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Kritik

Aparte Paragraphen

Astrid Nischkauer jongliert mit Parasiten
Hamburg

Zum fünfzehnjährigen Verlagsjubiläum gönnt sich die Parasitenpresse aus Köln einen haarspalterisch schmalen, jedoch überaus lustigen Band, in dem Astrid Nischkauer mit dem Begriff „Parasit“ spielt (kleinen, anmutig über die Seite verteilten Sternchen, die eine Konstellation ergeben, ein Cluster aus Verweisen auf keine Fußnoten) und ihn zu gleichen Teilen in bildliche Vorstellung und in sprachliche Dimension aufspaltet, so daß sich die griechische Vorsilbe „para“ mit ähnlich anlautenden Wörtern verbinden kann.

Das griechische Wort „parásitos“ bedeutet wörtlich „mit-speisend“ und bezog sich zunächst auf „eine Priesterclasse, welche bei gewissen Opfern mitzuspeissen das Recht hatten“ (Franz Passow) — später erst erhielt das Wort die heute nur noch bekannte pejorative Bedeutung „Schmarotzer“. Man darf deshalb nicht vergessen, daß Parasiten in der Regel hochspezialisierte Lebewesen sind. Die griechische Präposition „pará“ weist auf die Nähe zu etwas hin, und so sind die Parasiten dieses Bandes kleine, unscheinbare Lebewesen, die sich einem aufdrängen, in die Gehirnwindungen einnisten, um dort ihren Schalk zu treiben. Ja, vielleicht sollte und muß man sie als mit Narrenkäppchen versehene Boten des Großen Gedichts betrachten. Auf jeden Fall symbolisieren sie hier, was das Gedicht ausmacht: Paradox und Befragung, Wortlust und Silbenspaß.

Frisch gepreßt in Druckerschwärze, wie sie zuvor aus dem Hirn gepreßt wurden, huschen die jeweils nur wenigen Zeilen bzw. Wörter rückwärts und vorwärts über die Seite. Mit dem Stichwort „Paralogie“, das Nischkauer einmal nonchalant einwirft, ist der Bedeutungswandel benannt, das Wandeln von Stern und Wort, irgendwo im Niemandsland von Dada und Tiefsinn. Drollig, kurzweilig, womöglich sogar paranormal? Das Gedicht also „neben“ der Spur. Im Grenzbereich. Zwischen Sinnen, Unsinn und Verstand. Oder paragleitend zu neuen Ufern? Oder, in einer wilden Mischung aus Latein und Griechisch: das Gedicht als Para-sit, als Sei-bei-uns, als frommer Wunsch und Fluch zugleich?

Wie dem auch sei: Sollen die Gedicht-Parasiten hübsch an der Wirklichkeit schmarotzen! Die Dichter knobeln weiter an ihnen, ob ihr Paradox nun gelöst ist oder „immer noch ungelöst“...

Astrid Nischkauer
frisch gepresste Parasiten
parasitenpresse
2015 · 14 Seiten · 6,00 Euro

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