Nicht mal einen Monat ist der Tod der Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing her, schon schickt mich der Hoffmann und Campe Verlag ins Kino. Statt endlich ihr Goldenes Notizbuch zu lesen, habe ich es nun mit Tage am Strand in bewegten Bildern bzw. der literarischen Vorlage zu tun.
Normalerweise gibt es für mich keinen Grund mir über die Priorität erst Buch – dann Film oder andersherum Gedanken zu machen. Rückblickend habe ich bewusst nur bei Anna Karenina darauf geachtet erst das Buch zu beenden bevor ich ins Kino gehe. Noch nie habe ich mir Das Buch zum Film gekauft, interessante Vorlagen habe ich entweder vorher gelesen oder hielt sie nach dem Film, wenn nicht für verdorben, zumindest für zu vorbelastet.
Nun aber war ich erst im Kino und habe dann die Vorlage gelesen, im Kino an meiner Seite Tobias, der den anderen Weg nahm.
Im australischen Paradies am Meer wohnen Lil und Roz, zwei Frauen, denen es finanziell ganz gut zu gehen scheint, soll man nach der Ausstattung ihrer Häuser urteilen. Seit Schulzeiten sind sie unzertrennlich und nach dem Tod des Manns der einen und dem arbeitsbedingten Wegzug des anderen Mannes wohnen beide mit ihren fast erwachsenen Söhnen zusammen. Während man im Ort bereits von der Homosexualität der beiden Frauen munkelt, fangen beide ein Verhältnis mit dem Sohn der anderen an. Von einem Gerangel der beiden Hähne abgesehen, besteht dieses skurielle Beziehungsgeflecht erstaunlich harmonisch, bis der eine Jüngling nach Sydney geht um dort ein Theaterstück zu inszenieren und mit einer Gleichaltrigen anbandelt.
Beim Anblick der beiden durchtrainierten Abziehbildchen von Söhnen schüttelt es mich das erste Mal. Die Bräsigkeit der australischen Oberschicht, die scheinbar stündlich ein Gläschen Chardonnay schlürft und die aufdringliche Schönheit des Ortes machen mir den Einstieg nicht leicht. Es mag sein, dass es dort einfach so aussieht, aber in der Zusammenstellung erscheint es mir kitschig. Der Steg, auf dem sich erst die jungen Alter Egos der Mütter treffen, dann die heranwachsenden Söhne und am Ende noch einmal alle miteinander, ist mir als offensichtliche Paralellität zu einleuchtend. Aber ich habe verstanden: zwei starke, emanzipierte Frauen, die bessere Freundinnnen nicht seien könnten, die ohne Mann sein können und wollen und im Paradies in sexueller Leidenschaft mit dem jungen Adonis anbandeln. Wahrscheinlich bin ich nur auf die Surferkörper neidisch, aber die beiden Söhne sind mir etwas zu tumb. Dass der Surfertyp auf einmal Theaterstücke inszeniert, kaufe ich ihm nicht ab. Die Konfliktfreiheit der beiden wie Schwestern aufgewachsenen Frauen mit den wie Brüdern aufgewachsenen Söhnen, der lockere Umgang der Söhne mit ihrer Mutter in einer derartigen Situation scheint mir ebenso unglaubwürdig – hier würde ich mir einfach mehr Reibung, mehr Konflikte wünschen.
Und als ich mich bei Tobias über die Unglaubwürdigkeit und die Klebrigkeit des Settings beschwere, packt es mich dann doch noch, denn das Idyll der inzwischen liebenden Großmütter zerbricht, scheinbar war man doch nicht immer so offen. Zwar sind am Ende doch (fast) alle irgendwie glücklich, aber man schwimmt am Ende nicht ganz ohne Schäden im Meer auf dem gemeinsamen Steg.
Kuriosum der Lektüre: Das den Film rettende Ende steht am Anfang und nimmt der Geschichte, trotz (oder wegen) der vorher gesehen Verfilmung etwas den Reiz. Bei Lessing hängen keine Geigen in den Bäumen und es gibt keine Regieanweisung a la “hier Schmalz und Weißwein”. Insgesamt viel bodenständiger, weniger Sex, aber irgendwie auch nicht mehr Konflikte, dabei wäre in der Vorlage so viel Platz für mehr gewesen, Bücher werden selten auf 90 Minuten limitiert. Das an sich spannende psychologische Spiel mit den pseudoinszestuösen Beziehung bleibt aus.
Dass man trotz floskeligem Füllmüll wie “So weit, so gut.” [sic!] einen Nobelpreis für Literatur bekommt, Lessing streckenweise die Geschichte in Dreiwortsätzen mit dann, dannach, dann aneinanderreiht, verwundert mich. “Irgendwas war da … etwas Schlimmes …”-Stilblüten und uninspirierte Dialoge, die sich Hollywood nicht ausgedacht, sondern der Vorlage entnommen hat – das schmerzt.
Lange Rede, kurzer Sinn (ich bin auf dem Weg zum Nobelpreis durch Einbauen solcher Redewendungen): viel wäre möglich gewesen, wenig wurde daraus gemacht. Den Vorwurf muss man aber scheinbar mehr, Gott habe sie seelig, Doris Lessing als den Filmemachern machen.