Beim Bücherkauf verfalle ich in einen merkwürdigen Rausch, vor allem wenn es um vermeintliche Schnäppchen, also Restauflagen, Mängelexemplare o.ä., geht. Klassiker und große Autoren kaufe ich einfach. Will heißen mit der Rechtfertigung “Wollte ich schon immer mal lesen” greife ich zu, egal wie umfangreich, egal wie schlecht dem Ruf nach die Lesbarkeit; es handelt sich um Klassiker und eine Occasion und schon ist er der meine. Auszüge aus den Ergebnissen: Die Auslöschung von Thomas Bernhard (knapp 650 Seiten), Die Brüder Karamasow in 2 Bänden (über 1000 Seiten), Deutschstunde von Siegfried Lenz (570 Seiten) und so weiter und so fort. Wann soll ich die lesen?
Auf dem bekannten Stapel liegt aus diesem Grunde unter anderem auch Flegeljahre von Jean Paul und, hätte mir die Vernuft nicht Einhalt geboten, Stark wie der Tod und Bel Ami von Guy de Maupassant, und hatte nicht Arno Schmidt gerade 100. Geburtstag? Diese Autoren passen genau in das beschriebene Schema: Klassiker, alle drie mir bisher nur dem Namen und nicht dem Werk nach vertraut. Wenn ich nun aber ehrlich zu mir bin, würde ich es im Moment neben meinen ganzen anderen (Lese-)Projekten gar nicht schaffen mich nebenher in das umfangreiche Œuvre, und sei es erstmal nur ein umfangreiches Buch, einzuarbeiten. Bei meiner Lektüreauswahl habe ich Kriterien, die schwerer wiegen als “Von dem wollte ich schon immer mal was lesen”.
Nun bleiben mir zwei Möglichkeiten: dumm sterben oder Häppchen konsumieren. Aufgrund meiner Neurose nur halb gelesene Buch nicht ins Regal stellen zu können, fällt z.B. der Kauf einer Sammlung von Kurzgeschichten weg, außerdem wird bei solchen Ausgaben häufig auch noch der Wildwuchs einer Schriftstellerexistenz verwurstet, meine Zeit ist knapp und kostbar, da darf ruhig ein erfahrener Lektor vorher mal drübersehen und auswählen.
Endlich habe ich aber eine Lösung: die textura-Reihe des C.H.Beck Verlags, sowie die Insel-Bücherei. Meist um die 100 Seiten umfasst ein Band der jeweiligen Reihe und hüben wie drüben werden nicht nur dem Namen nach große, sondern erst einmal hervorragende Autoren verlegt. Während die Insel-Bücherei inzwischen weit über 1000 Bände herausgebracht hat, kamen bei textura von Beck bisher nur 40 Bände heraus. Dies liegt in erster Linie an einem Vorsprung von fast 100 Jahren, mindert aber nicht die Ambitionen der Reihe. Insel und Beck bringen klassischer und moderne Texte heraus und haben keine Scheu Goethe und Gernhardt (Insel) oder Platon und Jean Paul (Beck) nebeneinander stehen zu lassen. Wiederum andere Dichter werden vor dem Vergessen bewahrt: Haushofers Moabiter Sonetten bei C.H.Beck oder die Düsseldorfer Gemäldebriefe von Wilhelm Heinse bei Insel.
Besonderes Plus beider Reihen: wunderschöne Buchkunst! Insel etwas kleiner und handlicher mit Pappdeckel, Beck im größeren, fast im klassischen Taschenbuchformat mit Klappenbroschur.
Ich kann in die Werke großer Autoren hereinlesen und vor dem Kauf der dicken, großen Brüder entscheiden, ob mir Stil und Geschichten des Autors liegen. Dank des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz weiß ich, dass ich Flegeljahre irgendwann auch wirklich lesen werde, mit Hilfe von Dr. Gloss und die Seelenwanderung habe ich erfahren, dass de Maupassant tatsächlich angeschafft werden muss und aufgrund der Schwierigkeiten die ich mit TINA oder über die Unsterblichkeit habe, werde ich in nächster Zeit wohl nicht Zettel’s Traum erwerben, trotz 100 Jahre Arno Schmidt und grundsätzlichem Interesse.
Selbst bei schwerer Lesbarkeit wird einen das Interesse, ohne das man wohl nie ein Buch kauft, über die 100 Seiten tragen und man kann nur lernen, im schlechtesten Fall, dass man von diesem Autor in nächster Zeit, auch nicht bei einem Schnäppchen, keine Bücher kauft. Ist das überhaupt so schlecht? Also: Bitte greifen Sie zu!