu Hause, eine mit Richard Eybner mit „Wien-Wörtlich“, Josef Weinheber, über den man vielleicht auch schreiben, bzw. recherchieren sollte und eines seiner Bücher steht auch auf meiner Leseliste und dann, glaube ich, eine mit Helmut Qualtinger.
Ich war etwa zehn, den „faderen“ Weibheber konnte ich zum Faschingsfest zu einer Freunin mitnehmen, den Qualtinger nicht und als die Knödelakademie in der Straßergasse, wo ich 1973 maturierte, ihr neues Haus in Grinzing eröffnete, gab es ein mehrtätiges Fest mit mehreren Ausstellungen und da erinnere ich mich, daß Burgschauspieler Eybner, mit der markanten Stimme, der ja auch in Grinzing wohnte, unter den Festgästen war.
Ansonsten denke ich, daß das Thema Künstler in der NS-Zeit sehr sehr heikel ist und jetzt wahrscheinlich schon so viel Zeit vergangen, daß man darüber reden kann, daß sie halt ihre Rollen spielten, natürlich unpolitisch waren, aber Goebbels war der Kulturminister, küsste bei der Premierenfeier die Hand und verteilte die Rollen, manchmal auch in üblen Progagandafilmen, die man übernehmen mußte und sich nachher sehr genierte, oder ableugnete, etc.
Das Buch ist sehr interessant, ich kann es dir nur empfehlen und „Kastelau“ nehme ich an, hast du schon gelesen.
Jetzt noch die obligatorische Frage, wer bekommt morgen den dBP?
Kommentar von jancak — 2014-10-05 @ 16:14 |
zu deiner frage, die ich jetzt natürlich viel zu spät beantworte kann ich sagen, dass ich schon vor zwei wochen, als ich alles gelesen hatte und natürlich die shortlist schon kannte auf den seiler getippt habe, weil ddr geschichte und so, obwohl ich es der pfaueninsel mehr vergönnt hätte, aber mein wirklicher favorit wäre die draesner gewesen, die ist ja schon gar nicht mehr auf die shortlist gekommen.
Kommentar von otto lambauer — 2014-10-07 @ 23:29 |
Ist wahrscheinlich ein spannendes Buch auf das ich durch die Diskussionen beim „Longlistenlesen“ aufmerksam geworden und und das ich gerne lesen würde und stimmt es war ziemlich klar die Vorhersagen gingen auf Sailer oder Hettche und das konnte man dann auch in der „Alten Schmiede“ höre, also keine Überraschung, als ich mir dann das dBp-Video ansah und auf Google konnte man dann gleich die Kritiken finden, die schrieben, daß es der falscher Preisträger ist, etc. Ich komme auf meiner Leseliste, wenn nicht zuviele Rezensionsexemplare dazwischenkommen jetzt bald zur Marion Poschmann und Margareta Kinsterer, der Ford und ein Buch über die „Gruppe 47“ steht auch darauf
Kommentar von jancak — 2014-10-08 @ 07:19 |