Knapp vier Wochen erst kann man Petra Hartliebs Meine wundervoll Buchhandlung erst in einer solchen oder bei der Internetkrake erwerben. Knapp vier-tausend Mal ist man da schon über positive Besprechungen gestolpert. Ein hübsch gestaltetes Cover lädt ein diese wundervolle Buchhandlung zu entdecken und obwohl hier alles nach leichter Unterhaltung aussieht, greife ich zu.
Hartlieb schreibt eigentlich Krimis, war mal Pressereferentin und Literaturkritikerin, ist zweifache Mutter und eben auch Buchhändlerin. Nein nicht gelernte Buchhändlerin, gemachte – selbstgemachte. Über Umwege, aber mit viel Leidenschaft, werden Hartlieb und ihr Mann Betreiber eines Ladens in Wien, den sie aus dem Affekt kaufen. Jobs und Wohnungen werden aufgegeben, in wenigen Wochen eine Renovierung durchgeführt, Bücher eingekauft und Leute engagiert. Der Traum, wer hatte ihn noch nicht, einen Laden zu führen, in dem das herrliche, analoge Kulturgut verkauft wird, entwickelt sich für das Ehepaar mal in die Hölle und dann wieder in eine Quelle der Lebensfreude.
Das hat so gar nichts mit Glamour zu tun und auch nichts mit diesem “Ach-ich-lese-so-gern-und-wollte-immer-Buchhändlerin-sein”-Gefühl.
Der harte Alltag vor Öffnung und nach Ladenschluss, der Wahnsinn des Weihnachtsgeschäfts, Backoffice, wirtschaftliche Zwänge, der Druck der großen Buchhandelsketten lastet nicht nur auf dem Ehepaar Hartlieb, sondern auch auf ihren Kindern und Mitarbeitern. Die Verantwortung, die geschultert werden muss, scheint manchmal riesig.
Und warum diese ganze Mühsal? Zum Beispiel für die Organisation einer Lesung von Jonathan Franzen, aber vor allem weil Petra Hartlieb Literatur liebt und es liebt Leute mit ihr in Kontakt zu bringen (manchmal sogar zu missionieren, wie sie es nennt). Die Zufriedenheit einer Frau, die genau das tut, was ihr Spaß macht und die daraus resultierende Freude an ihre Kunden und ihre Leser weitergibt. Die Dankbarkeit für Kunden und Freunde, für jede helfende Hand, und wenn sie ehrlich ist, wahrscheinlich sogar für jeden Nörgler und kauzigen Besucher.
“Es ist zum Aus-der-Haut-fahren!”
Doch dieses Buch ist nicht nur die schöne Stöberecke, sondern hat auch einen wichtigen politischen Kern, der aber sehr liebevoll verpackt ist: Hartlieb kennt die Probleme des kleinen Sortimenters aus eigener Erfahrung und ärgert sich über die Gedankenlosigkeit, mit auch ihre unmittelbaren Nachbarn nicht nur ihre Bücher bei Amazon bestellen, sich aber über ausgestorbene Einzelhandelsviertel in der eigenen Stadt beschweren. Hartlieb ärgert sich über das Unwissen der Kunden, dass die Bücher bei Amazon eben nicht billiger sind (Buchpreisbindung!) und auch gar nicht schneller bei einem zu Hause sind.
Bei Amazon kann man schließlich auch nicht in einen Laden spazieren und das Buch sofort mitnehmen. Nicht einmal das Buch von Platz eins der aktuellen Bestsellerliste! Man muss es bestellen, und dann kommt es einen Tag später mit einem Boten, der es wieder mitnimmt, wenn man nicht zu Hause ist. Was ist daran so toll?
Jede Beschwerde steht nicht klagend vor einem, sondern bittet um Verständnis, dass man dieser Frau, ist man nicht sowieso schon für dieses Thema sensibilisiert, sofort entgegenbringt. Sieht man auf der einen Seite die Leidenschaft, die, fast alle, Buchhändler für den Erhalt eines Kulturguts aufbringen und auf der anderen einen emotionslosen Algorithmus, fällt einem nicht schwer welche Partei man in Zukunft ergreifen will. Für die Buchriesen hat Hartlieb fast nur noch Mitlied übrig.
Und so beschäftigen sich qualifizierte Buchhändler nun damit, Gartenzwerge und Kaffeebecher zu arrangieren oder Lego nach den richtigen Altersgruppen zu sortieren. Hätten sie uns mal gefragt. Die Inhaber der kleinen Buchläden hätten ihnen allesamt von Anfang an vorrechnen können, dass man mit Büchern nicht reich werden kann.
Es gibt einen Druckfehler auf Seite 125 in der letzten Zeile. Dort steht “selbstr” kann aber in der nächsten Auflage ausgebessert werden, denn diese wird kommen – ganz bestimmt – und vielen Leute die Augen für die beschwerliche und herrliche Arbeit der Buchhändler auch bei ihnen um die Ecke öffnen.
Warum der Rezensent Hans-Peter Siebenhaar im HANDELSBLATT Meine wundervolle Buchhandlung als “schön gebundene[s] Leinenbuch” lobt, ist mir nicht klar, denn es ist schön gestaltet, aber NICHT aus Leinen. Geschenkt.