Literaturgefluester

2010-06-26

Bachmannlesen III

Filed under: Uncategorized — jancak @ 16:40

Heute folgten noch vier Lesungen und zwei mögliche Favoriten zu Dorothee Elmiger und Aleks Scholz, die wir schon haben, wie ich hören konnte, nämlich Peter Wawerzinek und Verena Rossbacher.
An Verena Rossbacher hätte ich auch gedacht, während mir Peter Wawerzinek, ein unbekannter Autor war, der zu Beginn gelesen hat und sich von den Mitte Zwanzig-bis Mitte Dreißigjährigen, die sonst gelesen haben, schon durch sein Alter unterschied, wurde er doch 1954 in Rostock geboren und hat schon 1991 in Klagenfurt gelesen und einen der kleineren Preise gewonnen.
Schon der Einleitungsfilm ist interessant. Geht da doch einer mit einem alten Schulranzen in ein ehemaliges Kinderheim und schaut sich alte Fotos an, in denen ein Elternpaar mit einem Baby gezeigt werden. Dann habe ich mir noch die Homepage mit der Biografie angeschaut, in der zu lesen ist, daß der Autor in einem Kinderheim aufgewachsen ist, weil seine Eltern in den Westen gingen und das Kind zurückgelassen haben. Der Text hieß „Ich finde dich“ und war ein Kapitel aus dem Roman „Rabenliebe“.
Vorher sagte der Autor noch, daß der Text einer Frau gewidmet ist, die sich derzeit im Spital befindet und der er gute Besserung wünscht. Dann ging es los mit Schnee und Nebel, Krähen und Türen tauchten als Metaphern auch noch auf und wurden von der Jury bemängelt und ich dachte, da ich den Text zusätzlich mitlas, wieso verliest sich der Autor so oft, seinem Lebenslauf nach hätte ich ihn für routinierter gehalten? Es war aber die reine Autobiografie, die Geschichte des verlassenen Kindes, eingerahmt in anderen Geschichten von aktuell vorkommenden Kindesmißhandlungen, die ebenfalls bemängelt wurden und schöne haarscharf am Kitsch vorbeigeschramte Eichendorf Gedichtstrophen. Da fährt das verlassene Kind mit einem Bus oder einem Motorrad ins Kinderheim und wünscht sich in seiner Fantasie, es wäre eine Limosine, die natürlich UDSSR Bauart ist, um nicht so armselig dazustehen und hört zu sprechen auf, ein paar Jahre lang, bis es sich zum Dichter entwickelt, der letzte Textabschnitt ist auch ein Auszug aus einem HNO Lehrbuch und endet mit dem Satz „Das Kind ist sein eigener Sprachpädagoge“ und sie ist da, die Tristesse des grauen DDR Alltags, eines neun Jahre nach dem Krieg geborenen, der schon die Erkenntnis hat, daß es immer Kriege geben wird und immer Kindesmißhandlungen und da fällt mir ein, daß die Geschichten, die wir im Spiegel von den jungen Frauen lesen, die ihre Kinder in der Wohnung zurücklassen, um endlich mal in eine Disco zu gehen, meistens von ehemaligen DDR Bewohnerinnen stammen. Das wurde bemängelt und verteidigt und am Schluß hat der Autor noch gesagt, daß es ihm ohnehin schwer genug gefallen ist, das zu schreiben und, daß die Romantiker keine Ahnung haben, daß wir sie als kitschig empfinden.
Ein Text, für den ich gestimmt habe, auch wenn er ohnehin einen Preis bekommt, sonst hätte ich es für den Mann unter der Treppe getan. Dann kam Iris Schmidt mit einem Text, der auch „Schnee“ hieß und das war wohl ihr Pech, denn hier wurde die Diskussion von Burkhard Spinnen mit der Bermerkung, daß er um eine kurze Diskussion bitte, ist der Text doch „ungelenk, unbeholfen, nichtig und mehr ist dazu nicht zu sagen!“, die Geschichte von dem Pharmavertreter Karl Müller, der durch den Schnee zu einem verlassenen Hotel fährt, den Weg dahin kaum findet, dann von einer vollbusigen Wirtstochter bedrängt wird, in der Nacht hört er Knarren und Schritte, am Morgen springt der Wagen nicht an, das Hotel wird verschlossen, das Taxi kommt nicht und als er den Ort zu Fuß suchen geht, findet er die beiden, die ihm am Vortag den Weg zeigten, tot in einem Unterschlupf und ihnen gehörte auch der verlassene Wagen, der neben seinem auf dem Hotelparkplatz stand. Von nichts Eigenständigen und „Stephen King für Arme“ wurde da gesprochen und der Karl als Kafka Bezug gedeutet und ich hab mir gedacht, daß der Text so ähnlich, wie der von Kathrin Passig konstruiert war, mit dem sie vor ein paar Jahren mit Hilfe ihrer Zentralen Intellgenz Agentur, den Preis gewonnen hat. Aber es war schon Mittag, die Juroren wollten offenbar essen gehen und brauchten wohl ihr „Opfertier“, wie Cornelia Travnicek auf Twitter treffend bemerkt.
Es folgten noch der Schauspieler Christian Fries, der vor einem Notenständer Ausschnitte aus dem Kurzroman „Der Reich`sche Ansatz“ bot, der von einem Schauspielschüler handelt, dessen Eltern sich trennen, der, was, wie ich gestern hörte, für den Preis nie gut sein kann, auch deftige Sexszenen einbaute und dann noch viel von Philosophie und Psychoanalyse las. Der wurde auch sehr kritisch abgehandelt und dann kam, wie ich dachte, wieder ein Wunderkind und wir brauchen morgen nur noch schauen, wie sich die Preise verteilen. Das wird vielleicht auch sein, ich selber aber hatte meine Schwierigkeiten mit der sprachlichen Virtuosität bzw. Abgehobenheit des Textes. Manierismus pur nannten es die Juroren, ein Text, der mit hunderttausend Bildern und einer wahnsinnigen Sprachgewalt daher rast, von Engeln, Kürbissen und schwangeren Murmeln spricht und dabei auch noch, was ich ihm vor allem vorwerfe, blasphemisch wird, wenn im „Alphabet der Indizien“ der Erzengel Gabriel „Komm zu mir Marie, meine Süße, machen wir ein Kind“, zu Maria sagt.
Damit habe ich meine Schwierigkeiten, ansonsten denke ich nicht, wie die Juroren, daß wiedermal soviele schlechte Texte vorgetragen wurden und ich glaube auch, daß Verena Rossbacher, das Feuer hat, daß sich Karin Fleischanderl gestern sehnlichst wünschte.
Die Geschichte mit den vielen sprachlich gut gebauten Texten von den vielen Literaturinstitutsabsoventen stimmt wohl, auch wenn ich die Themenauswahl sehr vielfältig gefunden habe. Ich bin ja eine, die immer viele Favoriten hat, weil sie vieles zuläßt und viel für interessant hält. Peter Wawerzineks Text halte ich in seiner Vielschichtigkeit für den besten, das habe ich auch in meiner Publikumpreisbegründung geschrieben.
Aber auch sonst haben mir einige Texte gut gefallen, der von Judith Zander, die wahrscheinlich morgen in die Shortliste kommt, auch der von Sabrina Janesch trotz ihrer Käuzchen Metaphern, Max Scharniggs Text hat mir gefallen, der von Christopher Kloeble und von Daniel Mezger. Auch der von Iris Schmidt, vielleicht hätte ich für sie stimmen sollen, auch wenn ich die Einwände verstehen kann und es ist wieder herausgekommen, daß es so etwas, wie den „Bachmannpreisfavoriten“ gibt und man ihn, wenn man es geschickt anstellt, konstruieren kann. Nicht umsonst ist Aleks Scholz Mitarbeiter der Zentralen Íntelligenz Agentur und der wird ja vermutlich der neue Bachmannpreisträger und das ist eigentlich sehr traurig, obwohl diese drei Tage wieder schön und lehrreich waren. Es mir, wenn ich dort gelesen hätte, sicher so, wie Iris Schmidt gegangen wäre, die ja schon einige Veröffentlichungen und Preise hat, sonst wäre sie gar nicht eingeladen worden.
Es ist auch wichtig nochmals zu betonen, daß es viel mehr als diese vierzehn Autoren gibt und es ist natürlich wieder schade, daß nur so wenige Österreicher eingeladen werden und besonders seltsam finde ich es, wenn sich Karin Fleischanderl bei Burkhard Spinnen beklagt, daß er immer Autoren vorschlägt, die einen österreichischen Akzent oder Sprache haben.
Und jetzt bin ich gespannt, ob die Preisträger Scholz, Elmiger, Wawerzinek, Rossbacher oder vielleicht doch Judith Zander heißen werden?

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