Literaturgefluester

2015-08-28

Applaus für Bronikowski

Es ist eine seltsam beeindruckende Geschichte, der „Roman“, Novelle oder Erzählung würde wohl besser passen, des 1968 geborenen Kai Weyand, der als Lehrer im Strafvollzug gearbeitet,  Open Mikes und andere Literaturpreise gewonnen hat.

Poetischer Realismus könnte man so sagen und das ist es ja, was ich suche, wenn da nicht die Komik wäre, mit der ich mir  manchmal schwer tue.

Tod, Bestattung und absurde Lächerlichkeit, das ist ja, was man nicht darf nicht soll und wir grenzen das Sterbenmüssen aus unserem Bewußtsein aus, verdrängen es, weil wir es nicht haben wollen, fürchten uns dafür und dann ertragen wir Sachen, über die wir lachen leichter und ich habe meine lieben Schwierigkeiten damit, wenn eine Kollegin mir von einer Vergewaltigung erzählt und sich dabei vor Lachen schüttelt.

Ich weiß schon, es ist ihr Bewältigungsversuch, ihre Abwehr, mir ist es aber unangenehm und da ist dann  NC in dem kleinen, bei „Wallstein“ erschienenen  Roman, der das Kunststück zusammenbrachte, sowohl auf der LL als auch auf der Hotlist zu stehen, der eigentlich Dinonysos heißt, weil die Eltern bei einer griechischen Weinverkostung auf die Namensgebung kamen, dürfen Schwangere eigentlich auf Weinverkostungen gehen, aber Nies genannt wird und sich jetzt No Canadian nennt, weil seine Welt, als er dreizehn war aus den Fugen geriet.

Da haben die Eltern im Lotto gewonnen und kamen auf die Idee, sich selbst in Canada zu verwirklichen, den Dreizehnjährigen ließen sie bei dem gerade volljährigen Bruder Bernd, der eine Banklehre machte, zurück.

Dürfen Eltern das und würde sich nicht das Jugendamt in diesem Fall um den Jungendlichen kümmern?

In diesem Fall nimmt Bernd die volle Verantwortung auf sich, Dionysos tauft sich um, kauft sich zwei Ratten, die er Papa und Mama nennt und dann einmal gegen das Fenster schmeißt.

„Find ich gut, daß du kreativ mit der Situation umgehst!“, würde da sicher der Vater sagen, aber der ist schon in Canada und schickt nur mehr Mails und Ansichtskarten und zu Beginn des Buches ist NC auch schon einunddreißig, hat Geburtstag und noch nichts Anständiges aus seinem Leben gemacht, während der Bruder in London auf Karrieretrip ist.

Der ruft ihn, wie jedes Jahr zu seinem Geburtstag pflichtgemäß ab und rät ihm sein Leben endlich in die Reihe zu bringen, aber NC ist nicht mehr Hausmeister, wie er das die letzten vier Jahre war, hat sich auch von seiner Freundin Kornelia getrennt und das Geld die nächste Miete zu bezahlen, hat er eigentlich auch nicht.

Also geht er spazieren, beziehungsweise ins Kino, davor kauft einem jungen Mann eine Packung Asia Nudeln, die 4.80 kosteten, um zehn Euro ab und schmeißt sie mit der gekauften Kinokarte in den Müll, auch eine verhaltenskreative Reaktion, die Kay Weyand vielleicht aus dem Strafvollzug kennt.

N C geht aber weiter, betritt eine Bäckerei, wo eine Maria März Veräuferin ist und läßt sich von ihr etwas empfehlen. Sie tut das widerwillig mit Streusel und der Holpenstraße und da gibt es ein Beerdigungsinstitut, N C geht hinein und am nächsten Tag probearbeiten und wird für das nächste halbe Jahr Bestattungsgehilfe.

Der Beerdiger heißt Manfred Wege und sieht, wie Abraham Lincoln aus, hat eine kleinwüchsige Frau, die ihm im Büro hilft und einen Hühnen aus Kasan als Bestattungshelfer und mahnt N C mit den Toten würdevoll umzugehen und sie niemals Leichen zu nennen.

Dem gefällt das auch sehr und er hat wenn er mit dem Bus zur Arbeit fährt auch noch eine Begegnung, lernt er da doch einen kleinen Jungen, einen Außendseiter, der von den anderen gehänselt wird, kennen und versucht ihm beizubringen was Ironie ist.

Ja, NC hat manchmal einen etwas schrägen Humor, er wirft auch Eier und Tomaten aus dem Fenster und als die Jugendlichen, die den kleinen Marcel immer hänseln mit der Lehrerin eine Exkursion ins Bestattungsinstitut machen und ihn dann fragen, ob er nekrophil wäre, schlägt er einen am nächsten Tag die Nase ein.

Die Anzeige wird eingestellt, N C überlegt auf Berufung zu gehen, hat aber bald andere Probleme, Frau Bach wünscht sich für ihre Schwester nämlich eine Seebestattung und er verspricht es ihr, obwohl ihr Bruder und Manfred dagegen sind.

So füllt er Wasser in den Sarg und es kommt beim Begräbnis zur Katastrophe, weil niemand N Cs genialen Einfall versteht und Herr Bronikowski, wer ist das und wie kommt das Buch zu seinem Namen, wird man, wenn man schon fast am Schluß angelangt ist, fragen, kommt auch noch am Ende seines Lebens zu einem Auftritt, war er doch Schauspieler und ist der Vater der Bäckereifachkraft Maria März.

Er liegt über einer schmale Treppe aufgebahrt und Viktor hat, als er und N C anrücken, um die Leiche oder pardon, den Verstorbenen abzuholen, Muscheln gegessen, kotzt ins Klo und kann den Sarg nicht tragen.

So kommt N C wieder  auf eine schräge Idee, Herr Bronikoski zum  Aplaus und N C geht, es ist jetzt Weihnachten geworden, die zweite Neuerscheinung, die jetzt lese, in der Weihnachten eine Rolle spielt. Wird das wirklich von den Verlagen so geplant oder ist es Zufall? Dieses Kapitel seines Lebens ist beendet, er wird sich etwas anderes finden, um sein Leben weiter und die Karriereleiter, wie sein Bruder sagen würde, hinaufzuklettern. Er tut das aber nicht allein, ein dreibeiniger Hund namens November, dessen Herrchen offenbar gestorben ist, ist bei ihm und Tomaten und Eier werden vielleicht auch weniger aus dem Fenster geworfen.

NC, der jetzt wieder Nies heißen zu scheint, hat seine Lektion gelernt und wir haben uns vielleicht den Bauch vor Lachen haltend oder mit einem berührten Gesich etwas über den Tod und die Stunden danach gelernt, was ich, die ich mich eigentlich schon immer mit dem Sterben beschäftigt habe, ich wäre einmal fast ertrunken, für sehr wichtig halte.

Ob man das als „komisch spannende und absurd realistische Initionsgeschichte“, wie Manuea Reichard am Buchrücken schreibt, machen muß oder soll, bin ich nicht ganz sicher.

Ich hätte das was zum Applaus führte und vielleicht auch das mit dem Eierschmeißen und Naseneinschlagen weggelassen, aber sonst kann ich mich mit den Grausamkeiten des Lebens und der sehr poetischen Art mit der dieser Realismus geschildert wurde, anfreunden und wünsche Kai Weyand für seine beiden Listen viel Glück.

„Fein, daß einige „Indies“ auf der Longlist steht, meinen die Blogger von „We read Indie“,  haben das Buch schon besprochen und Kai Weyand  interviewt.

Mara Giese hat das Lesen, glaube ich, gefallen und ich nehme, wie beschrieben einen ambivalenten Eindruck mit, aber alles in allem ist das, was hier geschildert wird, wahrscheinlich viel harmloser, als das, was die meisten Schüler von Kai Weyand im Strafvollzug wirklich erlebt haben und ein Stückchen Realität kann uns nicht schaden und Gedanken, wie das Leben zu Ende geht, soll man sich r auch machen. Wenn das dann mit einem doppelt preisnominierten Buch geschiet, ist das auch sehr gut.

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