Einige Theologen meinten: “Wir können nicht ausschließen, dass Jesus beschlossen hat, als Hoden auf die Erde zurückzukehren”
Xavier beschließt zum Judentum zu konvertieren. Doch nicht nur das, er will die Juden retten, diese am meisten missverstandene Religionsgemeinschaft der Welt trösten. Nur auf dem Weg dorthin muss er einige Hürden überwinden: Seine Familiengeschichte (der Opa war Vollblut-Nazi und ist für deren Ideologie gestorben), den Widerstand seiner Eltern und seine Unkenntnis in den Bräuchen der Juden. Er freundet sich mit Awrommele, dem Sohn des Rabbiners an, beginnt Jiddisch zu lernen und will sich beschneiden lassen. Leider geht die Beschneidung beim fast blinden Mohel gründlich schief und Xavier verliert nicht nur die Vorhaut, sondern später im Krankenhaus auch einen Hoden, den man ihm freundlicherweise in Alkohol eingelegt im Einmachglas überreicht, um die Trauerarbeit zu beschleunigen.
Sein Vater stirbt, der neue Freund seiner Mutter gesteht ihm seine Liebe, seine Mutter wiederum, dass sie ihn eigentlich bereits als Baby töten wollte, Awrommele und Xavier gehen eine Beziehung “ohne Gefühle” ein und Xavier beginnt Maler zu werden, malt aber immer nur seine Mutter mit König David, wie er seinen Hoden im Einmachglas inzwischen getauft hat. Abstrus? Die von Xavier und Awrommele geplante Übersetzung von Mein Kampf ins Jiddische? Abstrus!
Grünberg schafft es in atemberaubenden Tempo alle Klischees, alle Vorurteile und die gesamte Geschichte des Judentums auf den Kopf zu stellen. Der Leser hetzt nur so durch eine Erzählung, die mit beißender Ironie angreift, entblößt und entstellt ohne jemals verletzend zu sein. Neben allen verrückten Einfällen die Geschichte Adolf Hitlers auf den Tröster der Juden zu übertragen, schlummert in diesem Roman eine erschütternde Allegorie über das Erwachsenwerden, Politik, Geschichte und Macht.
Die Anbetung eines amputierten Hodens, ein schwuler, konvertierter Schweizer als Führer der Juden, eine Mutter die ein Brotmesser liebt und die Theorie, dass alles Böse der Vagina und alles Gute dem Anus entspringt – eine tragische Komödie, eine komische Tragödie, ich weiß es nicht; aber ein Buch, das ich in dieser Form noch nicht gelesen habe. Arnon Grünberg verstört und erfreut zu gleichen Teilen, dies in einem Buch, das dazu auch noch glänzend geschrieben ist und nur in der Mitte “kurze Längen” hat.
Er ist wieder da von Timur Vermes nur zehn Jahre früher geschrieben (warum man sich mit der Übersetzung ins Deutsche so lange Zeit gelassen hat?) und mit einem noch verrückterem Plot – was wenn nicht Hitler selbst wieder auftaucht, sondern ein junger Jude in seine Rolle schlüpft, Wien zu Amsterdam, Deutschland zu Israel wird und die Juden zu Nazis werden.