Wie liest Du, Kerstin?

In „Wie liest Du?“ stellen in regelmäßig unregelmäßigen Abständen Kritiker, Autoren und Verlagsmitarbeiter, Blogger, Vielleser und Buchhändler ihre Art des Lesens vor. Hier geht es nicht um einzelne Inhalte, sondern vielmehr um die Technik sich ein Buch zu erarbeiten – den Akt des Lesens von außen betrachtet. Heute mit Kerstin Pistorius von Atalantes Historien, einem grandiosen Blog, auf dem die besprochenen Bücher alle ziemlich nah an meinem Geschmack sind. Wer von mir die Nase voll hat oder wer dies liest und noch nie auf Kerstins Blog war: sofort hier klicken!

1. Überspringst Du einzelne Stellen – gar Kapitel – oder liest Du ein Buch, wenn dann komplett?

Klar, auch ich habe schon Passagen übergangen, aber so etwas kann sich rächen. Ich erinnere mich bei „Die Entdeckung des Himmels“ den Prolog erst mal bei Seite gelassen zu haben, dadurch blieb mir Wesentliches zunächst verborgen. Vielleicht war es auch gar nicht so schlecht, die Lektüre war umso geheimnisvoller. Am Ende war ich schließlich so beeindruckt von dem Roman, daß ich den Prolog freiwillig nachholte.

Wenn mich heute während des Lesens ein starker Drang zum Galopp befällt, deute ich das als erste Aufforderung ganz raus zu springen.

2. Schummelst Du und springst vor, um das Ende schneller zu erfahren?

Nur wenn die Handlung schlicht und vorhersehbar ist, dann überprüfe ich, ob meine Prognose eintritt und vermeide weitere Zeitverschwendung. Zuletzt bei einem hochgelobten historischen Roman, dessen Titel ich verdrängt habe. Es liegt lange zurück und war irgendwas mit Säulen.

3. Nutzt Du Lesezeichen (immer dasselbe/andere?) oder legst Du ein Buch offen auf die Nase?

Alles ist möglich, ganz nach Stimmung. Ich schätze Lesebändchen. Bücher, die ohne daherkommen, müssen das nächstbeste zwischen ihren Seiten ertragen, Tempos, Tickets oder Teebeuteletiketten.

4. Liest Du Taschenbücher einseitig, wie ein Magazin, indem Du das Cover komplett umklappst?

Nö, ich lese auch Magazine nie so, außer beim Zähneputzen.

5. Liest Du lieber kurze oder lange Kapitel?

Inhalt kommt vor Form.

6. Markierst Du? Mit Bleistift, Marker, Klebezettel, einfach die entsprechende Seite umknicken oder schreibst du lieber Stellen raus?

Meine alten Bücher haben Bleistiftunterstreichungen und Notizen, bisweilen zur Freude derer, die das Buch nach mir lesen und mich darauf ansprechen. Manchmal kommt mir mein früheres Ich dann sehr seltsam vor.

In letzter Zeit sind Post-its meine Favoriten, aber nur die, die mehr als drei Romane überstehen.

7. Schaust Du ältere Lektüre nochmal nach markierten Stellen durch?

Nein, aber manchmal muss ich mich erklären, s.o. (auch das ein Argument für Post-its.)

8. Welches ist das (nichtwissenschaftliche) Buch, in dem Du am meisten markiert hast?

Wahrscheinlich Prousts Recherche, wenn ich sie eines Tages zu Ende gelesen haben werde.

9. Deine liebste markierte Stelle:

… befindet sich aktuell in Wilhelm Genazinos neuem Roman Bei Regen im Saal.

„Um leben zu können, musst du kaltblütig am Unverstandenen vorbeigehen und dich nicht nach ihm umdrehen.“

10. Benutzt Du einen eReader? Als Ergänzung zum Gedruckten – ausschließlich – gar nicht?

Seit einem Verlags-Projekt bin ich im Besitz eines Kindle. Nach kurzer Selbstbefragung, ob ich so etwas überhaupt nutzen will, freue ich mich inzwischen darüber, besonders in schlaflosen Nächten und auf Reisen. Ich bevorzuge allerdings die guten, alten Papierdinger. Eine unmarkierte Stelle finde ich in einem dreidimensionalen Buch viel leichter.

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Tilman berät als Rechtsanwalt Verlage, Autoren und andere Kreative im Urheber- und Medienrecht. Als Blogger hat er sich sowohl im Bereich der Literaturkritik als auch -vermittlung in der Branche einen Namen gemacht. Rechtsanwalt Winterling ist zudem als Jurymitglied (u.a. Hamburger Literaturförderpreise) und Moderator von Lesungen tätig, sowie gefragter Interviewpartner (u.a. Deutschlandfunk, Radio Eins), wenn es darum geht verständlich und unterhaltsam über rechtliche Themen und solche des Bloggens zu berichten.