Der stationäre Buchhandel wie auch die Verlage zitiert schon (gefühlt) immer aus Rezensionen zur Bewerbung von Büchern. Solche Zitate, sind aber keine Zitate im Rechtssinn, weil diese nicht in einem selbstständigen Sprachwerk auftauchen, sondern auf dem Buchrücken, dem Klappentext, Plakaten oder Aufklebern prangen, die den Betrachter aufgrund der sachkundigen Empfehlung zum Käufer machen sollen.
Diese Praxis wird von Verlagen und Handel verständlicherweise gerne genutzt, denn der „Content“ für die Werbung wird (vermeintlich) kostenfrei durch andere hergestellt, deren guten Namen, kein unerheblicher Verkaufsfaktor, man dazu im Paket erhält. Eigentlich hätte ein Urheber als die Buchhandlungen oder Verlage mit diesen Zitaten begonnen, hiergegen vorgehen können. Der historische Rezensent, sagen wir Ludwig Börne, hätte Unterlassung des nicht zulässigen Zitats verlangen können. Weil dies aber nie geschah, entstand Gewohnheitsrecht.
Ohne zu tief auch noch in diese Materie einzusteigen kann man kurz und flapsig sagen: wird eine Rechtshandlung über lange Zeit von allen Rechtsteilnehmern geduldet, so wird diese als Gewohnheitsrecht verbindlich, kann später aber durch den Gesetzgeber wieder geändert werden. 1
Im Hinblick auf die Nutzung von Rezensionsauszügen durch die Verlage zur Bewerbung ihrer Bücher in den Klappentexten besteht […] ein solches Gewohnheitsrecht. Die gewohnheitsrechtlich anerkannte Nutzung von Rezensionsauszügen zur Bewerbung von Büchern in bestimmten Formen ist auch nicht auf die Verlage beschränkt. Auch die Bewerbung der Bücher durch die Buchhändler in ihrer Auslage und durch die Versandbuchhandlungen in ihren Printkatalogen entspricht sehr langer von keiner Seite in Frage gestellter Übung.
OLG München, GRUR-RR 2015, 331, 332 – Buchrezensionen
Heißt im Ergebnis: die Nutzung von Auszügen zur Werbung auf Klappentexten, Verlagsmaterialien, im Laden ist zulässig.
Auszüge aus Rezensionen als Werbung im Internet
Das Internet wiederum gibt es noch nicht so lange wie Ludwig Börne. Die Frage, ob Verlage und Buchhändler dort ihre bisherige Übung einfach fortsetzen dürfen war Anlass der Entscheidung des OLG München vom 27. November 2014. Die Klägerin, die FAZ, ging gegen eine Intenretverkaufsplattform, buch.de, vor, die aus bei der FAZ erschienen Rezensionen Ausschnitte zur Werbung nutzte.
Das praktische „Haben wir immer so gemacht“ zog hier leider nicht, da das „immer“ eine zu kurze Zeitspanne umfasste und das Portal dummerweise vorher bei der Zeitung angefragt hatte, ob man denn eine Lizenz für die Nutzung erwerben konnte. Die Richter erkannten darin unter anderem ein Indiz dafür, dass gerade kein Gewohnheitsrecht besteht. 2
Die Entstehung von Gewohnheitsrecht wurde durch das vorherige Anfragen im Ergebnis sogar verhindert. Man könnte sagen durch die Vorsicht von buch.de. 3
Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass eine einheitliche Überzeugung der Rechtsgemeinschaft besteht, dass eine lizenzfreie Online-Nutzung von Rezensionsauszügen durch Buchhändler rechtens ist. Als Indiz gegen eine solche allgemeine Rechtsüberzeugung spricht schon das Verhalten der hiesigen Prozessparteien. Die Beklage ist nicht etwa selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie zur lizenzfreien Nutzung von Auszügen aus den Rezensionen der Klägerin berechtigt sei, sondern hat vielmehr bei dieser entsprechende Lizenzangebote nachgefragt. Die Klägerin hat nicht etwa mitgeteilt, dass eine Lizenz nicht erforderlich sei, sondern entsprechende Angebote übermittelt.
OLG München, GRUR-RR 2015, 331, 333 – Buchrezensionen
Achtung: Das Werben mit Rezensionsausschnitten im Internet ist daher nicht zulässig!
Achtung 2: Das Urteil gibt keine Auskunft dazu wie die Verlagswerbung im Internet auszusehen hat. Die Frage, ob das Aufführen von Rezensionsausschnitten auf der verlagseigenen Homepage zulässig ist, ist offen. Führt man die Entscheidung des OLG konsequent fort bedarf dies ebenfalls einer Lizenz und wäre dann wohl (meist) kostenpflichtig. Vielleicht halten aber Beteiligten die Füße still bis in diesem Fall Gewohnheitsrecht entstanden ist.
- Die Entstehung von Gewohnheitsrecht erfordert eine langdauernde tatsächliche Übung (longa consuetudo) als objektives Element sowie die allgemein verbreitete Überzeugung von ihrer Gültigkeit (opinio – juris sive necessitatis) als subjektives Element (OLG München, GRUR-RR 2015, 331, 332 – Buchrezensionen m.w.N.)
- Vereinfacht gesagt: bestünde ein solches, würde man von sich aus gerade nicht auf die Frage kommen, ob man nicht eine Lizenz erwerben muss.
- Die FAZ hatte aber auch vorgetragen, dass mit bücher.de eine Lizenzvereinbarung getroffen wurde. Auch dies sprach richtigerweise aus Sicht der Richter gegen die Annahme von Gewohnheitsrecht.