Brot und Spiele

Eric-Clapton-in-Hamburg
(c) Hamburger Abendblatt

Obwohl ich das neue Album von Eric Clapton nicht gut finde, war es für mich klar, dass ich mindestens eins seiner Deutschlandkonzerte besuchen werde; allein schon, weil er immer nur wenige Songs seiner neuen Alben spielt, weiß er doch ganz genau, dass alle die Klassiker hören wollen. So kam es nun also, dass ich vor zwei Wochen in der O2 World zu Hamburg und gestern in der Lanxess Arena in Köln saß und Eric seinen Bandscheibenvorfall zwischen die beiden Konzerte legen konnte.

Derjenige, der Clapton nicht eingehend studiert hat und das erste Mal live sieht, mag überrascht sein: Er spricht nicht mit dem Publikum, bis auf “Thank you”, er interagiert auch sonst nicht mit Zuschauern und Band – er scheint gar einfach seinen Stiefel herunterzuspielen. Wer aber beispielsweise seine (leider sehr schlechte) Autobiographie gelesen hat, weiß von seiner Scheu vor dem Publikum, die auch noch beim 50-jährigen Bühnenjubiläum zu spüren ist. Der Mann will sich auf seine Musik konzentrieren, lebt sie und lässt sie für sich und anseinerstatt sprechen. Die meisten Konzertbesucher wissen das inzwischen und nehmen es als eine seiner Schrullen hin, ein solcher Ausnahmemusiker darf sich sowieso fast alles erlauben.

Seine Setlists sind auf jeder Tour neben dem harten Pflichtkern immer wieder mit kleinen Überraschungen gespickt. Opener auf dieser Tour beispielsweise Hello old friend, in Hamburg spielt er Tears in heaven, aber kein Wonderful tonight in Köln umgekehrt. Layla habe ich inzwischen einmal “elektrisch” (Frankfurt 2006) und viermal akutisch gehört (Düsseldorf/München 2010, Hamburg/Köln 2013). Ein Setlist-Vergleich ist aber nicht Sinn dieses Beitrages und eigentlich will ich auch keine (reine) Kritik schreiben, daher nur soviel: wer perfekt vorgetragene Musik von einem der größten, besten und wichtigsten Gitarristen aller Zeiten hören will, dessen Stimme im Alter immer besser wird – Clapton ist immer sein Geld wert!

Auch einzelne Kritikpunkte zu diskutieren ist eher müßig und viel zu sehr vom persönlichen Geschmack abhängig, in den einschlägigen Foren geht es da meist um die Backgroundsängerinnen (mag ich auch nicht), die Vorband (Andy Fairweather Low mag ich einfach an sich schon gerne und wenn er Dudelsack spielen würde) oder zu perfekte Konzerte (das sind Probleme).

Nein ich will auf was anderes hinaus: Ich hasse das Publikum!

Ich bin hin und hergerissen mir das sprichwörtliche Operettenpublikum, das beim Fußball immer kritisiert wird, für solche Konzerte zu wünschen, anderseits bin ich gestern selbst von Nebenleuten für zu viel (euphorisches) Quatschen (beim ersten Song der Vorband!) kritisiert worden. Anderseits handelt es sich natürlich um Musik, die nicht einfach mit geschlossenen Augen genossen werden soll, wenn die Säle inzwischen auch bestuhlt seien mögen. Natürlich springt die Euphorie, ob des Gehörten viel eher auf andere und alle über, wenn einzelne ihre Freude direkt kundtun. Möge das Aufspringen, Jauchzen, Schreien oder Mitsingen sein. Nur eines geht für mich gar nicht, ich mag mich vielleicht hineinsteigern, aber ich halte es nicht mehr aus: Hört bitte auf mitzuklatschen!

Hierbei handelt es sich nicht etwas um ein karnevalistisches Spezialproblem in Köln, nein das Klatschen nach Alter-Väter-Sitte, will heißen auf die Zählzeiten 1 und 3, ist auf allen (deutschen) Konzerten allgegenwärtig. Mag es auf der Dorfkirmes angehen, beim Karneval dazu gehören und den preußischen Soldaten das Marschieren zum Alten Jägermarsch erleichtert haben, bei Blues Konzerten ist Mitklatschen ein absolutes No Go! Das geht sogar soweit, dass die leise Layla Version, nein sogar das feenhaft-zarte Solo eines Eric Clapton im Intro zerklatscht wird. Vielleicht werde ich jetzt ein Bildungsbürger-Nazi, der aufgrund eines persönlichen Dünkels, als Einziger das Gute, Wahre, Schöne in Literatur, Kunst und Musik erkannt haben will. Aber am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte die Banausen zur Ruhe gemahnt, den sensiblen Eric, für den immer nur seine Musik im Vordergrund steht, in den Arm genommen und gesagt: “Vergib ihnen – sie wissen nicht was sie tun!”

Vielleicht hätte er in die Stille hinein von vorne begonnen und alle hätten einfach nur seiner selbsterklärenden Musik gelauscht.

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Tilman berät als Rechtsanwalt Verlage, Autoren und andere Kreative im Urheber- und Medienrecht. Als Blogger hat er sich sowohl im Bereich der Literaturkritik als auch -vermittlung in der Branche einen Namen gemacht. Rechtsanwalt Winterling ist zudem als Jurymitglied (u.a. Hamburger Literaturförderpreise) und Moderator von Lesungen tätig, sowie gefragter Interviewpartner (u.a. Deutschlandfunk, Radio Eins), wenn es darum geht verständlich und unterhaltsam über rechtliche Themen und solche des Bloggens zu berichten.