Ja, aber nein, aber ja. Aber nein.
Dass dieses Werk nicht einfach nur ein weiteres Buch irgendeiner Feministin sein soll, macht Suhrkamp bereits auf dem Cover deutlich. In BILD-Rot und Bundeswehr-Grün schreit der Titel nach ungeteilter Aufmerksamkeit. Selbige fordert die Autorin auch auf den folgenden 145 Seiten, mit denen sie nichts Weiteres erreichen will, als die Welt zu revolutionieren, sich aber irgendwie in ihrem Aufbegehren regelmäßig selbst ein Beinchen stellt.
„Sind Sie Feministin?“ Mit dieser simplen Frage eröffnet Jessa Crispin ihr Manifest. Kurz darauf erklärt sie direkt, dass sie die Bezeichnung als Feministin für sich „wegen all der schlechten Feministinnen (…), wegen all der Feministinnen, die ständig Schwänze lutschen, als wäre dies Teil der missionarischen Arbeit“ ablehne. Sie kritisiert den modernen, den „universalen“ Feminismus, der zu einer Art Lifestyle geworden ist, der es allen Recht machen wolle und dabei das Radikale verloren habe. Dazu zählt sie noch einen Haufen weiterer Argumente auf, die polemischer nicht sein könnten. Womit wir direkt beim Kern und gleichzeitigen Problem des Manifestes angelangt wären. Jessa Crispin bringt immer wieder gute Argumente vor, die man beherzt unterschreiben würde, um wenige Sätze später Schlüsse zu ziehen, die einen entweder nur stutzen oder, was häufiger der Fall ist, irritiert das Buch weglegen lassen, um durchzuatmen.
So schreibt sie: „Was einst als unschick galt, ist jetzt extrem schick geworden.“ Wenn man an überteuerte Mode-Shirts mit dem vergoldeten „Feminist“-Schriftzug denkt, dann ist ein Nicken unvermeidbar. Dass es auch „immer eine kleine Anzahl radikaler, engagierter Frauen, die die harte Arbeit auf sich nahmen“ war, könnte so ebenfalls stimmen, wenn sie hier nicht direkt problematisch vorgehen würde.
Sie klammert bei ihrem Wunsch nach einer Revolution für Alle von Anfang an eine wichtige Gruppe aus: Trans- und nicht-binäre Menschen. Dies tut sie im gesamten Buch, die Belange von Trans-Menschen kommen bei ihr gar nicht vor, mit der Bezeichnung Frauen meint sie durchweg Cis-Frauen. Gendergerechte Sprache sucht man in diesem feministischen Manifest vergeblich.
Wohlgemerkt erwähnt sie, dass es der "weiße Feminismus" sei, auf den "viele Ziele des Mainstream-Feminismus (...) zugeschnitten" würden. Minderheiten hätten wenig von den Forderungen. Das stimmt. Aber Lösungen für das Problem zählt sie nicht wirklich auf. Und, dass es mittlerweile eine ganze Reihe von intersektionalen Feminist*innen gibt, die sich dieser Probleme angenommen haben und um Aufmerksamkeit kämpfen, klammert Crispin auch geflissentlich aus.
Sie stellt weiterhin fest, dass „wir selbst in die Rollen von Patriarchen“ geschlüpft seien, „um in einer patriarchalen Welt erfolgreich zu sein“. Sie argumentiert, dass Frauen sich "umgestalten" mussten, um dem zu "entsprechen, was Männer an Frauen schätzen".
Ja, aber nein. Dem kann man so zustimmen, dennoch lässt es sich nicht einfach pauschalisieren. Sich bestimmter Verhaltensweisen zu ermächtigen, um ein Ziel zu erreichen, sollte nicht von Vornherein verdammt werden. Dass es oft keinen anderen Weg gibt, um sich durch zu boxen, ist für sie nur eine Ausrede.
Sowieso pauschalisiert sie durchweg und schreibt kategorisch von "wir": "Wir verwenden Begriffe wie 'toxische Maskulinität', reden arglos von 'Testosteron-Problemen' und wären gleichzeitig entrüstet, wenn Männer in ähnlicher Weise von 'Östrogen-Problemen' sprechen würden". Tatsächlich wird dies aber getan. So werden (Cis-)Frauen reihenweise gefragt, ob sie ihre Tage haben, wenn sie gereizt sind und Emotionalität wird ebenso häufig mit Ver-weiblichung und den vermeintlich dazugehörigen Hormonen in Verbindung gebracht. Crispin fährt fort mit der Forderung nach dem Begriff der "toxischen Feminität" und behauptet fälschlicherweise "toxische Maskulinität" würde für "angeboren" gehalten. Tatsache ist, dass "toxische Maskulinität" in feministischen Kreisen als etwas sozial Antrainiertes definiert wird, nicht als etwas Gegebenes.
Sie bemängelt später zu recht, dass feminine Attribute wie Fürsorglichkeit und Zärtlichkeit als schlecht angesehen werden und fordert, "dass sowohl Männer wie Frauen sie als wertvoll begreifen." Genau dies wird aber schon seit langem von Feminist*innen gefordert. Genau dies ist es, was durch "toxische Maskulinität" verhindert wird.
Kurze Zeit darauf meint sie, "dass die Verteufelung weißer heterosexueller Männer demselben Schema der Voreingenommenheit und des Hasses folgt, das auch Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Homophobie zugrunde liegt.“ Sie gibt die Möglichkeit an, dass "sie nicht als Sexismus gelten" muss, "weil sich dahinter keine institutionalisierte Macht verbirgt, aber sie folgt derselben trägen Denkweise (...)." Sie wolle Männer nicht "vor diesem Hass schützen", aber die Frauen davor, "in diese Falle der Trägheit zu tappen."
Ja, aber nein. Für sie ist jahrhundertelange Geschichte und die Erfahrung zahlreicher Generationen nicht ausreichend, um mit weißen (Cis-)Männern ein Problem zu haben. "Not all men" hört man ganz leise zwischen den Zeilen rufen.
Wenn sie zwischen all der Polemik auch noch von "vermeintlichen Vergewaltigungen" redet und meint, dass Gloria Steinem von der CIA finanziert werde, schwindet die Glaubwürdigkeit ebenfalls schnell. Das Aluhütchen lässt grüßen. Medien sind für sie "allesamt von Grund auf und institutionell rassistisch, homophob, fremdenfeindlich und sexistisch".
Es braucht Texte und Bücher, die zum Nachdenken anregen, die Diskussionen aufmischen und Diskurse hinterfragen. Crispin selbst sagt, dass "abweichende Meinungen und Kritik (...) absolut notwendig" sind, damit sich "eine Situation verbessern soll". Gleichzeitig müssen aber auch Vorschläge und Lösungen erarbeitet und angeboten werden. Dies geschieht in "Warum ich keine Feministin bin" aber nur in phrasenhaften Verallgemeinerungen. Sie gesteht, dass sie "mehr Fragen als Antworten" hat. Darauf kann man jedoch kein Manifest bauen.
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