Es gibt solche Werke, die man gerne gelesen haben würde, weil sie einer der Grundpfeiler unserer heutigen Literatur darstellen: Homers Illias und Odyssee, Der abenteuerliche Simplicissimus von Grimmelshausen, Das Niebelungenlied, Il Decamerone von Giovanni Boccaccio, Die Lusiaden von Camões oder Don Quijote. Dazu kommen unzählige weitere Klassiker von Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit, die jeder kennt, aber nur wenige wirklich gelesen haben. Zu dieser Kategorie gehört auch Dante Alighieris Göttliche Komödie.
Weil nun aber viele dieser Werke tatsächlich sperrig sind, traut man sich nicht heran, statt die Schönheit im Detail zu finden, sucht man sie lieber in einfacher zugängiger (Unterhaltungs-)Literatur. Grundsätzlich eine verständliche Entscheidung, denn nach einem harten Arbeitstag liegen diese Bücher schwer auf dem Kopfkissen. Statt einer Kurzfassung oder eines Hörbuchs griff ich nun zur Graphic Novel Adaption von Seymour Chwast, um die Dante-Lücke zu schließen und vielleicht derart auf den Geschmack zu kommen, mir doch das Original mal vorzunehmen.
Das Grundgerüst ist – Klassiker – in Grundzügen wohl fast jedem bekannt: Dantes Alter Ego reist zusammen mit Vergil durch die drei Reiche des Jenseits, von der Hölle und ihren Kreisen ins Fegefeuer und über den Läuterungsberg ins Paradies. Vergil wird im Laufe der Reise durch die eigentlich verstorbene Geliebte Beatrice ausgetauscht. Auf ihrem Weg trifft das jeweilige Paar unzählige Fabelgestalten aus der Mythologie, Personen der damaligen Zeitgeschichte, Philosophen der Antike und Bibelfiguren. Das Urwerk ist wohl nur mit einem großen Kommentar bei der Erstlektüre zu verstehen.
Nun aber die stark gekürzte, bebilderte Fassung von Seymour Chwast. Ganz in schwarz-weiß kämpft sich Dante als Pfeife rauchender britischer Detektiv durch die Unterwelt. Begleitet und geführt von Vergil als treuem Butler mit Gehstock. Landkarten und Querschnitte zeigen dem Leser wo sich das Duo gerade befindet. Durch die einfache Beschriftung der anderen Personen und Orte, wird viel Raum für die eigentliche Geschichte gespart ohne sich in zu vielen Erläuterungen zu verlieren.
Doch wo ist die Geschichte? Die Sprache ist derart verknappt und meist nicht viel mehr als dann doch nur die Beschreibung des Bildes. “Und dann betrachteten wir die Sterne.” “Eine Frau namens Lucia trägt mich zum Eingang des Purgatoriums.” Im Verlauf erweckt dies den Eindruck lediglich ein beschriftetes Bilderbuch zu lesen. Die Göttliche Komödie erzeugt so aber keine Spannung, nicht mal Neugier. Es wird zu wenig Text transportiert, dann sind die Bilder im Einzelnen aber zu schwach, um den Mangel an Story aufzufangen.
Die Adaption enttäuscht mich. Vielleicht ist es nicht möglich Dante in Häppchen zu verpacken, eine Kurzform zu schaffen, die nicht die eigentliche Geschichte verliert. Aus der Lektüre aber nehme ich nicht viel mehr mit als ich bereits vorher wusste. Die Göttliche Komödie bleibt auch nach Seymour Chwast für mich eine schemenhafte Vorstellung. Also doch irgendwann das Original?!