Serien auf Englisch sind lustiger (Teil 1)

Es ist in letzter Zeit nicht nur modern, sondern vielmehr cool, fast obligatorisch, amerikanische Serien mit Originaltonspur zu sehen. Die Witze seien lustiger, die Synchronstimmen immer schlecht und der Genuss viel authentischer. In meiner Faulheit habe ich mich immer dagegen gewehrt, kann die Coolness (außer die, die in dem Beherrschen einer (Fremd-)Sprache liegt) nicht erkennen und störe mich in der Regel wenig an Stimmfarben und Intonation bei 20-minütigen Unterhaltungssendungen.
Grundsätzlich aber, und hier bekenne ich es öffentlich, ist es natürlich wirklich authentischer sich das Original zu Gemüte zu führen: das Bild in seinen Ausmaßen, Beschaffenheit und mit der Möglichkeit eines Perspektivwechsels im Museum und nicht nur bei der Bildersuche von Google anzusehen; das Konzert live zu erleben, vermittelt ganz andere Höreindrücke als das Ablaufenlassen der Konserve; die Lektüre des Textes wie er dem Autor aus der Feder floss ist ebenso authentischer – weil er eben das Original ist.

The Big Bang Theory, How I met your mother und Two and a half man sind sicher weit von einer Neuübersetzung entfernt. Klassiker der Weltliteratur dagegen genießen immer wieder diese Ehre.

Warum aber Neuübersetzungen? Bei dem von mir kürzlich besprochenen Südlich der Grenze, westlich der Sonne lag es beispielsweise auf der Hand. Die erste Übersetzung erfolgte anhand der Übersetzung, die vom Japanischen ins Englische vorgenommen wurde. Dass bei einer solchen Stille-Post-Methode viel der Sprachkunst des Autors verloren geht, zwangsläufig verloren gehen muss, liegt auf der Hand.

Jeder Neuübersetzung hat nicht nur die Chance die alten Übertragungen von Staub und heute nicht mehr genutzten Vokabeln, die uns vielleicht befremdlich vorkommen würden oder schlicht nicht passen, zu befreien; es besteht immer auch die Chance den Text, auch mit Hilfe neuerer Sprache, besser, wenn nicht besser, dann zumindest anders, wiederzugeben: die Melodie des Originals auch im Deutschen zu wahren, einzelne Wendungen mit Hilfe neuer Synonyme besser wiederzugeben und so Sprache und Stil des Autors, des Textes in seiner Ursprungsform zu erhalten.

Tolle Beispiele für die Möglichkeiten und Schwierigkeiten, die beim Übersetzen bestehen können:

“Neu übersetzte Klassiker”: Alter Kunstwerkmeister, steh uns bei! | Feuilletion | FAZ
“Madame Bovary”: Die Freuden der Genauigkeit | Kultur | ZEIT ONLINE.

[…] ein weiterer Grund für den Erfolg von Neuübersetzungen: Es macht diebische Freude, sie mit den alten zu vergleichen.

Andreas Platthaus in der FAZ

Dazu kommen wir in Teil 2, wenn ich Moby-Dick gleich dreifach durchleuchten werde. Vielleicht erfahre ich dann auch endlich, ob ich Serien auf Englisch sehen muss.

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Tilman berät als Rechtsanwalt Verlage, Autoren und andere Kreative im Urheber- und Medienrecht. Als Blogger hat er sich sowohl im Bereich der Literaturkritik als auch -vermittlung in der Branche einen Namen gemacht. Rechtsanwalt Winterling ist zudem als Jurymitglied (u.a. Hamburger Literaturförderpreise) und Moderator von Lesungen tätig, sowie gefragter Interviewpartner (u.a. Deutschlandfunk, Radio Eins), wenn es darum geht verständlich und unterhaltsam über rechtliche Themen und solche des Bloggens zu berichten.

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