Literaturgefluester

2016-02-07

Als Präsidentin auf den Opernball

„Heute ist Opernball!“, dachte El Awadalla und betrat ihr Badezimmer.

Ihr erster als Bundespräsidentin, während sie vor der Oper auf den diesbezüglichen Demonstrationen und am Heldenplatz auf denen, gegen den der Akademiker, regelmäßig teilgenommen hatte, aber seit sie vor einem Jahr als unabhängige Kanditatin  angetreten war und  mit den Stimmen aller Feministen, Linken und sonstiger kritischer Menschen überraschenderweise gewonnen hatte, vielleicht hatten sich auch einige durch ihren ersten Platz am Stimmzettel irritieren lassen oder die betrunkenen Auszähler hatten sich schlicht verzählt, würde es hineingehen und sie freute sich auch schon, obwohl sie gar nicht so sicher beim Links- oder Rechtswalzer war.

Beim Linken war sie natürlich besser und alles läßt sich lernen und außerdem war das Tanzen angesichts, der nach, wie vor existierenden Flüchtlingsproblematik und der höchsten Arbeitslosigkeit im Land, gar nicht so wichtig und sie würde, auch hier, eine  unkonventionelle Präsidentin sein, wie sie es im Wahlkampf versprochen hatte.

Hinein in das Ballvergnügen, das lila Abendkleid, das aus einem Secondhandshop stammte, würde sie doch auch sehr sparsam sein, hatte sie schon angezogen, dazu trug sie bequeme Schuhe, sie sollte vom vielen Stehen keine Hühneraugen bekommen und die runde weiße Brille, die sie sich extra für den Wahlkampf besorgt hatte, hatte sie auch aufgesetzt.

Jetzt mußte sie nur noch, die rotweißrote Staatsschärpe überstülpen, um einen würdigen Eindruck zu machen und dann ging es los und weil sie im Wahlkampf und  bei ihrer Antrittsrede versichert hatte, daß sie eine  umweltbewußte Präsidentin werden wolle, würde sie mit dem Fahrrad zur Oper radeln.

Mit dem langen Kleid würde das zwar vielleicht ein bißchen mühsam werden, aber sie hatte schon andere Hürden genommen, dachte sie voll Zuversicht, fuhr sich mit dem Kamm über ihre kurgeschnittenen Haare und lächelte sich selber an.

„El Awadalla for president!“, hatte es vor einem Jahr geheißen.

Wer hätte das gedacht, daß Österreich 2016  so kritisch war und statt der  konservativen alten Herrn und einer Dame, die außer ihr angetreten waren, eine kritische linke Frau zur Präsidentin wollten?

Niemand wahrscheinlich, in einem Land, wo sich lebenslustige Baumeister und pensionierte Richterinnen neben ihr beworben hatten und einige der Kanditaten sehr freiheitlich dachten.

Natürlich niemand und es war doch geschehen. So radelte sie mit dem hochgeschnallten Abendkleid auf die Oper zu. Sprang vom Rad, um es einem salutierenden Polizisten zu übergeben, den sie noch von ihrer Zeit als Demonstrantin kannte und solche waren auch schon angetreten, weil es noch viel zu erkämpfen gab.

Die Flüchtlinge kamen weiter, das Grundeinkommen war noch nicht erreicht und Arbeitslose gab es ebenfalls in rauhen Massen, nur, daß sie nichts gegen die Demonstranten hatte, sondern ihnen zuwinkte, war der Unterschied und das mußte sie auch bei den Luxuslimonsinen tut, die auf den Eingang zurollten.

So sprang sie  zur Seite, rief „Griaß euch, ich bins, die Präsidentin und wünsche einen schönen Abend!“, denn sie war und blieb Dialektautorin. Hatte die Stiege erkommen und schritt auf die Staatsloge zu.

Links und rechts von dieser hatten einige ihrer ehemaligen Mitbewerber Platz genommen. So lächelte sie staatstragend, den Herren Khol und Hundstorfer zu, die in ihrem schwarzen Smokings versuchten, sich nicht über sie zu ärgern und sie sicher nicht leiden konnten, wie das auch Baumeister Lugner tat, der mit seinen weiblichen Begleiterinnen, gerade die Stiege erklomm und sie schief anlächelte.

„Grüß Sie, Frau Präsidentin, sind Sie auch gekommen?“, fragte er säuerlich. Sie nickte und  gab ihm die Hand.

Begrüßte auch die Staatsoberhäupter, die etwas pikiert auf ihr lila Abendkleid, den roten und den blauen Schuh, ihrem Markenzeichen, in denen sie zu Zeiten von schwarz-blau am Ballhausplatz gewesen war, um mit roter Farbe gegen blau anzutreten, blickten.

„Alles Walzer!“, rief unten gerade der Zeremonienmeister und das Jungdamen- und Jungherrenkommitee war mit der Eröffnungspolonaise eingezogen. Die Kellner servierten Sacherwürstel mit Senf und Kren und die Sektkorken knallten, wie ehedem.

Alles war wie immer, trotz ihres roten und des blauen Schuhs, dem lila Abendkleid aus dem Secondhandladen und der runden weißen Brille, ihrem zweiten Markenzeichen, als selbstbewußte linke Frau.

Sie trat an die Empore, hob die Hand und dachte an das bedingungslose Grundeinkommen, das sie Österreich versprochen hatte. Dachte an die immer noch sehr hohe Zahl der Arbeitslosen, die auch ihr Mitbewerber, Rudolf Hundstorfer, der einmal Sozialminister gewesen war, nicht verhindern hatte können, wie sie das beim Opernball nicht zusammenbrachte und mit dem lila Abendkleid, dem roten und blauen Schuh,  die Festgäste begrüßen und vielleicht auch mit Herrn Khol, Herrn Hundstorfer, Präsidentengatten Clinton und anderen Staatsoberhäuptern tanzen würde müßen.

Mit Herrn Mörtel-Lugner wahrscheinlich nicht, denn der würde sie nicht auffordern, war sie ihm mit ihren fast einundsechzig Jahren sicherlich zu alt, während die Stars und Bunnies an seiner Seite, ständig jünger wurden und die Abendkleider, die sie trugen, immer teurer.

„Da wäre ich mit Sicherheit ein besserer Präsident geworden!“, sagte er sicher gerade bedauernd zu seinem Hasi, Spatzi oder Mausi, nahm den Zylinder von seinem Kopf und ließ sich ein Glas Champagner servieren.

„Die Geschäfte gehen aber weiter, Schatzi, auch wenn wir jetzt eine linke Präsidentin haben und auch unser Opernball!“

„Hip, hop, Opernball!“,  hieß es  in einem ihrer Dialektgedichte. Richard Heuberger hatte in seiner gleichnamigen Operette ins „Chambre Separee!“, gebeten und Josef Haslinger  einen  Roman darüber geschrieben, daß sich Terroristen des Balls der Bälle bemächtigt hatten.

Das war Fiktion gewesen, aber sie war heute hier mit ihrer weißen Brille,  dem roten und dem blauen Schuh, sowie dem lila Abendkleid aus dem Secondhandgeschäft über das die rotweiße Staatsschärpe genauso, wie über einen Frack, passte.

Und das war gut, war wunderbar und sehr viel besser, als wenn statt ihrer vielleicht der blaue Kanditat gewonnen hätte oder die Wahl wegen Fehler beziehungsweise Pickprobleme gar nicht stattfinden hätte können.

 

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