Literaturgefluester

2014-11-07

Lotti, die Uhrmacherin, Unsühnbar

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:06

Nun kommt die Besprechung von Band II, der Leseausgabe der entstaubten Werke der Baronin von Ebner-Eschenbach, vor fast hundert Jahren gestorben, zu ihrer Zeit als Schriftstellerin sehr berühmt, jetzt noch in den Schulbüchern, Uhrensammlerin, Technik besessen und was wohl zu rühmen ist, eine sozialkritische Autorin, zwar nicht besonders frauenbewegt wie ich hörte, die aber dennoch auf die sozialen Unrechtsstände aufmerksam und sich in „Franzensbad“ auch über den Adel gehörig lustig machte.
Ein berühmtes mit einem nicht so berühmten Werk, soll in der vierbändigen Leseausgabe, mit einem Kommentar der drei Herausgeberinnen versehen, vorgestellt werden.
Band II hat Evelyne Polt-Heinzl herausgegeben und die „Lotti“ ist wohl das berühmte Werk.
Es gibt davon auch eine Reclamausgabe, wie ich gerade auf der „Amazon-Seite“ gesehen habe. Und die Lotti ist, eine sehr selbstbewußte, bürgerliche Frau, wenn ich mich nicht irre, haben die Herausgeberinnen bei der Präsentation erwähnt, die Ebner-Eschenbach wäre nicht so frauenbewegt gewesen, es gibt aber das Zitat von ihr mit dem der Verlag wirbt:
„Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde: alle dummen Männer“ und die Polt Heizl erwähnt in ihrem Vorwort noch, daß sie nicht, wie die Lotti, allein auf den Straßen Wiens herumspaziert sei und sich auf ihren Reisen auch immer von Verwandten begleiten hat lassen.
Die Geschichte spielt um 1880 und daß da eine Frau, das Fräulein Lotti, eine fünfunddreißigjährige „alte Jungfer“, sprich unverheiratete Frau, mit der Berufsbezeichnung angegeben wird, ist, glaube ich, schon ungewöhnlich, waren die Frauen ja damals Ehefrauen oder Dienstmädchen und sonst nicht viel. Ein paar Huren wird es auch gegeben haben.
Das Fräulein Lotti ist aber die Tochter eines Uhrmachermeisters und wohnt tausend Schritte von der Stephanskirche entfernt, der Vater ist gestorben und hat ihr eine berühmte Uhrensammlung hinterlassen, die Namen der Uhren werden alle angegeben, sagen einen heute wohl nicht mehr viel und die Ebner-Eschenbach, hörte ich, war ebenfalls eine Uhrensammlerin, die solch schöne Stücke hatte.
Am Totenbett machte sich der Vater Sorgen, seine Tochter vielleicht unversorgt zurückzulassen und beschwört den Ziehson Gottfried, die Uhrensammlung für sie zu verkaufen. Lotti will das aber nicht und scheint in ihrer Wohnung für einen Uhrmachermeister zu arbeiten.
Gottfried, auch Uhrmacher, arbeitet für einen anderen und zu Beginn des Buches, eröffnet ihr Gottfried, daß er ein Geschäft aufgemacht hat, wo am Firmenschild „G. u. L. Feßler“, auch sehr selbstbewußt steht.
Es passiert an dem Tag aber noch etwas anderes, Lotti soll eine Uhr, so ein wertvolles Unikat überprüfen und erstarrt, denn es ist die, ihres Ex-Verlobten und geht kurz in die Vergangenheit zurück.
Vor fünfzehn Jahren, da war sie zwanzig, kam der mit der Uhr zu ihrem Vater und ließ sie schätzen, der rief seine Tochter herbei, die schätze richtig und die Liebe zwischen ihr und Hermann von Halwig begann, einem Beamten und Poeten, dessen erstes Buch, es dürfte sich um einen Kolportageroman gehandelt haben, soeben erschienen ist.
Es hat mit der Liebe aber nicht so ganz geklappt oder Lotti fühlte sich von ihrem Verlobten nicht gut genug behandelt. Sie löste jedenfalls die Verlobung auf und wurde, da sie, wie die Ebner-Eschenbach betonte, keine sehr schöne Erscheinung war, eine alte Jungfrau.
Jetzt beginnt sich aber alles zu bewegen, Lotti trifft bei dem Uhrmacher, den ehemaligen Verlobten wieder, der vor drei Jahren eine sehr schöne junge Frau geheiratet hat und der bewegt sie, seine Agathe zu besuchen.
Die ist nervenleidend, ans Bett gefesselt und überfällt Lotti gleich mit einer Aufgabe, sie soll ihren Mann bewegen, einen Vertrag mit einem Agenten zu unterschreiben, in den nächsten zehn Jahren drei Bücher jährlich zu schreiben, weil sie das Geld für ihre Eltern brauchen. Halwig hat ihr aber schon gestanden, daß ihm das zuviel ist und es wird auch gleich Besuch gemeldet, der Advokat des Hauses, den Lotti statt der Hausfrau, die sich erst ankleiden muß, empfangen soll. Der nimmt sie anderwerttig in Beschlag, denn wenn Halwig das macht, ist das sein Untergang und „seine Seele verkauft man ja nur selbst, nie die eines anderes!“
Eein abgekatetes Spiel würde man heute meinen, in den Rezensionen habe ich etwas von selbstloser Liebe gelesen und ich habe an dieser Stelle gedacht „Um Gotteswillen, hoffentlich nicht!“, habe aber aus den Vorbemerkungen schon gewußt, daß die Uhren verkauft werden.
Eveline Polt-Heinzl betonte hier, daß das die einzige Stelle sei, wo Lotti, als Fräulein Charlotte Feßler beschrieben wird.
Der Ziehbruder Gottfried ist dabei und schließlich mit dem Geschäft auch einverstanden. Lotti besucht die Beiden auf dem Gut, das sie für sie kaufte, auch einmal. Sie haben sie ja auch eingeladen, gehen aber in ihr Glück versunken an ihr vorbei, so daß sie heimfährt und sich mit Gottfried verlobt, um ihre Jungfrauschaft nun doch zu beenden.
Evelyne Polt-Heinzl hat in ihrem Vorwort noch geschrieben, daß es eine Urfassung gab, in dem es kein solches Ende, die Leser scheinen es gewollt zu haben, gibt und ich bleibe ein wenig ratlos zurück, da mir die „aufopfernden“ Handlungen der Courths-Mahler Frauen ein wenig logischer, als die der Lotti erscheinen.
Denn der Halwig wird ja als ein eher wankelmütiger Charakter beschrieben, deshalb hat sie ihre Verlobung auch aufgelöst und Glück scheint ihr Opfer den Beiden auch nicht begbracht zu haben, denn die Ehe ging ja schief und der Poet begann auch wieder zu schreiben, etc.
Spannend aber, was über das Schreiben berichtet wird und auch, daß die Lotti eher als altmodische Frau geschildert wird, die nur weite schwarze Kleider trägt, während die Schneidermeistertochter im Nachbarhaus sich viel modischer kleidet, die ist vielleicht auch frauenbewegter.
Lotti liest auch keine modernen Bücher, also nicht die, für die sie sich opferte, sondern nur die alten ihres Vaters, die sie neben ihren Uhren, ebenfalls als großen Schatz betrachtete.
„Unsühnbar“, die unbekanntere Geschichte, die Ebner-Eschenbach hat ihre Texte statt Romane, bescheiden Erzählungen genannt, die nur in einem Literaturlexikon der DDR erwähnt wurde, war für mich, trotz der vordergründig triefenden und heute nicht mehr ganz nachzuvollziehenden Handlung, wegen des sozialen Hintergrunds, der daraus zu entnehmen sind, die spannendere.
Es geht wie Evelyne Polt-Heinzl erklärte, um den „Töchterschacher“, die standesgemäße Verheiratung der Mädchen oder Söhne aus adeligen Kreisen, ohne nach Lust und Neigung zu fragen und um den Ehebruch der Frau und wie auch bei der „Lotti“ ist die Handlung ein wenig umständlich.
Da ist Maria, eine schöne Komtesse, die in die Oper geht, sich für Kunstgeschichte interessiert, Klavier spielt, die übliche „Komtessenerziehung“, die die Ebner-Eschenbach verabscheute, halt. Sie hat eine Neigung zum Herrn von Tessin, wird aber vom Vater mit dem Grafen Dornach verheiratet, aber der Vater ist ohnehin nicht so untadelig, hat er doch ein illegitimes Kind, den bösen Wolfi, weshalb die Mutter auch an einer Gemütskrankheit verstarb.
Der Graf von Dornach ist aber ein edler und liebt Maria aufrichtig, sie hat auch schon erkannt, daß der Felix Tessin, gar nicht so edel ist, trotzdem verführt er sie mit Hilfe des Wolfis, es kommt zum Ehebruch und das zweite Kind, schaut ihm dann sehr ähnlich, das bemerkt zwar nur Maria, nicht die anderen. Aber die sühnt, geht beichten, wird nicht verstanden, versucht sich umzubringen, aber dann wäre sie eine Mörderin am ersten Kind, will es dem lieben Hermann sagen, kann es ihm aber auch nicht antun, etc.
So sühnt sie indem sie sich für die Armen aufopfert, was aber auch nicht so einfach ist, denn die danken es ihr vielleicht nicht richtig, nützen sie aus, machen sich über sie lustig, etc.
Dann springt der kleine Hermann noch über einen Steg, den die Holzfäller immer leichtsinnigerweise anlegen, um weniger Arbeit zu haben, stürzt ins Wasser, er und der Vater, der ihn retten will, kommen dabei um und als nun der kleine Erich zum legitimen Nachfolger erklärt werden soll, bekennt Maria den Ehebruch, wird von der Stiefmutter verstoßen und die Leute in dem Dorf, wo das Schloß ihres Vaters steht, in das sie sich zurückzieht, machen sich über sie lustig, bzw. verspotten sie das Kind.
Nun ein bißchen schwierig oder rührselig und der Josef Breuer, Mitautor Freuds, mit der Ebner-Eschenbach befreundet, soll ihr gesagt haben, daß sie den „Stoff nicht erotisch genug angepackt hat“, denn „so genügsam ist kein Mann!“
Die Frauen aber schon, mußten es sein, obwohl in der alten Jungfer, Amme oder Kammerzofe Marias, Lisette, die sich in den Hausarzt, der wie die Landärzte mit aristrokratischer Kundschaft, immer gern Fremdwörter verwendet, verliebt und ihn heiraten will, eine erstaunlich moderne Figur gezeichnet wird.
Die Jagd, das sinnlose Hinschlachten von Hasen und Rehen wird gerügt und die Treiber, die dabei angeschoßen werden, bekamen vom Gutsherrn, eine Entschädigung dafür, so daß es passierte, daß sich diese absichtlich verlezen ließen, um das Geld zu kassieren.
Spannend, sich in die Moralvorstellungen des vorvorigen Jahrhunderts einzulesen und in eine Gesellschaft, die es so nicht mehr gibt, wenn das auch Anfang nicht so einfach war, denn im vorvorigen Jahrhundert schrieb man auch ein wenig umständlich und langatmig, was wir heute nicht mehr so gewohnt sind, dank der Herausgeberinnen gibt es aber viele Anmerkungen, so daß man einiges nachlesen und sich informieren kann.

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