Who I am

who-i-am-memoir-peter-townshend-hardcover-cover-art_thumb.jpgWir stellen zuerst einmal fest, dass der Titel nicht so richtig in das Klassikergenre passt und damit auch nicht unbedingt zu den zuvor rezensierten Büchern. Aber Grenzen gibt es hier sowieso nicht und nirgends steht geschrieben, dass ich nur Klassiker besprechen darf. Natürlich darf ich mein Blog-Profil nicht zu sehr aufweichen, aber vieles kann man doch auch einfach als Klassiker deklarieren. The Who: Klassiker der Rockmusik, Pete Townshend: Klassiker der Gitarristen. Weiter:

Ich bin sowieso nicht allzu erfahren was das Schreiben von Rezensionen anbelangt. Meine “Methode” besteht bis lang immer darin einfach kurz den Inhalt wiederzugeben und dann so etwas wie persönliche Gedanken und eine Wertung. Aber wie rezensiert man denn eine Autobiographie? Ein Zusammenfassung der “Story” wäre wohl sinnlos, also belasse ich es bei einigen wenigen Worten zum Autor und Eckdaten zu seinem Leben + persönlichen Eindruck. Here we go!

Pete Townshend, Jahrgang 1945, Londoner, ist primär Gitarrist und Sänger der Band “The Who” bekannt. Für diese war er Hauptsongwriter und ist unter anderem Schöpfer eines der ersten Konzeptalben der Rockgeschichte “Tommy”, das u.a. mit Tina Turner und Eric Clapton erfolgreich verfilmt wurde und immer noch in zahlreichen Adaptionen überall auf der Welt gespielt wird (momentan z.B. in Bielefeld). Bekannt ist Townshend vor allem für sein aggressives Gebärden auf der Bühne, das Zerstören von Gitarren und sein rauhes Gitarrenspiel, das maßgeblich für die Entwicklung moderner Stile wie Hard Rock und Punk war.

In der vorliegenden Autobiographie schildert Pete sein ganzes Leben schonungslos und man hat das Gefühl, dass er nichts auslässt (ausgelassen hat). Selbstverständlich geht es während der wilden Jahre von “The Who” in den 60er und 70er was Sex, Drugs and Rock ‘n Roll angeht hart zur Sache. Doch Herr T. ist sich auch nicht zu schade neben den, größtenteils austauschbaren, Geschichten über Alkohol, Gras und Frauen sein Seelenleben zu offenbaren. Als junger Mann, der schnell zu Ruhm und Geld kommt, machen ihm doch immer noch die Traumata seiner Kindheit zu schaffen. So gaben ihn seine Eltern einige Zeit zu seiner Großmutter, die ihn nach Liebesentzug und sexuellen Übergriffen nachhaltig geprägt hat. Er schildert wie diese Erlebnisse Eingang in seine Musik gefunden haben und welche Arten der Kunst ihn prägten. Große Teile widmet er auch seiner spirituellen Prägung durch den indischen Guru Meher Baba und seiner Liebe zu Booten.
Nichtsdestoweniger steht aber die Geschichte seiner musikalischen Laufbahn, geprägt durch die musikalischen Eltern, im Vordergrund: Seine Anfänge auf dem Banjo und Klavier, erste Gehversuche mit verschiedenen Bands, “The Who” und deren kometenhafter Aufstieg, seine Soloprojekte.
Hier liegen auch die Stärken des Buches. Ich lese gern von den Verwicklungen und Verknüpfungen der Musiker untereinander zu lesen, so aber auch neue zu entdecken. Warum nicht zusammen mit Eric Clapton zu einem Konzert von den Beatles gehen? Warum nicht mit Jimi Hendrix streiten wer beim Gig zu erst spielt oder mit Mick Jagger über Bob Dylan diskutieren.
Pete Townshend hat nicht nur mit “The Who” großartiges für die Rockmusik getan, eine Entwicklung vorangetrieben wie nur wenige vorher, sondern auch durch seine, leider weniger bekannten Soloprojekte und Projekte mit anderen Musikern die Popmusik nachhaltig geprägt, früh die Bedeutung des Synthesizers erkannt oder die des Internets (tatsächlich einer der ersten Blogger). Interessant auch seine Ausflüge in die Welt des Verlagswesens, die Veröffentlichung eigener Kurzgeschichten, die Entwicklung seines Gitarrenstils, die Entwicklung und Nutzung neuer Aufnahme- und Wiedergabe-Techniken.
Trotzdem eignet sich dieses Buch, ich will fast sagen wie alle Biographien, nur für den bereits interessierten Leser. Will man nur einen kurzen Überblick über die Rockgeschichte gewinnen, eigenen sich sicher Kompendien sehr viel besser; ist man aber an den Geschichten hinter den Geschichten interessiert und kann sich, wie ich, für die Verknüpfungen wer mit wem auf welcher Session mal gejammt hat, begeistern, dann ist man hier richtig.

Etwas übertrieben finde ich dagegen den Klappentext der reißerisch die Autobiographie eines Mannes, der …
”… Keith Moon von einem Hotelbalkon in den Pool folgte und beinahe starb.
… zu viel kokste und beinahe starb.
… zu viel trank und beinahe starb.
… in einem Flugzeug auf LSD ein Out-of-Body-Erlebnis hatte und beinahe starb.”
Auch, dass er Eric Clapton half vom Heroin loszukommen, ist in dieser Deutlichkeit, so wie ich das gelesen habe, nicht der Fall (er hat ihn zweimal in der Zeit besucht und einer Freundin gesagt sie solle sich kümmern). Aber den Klappentext hat er wohl nicht geschrieben.

Alles in allem handelt es sich um eine interessante Autobiographie eines Mannes, der auch wirklich etwas zu erzählen hat. Sein Stil ist teilweise etwas sehr überladen und schwülstig, vergleicht man dieses Buch allerdings mit der Biographie des Herrn Clapton, geht es sprachlich runter wie Öl; sorry Eric.

Unbedingt empfehlenswert ist das Live Album der von Pete zusammengestellten Band “Deep End” u.a. mit Simon Philips (Toto) und David Gilmour (Pink Floyd)!

Kategorien Allgemein Rezensionen

Tilman berät als Rechtsanwalt Verlage, Autoren und andere Kreative im Urheber- und Medienrecht. Als Blogger hat er sich sowohl im Bereich der Literaturkritik als auch -vermittlung in der Branche einen Namen gemacht. Rechtsanwalt Winterling ist zudem als Jurymitglied (u.a. Hamburger Literaturförderpreise) und Moderator von Lesungen tätig, sowie gefragter Interviewpartner (u.a. Deutschlandfunk, Radio Eins), wenn es darum geht verständlich und unterhaltsam über rechtliche Themen und solche des Bloggens zu berichten.