Meine Eltern, meine Schwester und meine Freundin haben alle in Göttingen studiert, daher war ich in den letzten Jahren, hin und wieder dort, kenne mich ein bisschen in der Stadt aus, könnte theoretisch sagen wo man hingeht, auch wenn ich selten bis nie, das Nachtleben dort in Anspruch genommen habe, und weiß eben auch wo ich hin muss um Bücher zu kaufen; leider.
Gestern war ich das erste Mal seit längerer Zeit mal wieder dort und hatte meine Madame vorgewarnt: sie solle mich aufhalten, wenn es zu viel wird. Erste Anlaufstelle war Vaternahm in der Theaterstraße, denn in diesem kleinen Laden bekommt man immer Klassiker in Restauflagen und Mängelexemplare. Trotz guter Vorsätze habe ich “Jakob der Lügner”, obwohl schon gelesen, in meiner geliebten “Romane des Jahrhunderts” Reihe von Suhrkamp erstanden; nicht nur aber auch zum Komplettieren der Regalansicht.
Außerdem habe ich dort, auch als Reaktion auf den starken Essay von Klaus Brinkbäumer im aktuellen Spiegel “Was warum bleibt”, das neue Buch von Florian Illies “1913” gekauft. (Der Spiegel tut mir leider nicht, wie die FAZ und die Zeit, den Gefallen seine aktuellen Artikel sehr schnell auch online zu stellen. Wenn er das nachholt, er der Spiegel, gibt es einen entsprechenden Nachtrag.) Ich bin sowieso ein großer Freund von Zeit- und Kulturgeschichte zwischen 1870 und 1930, aber das Projekt von Illies der anhand des Jahres 1913, die Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts nachzeichnet, traumhaft… Auf dem Klappentext heißt es unter anderem: “Malewitsch malt ein Quadrat, Proust begibt sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit, Benn liebt Lasker-Schüler, Rilke trinkt mit Freud, Strawinsky feiert das Frühlingsopfer, Kirchner gibt der modernen Metropole ein Gesicht, Kafka, Joyce und Musil trinken am selben Tag in Triest einen Cappuccino – und in München verkauft ein österreichischer Postkartenmaler namens Adolf Hitler seine biederen Stadtansichten.“ Wie soll man ein solches Buch nicht kaufen?! Ich will mehr erfahren über die Verflechtungen der Intellektuellen dieser Zeit in Wien, Berlin, Paris und Prag, über die einzelnen Persönlichkeiten, die dieses Jahrhundert und die Zeit prägten und eben auch wieder Neues entdecken, um wieder neue Bücher über diese Menschen zu kaufen. Euphorisch bin ich was die Lektüre dieses Werks betrifft. Ferner neu auf meinen Stapel, würde ich aber gerne auch sofort lesen, kommt “Der Wendepunkt” von Klaus Mann, das erst seit kurzem, seit “Literatur!”, auf meiner Wunschliste steht.
Leider konnte ich Erich Kästners Werke in 9 Bänden nicht im Zug transportieren.
Zu guter Letzt habe ich mir bei ExLibris in der Prinzenstraße die Autobiographie von Pete Townsend, dem Gitarristen von The Who, zugelegt. Fällt dem gegenüber sonst Gelesenen etwas aus dem Rahmen interessiert mich als Musiker und Konsument aber.
Victor Klemperers Tagebücher “Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten” waren, zum Glück, erst noch nicht ausgezeichnet, dann aber teurer als bei Amazon. Irgendwie muss man ja alles auch nach Hause transportieren.
[Nachtrag] Direkt nach meiner Lektüre von “1913” habe ich mir die Biographie von Alma Mahler-Werfel bestellt, damit ich noch tiefer in die Zeit eintauchen kann. Wessen Biographie eignet sich da besser als die der Frau, die mit allen die Rang und Namen haben Anfang des 20.Jh. eine Liason hatte und das quer durch Musik, Kunst und Literatur.