In „Wie liest Du?“ stellen in regelmäßig unregelmäßigen Abständen Kritiker, Autoren und Verlagsmitarbeiter, Blogger, Vielleser und Buchhändler ihre Art des Lesens vor. Hier geht es nicht um einzelne Inhalte, sondern vielmehr um die Technik sich ein Buch zu erarbeiten – den Akt des Lesens von außen betrachtet. Heute mit Uwe Kalkowski von Kaffeehaussitzer.
1. Überspringst Du einzelne Stellen – gar Kapitel – oder liest Du ein Buch, wenn dann komplett?
Ich lese ein Buch immer komplett – oder breche es ab, wenn es mir gar nicht gefallen sollte. Jedes Buch hat seine Zeit und manchmal passt es einfach nicht zur momentanen Stimmung oder irgendetwas anderes ist nicht so, wie es sein sollte. Dann kommt es zurück ins Regal. Ich habe einige Bücher, die mir erst beim zweiten oder dritten Versuch gefallen haben. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man immer gut mit ungelesenen Büchern bevorratet ist – aber das sollte einen Buchmenschen ja nicht vor ein Problem stellen. Wenn mir übrigens ein Buch ganz und gar nicht gefällt, dann habe ich auch keine Skrupel, es einfach wegzuschmeißen. Das kann durchaus eine befreiende Erfahrung sein.
2. Schummelst Du und springst vor, um das Ende schneller zu erfahren?
Nie! Es ist mir schon passiert, dass ich auf die letzte Seite geschaut habe, um zu sehen, wie viele Seiten das Buch hat und mir dabei eine Formulierung ins Auge gesprungen ist, durch die man die Auflösung der Geschichte erahnen konnte – das hat mir das gesamte Lesevergnügen verdorben.
3. Nutzt Du Lesezeichen (immer dasselbe/andere?) oder legst Du ein Buch offen auf die Nase?
Aufklappt mit dem Buchrücken nach oben lege ich ein Buch nie hin! Es tut mir schon fast körperlich weh, wenn ich sehe, dass es so behandelt wird. Wenn ich ein Buch gelesen habe, könnte man es danach als neuwertig verkaufen – wobei ich nicht extra darauf achte, Bücher besonders pfleglich zu behandeln, das geschieht völlig unbewußt. Es ist einfach so. Nur eine Marotte habe ich tatsächlich: Es stört mich ungemein, wenn gebundene Bücher nach dem Lesen „schief“ gelesen sind. Also falte ich die Seiten wieder zurück, damit der Buchblock wieder gerade steht. Meine Freunde halten das für ein wenig wunderlich, aber damit kann ich leben. Und als Lesezeichen nehme ich immer das, was mir gerade in die Hände kommt, von Fahrkarten über Einkaufszettel bis zu (unbenutzten) Papiertaschentüchern. Da findet man manchmal auch nette Urlaubserinnerungen wieder.
4. Liest Du Taschenbücher einseitig, wie ein Magazin, indem Du das Cover komplett umklappst?
Aua.
5. Liest Du lieber kurze oder lange Kapitel?
Das ist mir vollig egal, jedes Buch ist anders. Manche Autoren wie z.B. Don Winslow arbeiten mit Kapiteln, die manchmal nur aus zwei Wörtern bestehen, andere Autoren packen epische Textlängen in die einzelnen Kapitel – wenn mich ein Buch fesselt, achte ich nicht auf den Kapitelaufbau.
6. Markierst Du? Mit Bleistift, Marker, Klebezettel, einfach die entsprechende Seite umknicken oder schreibst du lieber Stellen raus?
Beim Lesen habe ich immer einen Bleistift griffbereit und markiere Stellen: Wenn mir ein Satz besonders gut gefällt, wenn mich eine Stelle in diesem Moment besonders bewegt, bei Sachbüchern zentrale Aussagen zum Thema.
7. Schaust Du ältere Lektüre nochmal nach markierten Stellen durch?
Das mache ich sehr oft. Es ist manchmal wie eine kleine Zeitreise in die eigene Vergangenheit, wenn man liest, was man zehn Jahr zuvor als wichtig erachtet hat. Ich kann mich dann oftmals an die Situation erinnern, in der ich das Buch gelesen habe und was mir der Text in diesem Moment bedeutete.
8. Welches ist das (nichtwissenschaftliche) Buch, in dem Du am meisten markiert hast?
„Die Schlafwandler“ von Christopher Clark. Oder ist das jetzt ein zu wissenschaftlicher Titel? Ich finde nicht, es läuft eher unter populäres Sachbuch. Um es nach der Lektüre in meinem Blog zu besprechen, habe ich mir eine Menge Notizen gemacht und Stellen markiert. Das Thema des Buches ist so komplex, dass ich ohne diese Markierungen Mühe gehabt hätte, die 720 Seiten über politische Verstrickungen in einem Blogbeitrag mit knapp 1.200 Wörtern zusammenzufassen und zu bewerten. Ein Bild davon liefere ich mit und wer wissen möchte, was dabei herausgekommen ist, bitte hier entlang.
9. Deine liebste markierte Stelle:
Die gibt es, eigentlich sind es zwei und ich kann mich nicht entscheiden, welche mir mehr bedeutet. Zu diesem Thema gibt es in meinem Blog eine eigene Rubrik, sie heißt „Textbausteine“. Die Textstellen, die ich meine, sind von Oscar Wilde und von Franz Kafka. In „Das Bildnis des Dorian Gray“ habe ich einen der wunderbarsten Sätze gefunden, den ich kenne. Und in Kafkas Erzählung „Die Fürsprecher“ gibt es eine Stelle, die mich das positive Denken schlechthin gelehrt hat. Ja, wirklich von Franz Kafka.
10. Benutzt Du einen eReader? Als Ergänzung zum Gedruckten – ausschließlich – gar nicht?
Ich lese und arbeite den ganzen Tag mit Texten am Bildschirm. Ich liebe die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation und des Sozialen Netzes. Und ebenso liebe ich gedruckte Bücher. E-Books machen mir keinen Spaß, aber ich finde es praktisch, mir eine Leseprobe aufs Smartphone oder iPad herunterzuladen, um einen Eindruck von einem Buch zu bekommen, bevor ich es mir in einer Buchhandlung kaufe. Und zwar ausschließlich dort. Aber das ist noch einmal eine ganz andere Geschichte.
Uwe Kalkowski bloggt auf Kaffeehaussitzer über Bücher, Photos und Texte.