Schon in der Überschrift dieses Artikel ist ein schwerer gestalterischer Fehler, der sich komplett durch den gesamten Artikel zieht. Zwar sind Schriftart und Größe gut lesbar und (in meinen Augen) einigermaßen hübsch gewählt, doch sind das Bindestriche oder Gedankenstriche? Anders als Word, und auch dort gelingt es nicht immer, werden hier nicht automatisch Strichlängen angepasst, denn es gibt – (Bindestriche) und – (Gedankenstriche). Man kann nur hoffen, dass Friedrich Forssman diesen Blog nicht liest! 1
Denn bei Friedrich Forssman, dem Internetmenschen durch seinen eBook-Rant bekannt, ging ich achtzig Seiten in die Lehre. Wie ich Bücher gestalte heißt der Werkstattbericht des Buchgestalters und Typographen, der beim Göttinger Wallstein Verlag in der Reihe Ästhetik des Buches erschienen ist. In dieser widmen sich Autoren aus verschiedenen Disziplinen den einzigartigen ästhetischen, kulurellen und wahrnehmungspsychologischen Qualitäten des gedruckten Buches.
Forssman schreibt auch für Laien anschaulich über die Grundlagen der Buchgestaltung, die Gestaltung als Handwerk und (hier liegt ein bedeutender Unterschied!) Kunsthandwerk. In vier Teilen – Das Allgemeine, das Besondere, Das Innere, Das Äußere – gibt er nicht nur Einblick in die Tätigkeit selbst, sondern vermittelt auch seine Vorstellungen eines gelungen gestalteten Buchs. Ein fester Bestand ist für ihn hierbei etwa das Gestalten von Innen nach Außen, um im Anschluss einen Überblick über Vorteile verschiedener Schriftarten zu geben und wie diese zu setzen sind. Die Fachsprache des Setzers liest man nicht ohne Schmunzel: Geringe x-Höhe, recht glatt und vernünftigt, etwas spitz und scharf, in der Anwendung nicht sehr gutmütig.
Natürlich ist Lesbarkeit wichtig, sie ist aber nicht alles. Gestalten heißt auch, dem Benutzer gewisse Unbequemlichkeiten zuzumuten und ihm zuzutrauen, daß er Entscheidungen nachvollziehen kann und billigt, die zuungunsten des vordergründigen Funktionierens getroffen wurden, dafür zugunsten eines größeren Behagens, einer – etwas pathetisch gesagt – “höheren Richtigkeit”.
Kein altes Medium
Und, übrigens: Ich möchte nie, nie wieder auf ein Podium geladen werden – als amüsantes Buch-Fossil, als Kontrastprogramm zu den Zukunftsvisionären in Form von Google-Oligarchen, Börsenvereins-Geldverbrennern und analphabetischen Digitalhipstern mit ADHS im Vollbild – und mir noch ein weiteres Mal anhören müssen, »daß ja noch nie ein neues Medium ein altes Medium verdrängt habe«.
Die Erfüllung dieses Wunsches liegt nicht in meinen Händen, und der Streit ausgekaut. Wie man aber das alte Medium so gestaltet, dass es eine Kunst ist, erfährt man unterhaltsam und lehrreich von Forssman. Wie kunstvoll dann ein von Forssman gestalteter Text, wie wunderschön er ist, ein Blick in die Leseprobe der Kritische Gesamtausgabe von Walter Benjamin genügt, um dies zu erkennen. Um die Kunst wirklich wertschätzen zu können, sollte man aber Wie ich Bücher gestalte lesen, erst dann kann man wirklich ermessen wie viel Hirnschmalz und gestalterische Kreativität in stimmiger Buchgestaltung steckt.
Zu den vielen guten Eigenschaften von Büchern gehört, daß sie alt werden – wenn sie gut hergestellt sind, halten sie sogar ewig; wenn sie gut gestaltet sind, sind die Abnutzungsspuren vorgesehen und eingeplant.
Beitragsbild: The British Museum (CC BY-NC-SA 4.0)
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