Unerschrocken und unbeeinflusst von den Meinungen und Launen der Masse
Zum Beispiel Peter Labellière: „Er wird als christlicher Patriot und Weltbürger bezeichnet, der seine Kritik am Verhalten unseres Planeten dadurch zum Ausdruck brachte, dass er in seinem Testament bestimmt, man möge ihn mit dem Kopf nach unten begraben, 'damit', so erklärte er, 'da ja die Welt auf den Kopf gestellt sei, er so begraben war, dass er zuletzt recht behielt.'“ Oder Margaret MacAvoy, die zwar blind war, aber Farben „durch die Berührung ihrer Finger unterscheiden“ konnte. Oder Mr. Parr, der sich das Heiraten angewöhnte: Mit 80 Jahren heiratete er zum ersten Mal. „Dennoch gab es eine Gelegenheit, wo er – zweifellos aufgrund eines Versehens – öffentlich Buße tun musste, weil er mit einhundertundfünf Jahren diese Zeremonie umgangen hatte.“ Als er mit 120 noch einmal heiratete, schenkte ihm seine Frau, Catherine Milton, ein Kind: „Zu dieser Zeit seines Lebens 'war er mit Dreschen und anderen hausväterlichen Arbeiten beschäftigt', und sein Porträt zeigt den recht noblen vom Wind zerzausten Kopf und Bart eines Jupiter des Waldes, schrundig und braun wie der Stamm eines Feigenbaums.“
In manchen Ländern sind Exzentriker eine kleine Minderheit. In England scheint es der Normalzustand zu sein. Zumindest, wenn man das hübsche Büchlein von Edith Sitwell liest. In spürbar guter Laune und in einem poetischen, bildhaften Stil, der die (bei uns leider unbekannte) Lyrikerin verrät, listet sie einige der seltsamen Menschen auf und ihre Spleens. Wie die Mode, die es einmal unter den Adeligen gab, sich einen „Schmuck-Eremiten“ zu halten (diese Mode gab es in abgeschwächter Form übrigens auch auf dem Kontinent, inklusive dem Bau einer Grotte, wo der Eremit leben musste). In England meinten der Adel, nichts „könne das Auge derart entzücken, wie der Anblick eines älteren Mannes, der mit einem langen grauen Bart, in einem zottigen härenen Gewand, durch die Unbequemlichkeiten und Annehmlichkeiten der Natur taperte.“ Was musste er noch tun für sein Gehalt? Er musste bereit sein, „sieben Jahre in der Eremitage zu bleiben, wo er mit einer Bibel, einer Brille, einer Fußmatte, einem Strohsack als Kissen, einem Stundenglas als Zeitmesser, Wasser als Getränk und Nahrung aus dem Haus versehen werden sollte.“ Haare, Bart und Nägel durfte er sich auf keinen Fall schneiden, nicht mit den Dienern reden und nicht vom Grundstück verschwinden. Einer von ihnen, auch ein uralter Mann, „war unrettbar für alles Symbolische eingenommen und besaß zwölf Gewänder, damit jedes ein 'abseitiges Motto darstellen' konnte“, zum Beispiel hatte das Gewand mit dem Namen „Sonderbare Käuze“ das Motto „Ohne, Geld, ohne Freunde, ohne Kredit.“
So streift Sitwell alle möglichen Seltsamkeiten, denen sich die Adeligen hingeben, Lord Rokebys Speisezettel und seine Abneigung gegen Ärzte, die Idee von Mrs. Celestina Collins, „dreißig Stück Geflügel in ihrem Bett oder auch zwischen ihren Küchenmöbeln schlafen zu lassen“; oder sie erzählt von Jimmy Hirst, der ritt zur Jagd nicht mit Hunden, sondern mit einer „Schar lebhafter und pfiffiger Schweine, die alle auf einen Namen hörten und ihren Dienst tadellos versahen“.
Was aber auf den ersten Blick aussieht wie eine etwas bösartige Sammlung von Absonderlichkeiten, über die sie sich lustig macht, wird nach und nach und subkutan zu einer Hymne auf ein Leben außerhalb der Norm. Vieles davon kennen wir inzwischen selbst: Abneigung gegen Ärzte oder ein besonderer Speisezettel – das ist inzwischen fast normal geworden bei all den Homöopathen und Veganern. Aber Sitwell zeigt insgesamt, dass wirklich alles möglich ist, dass wir uns nur trauen müssen, aus der Langeweile des „Erwachsenen“ auszubrechen, dass wir auch Kind sein können. Dass es möglich ist, sein Leben anders zu gestalten als mit einer Arbeit von 9 bis 5, und danach der Abend vor dem Fernseher.
„Exzentrik ist nicht“, wie Sitwell einmal schrieb, „wie langweilige Leute uns glauben machen wollen, eine Form von Verrücktheit, sondern oft eine Art unschuldiger Stolz. Geniale und aristokratische Menschen werden häufig als exzentrisch betrachtet, weil das Genie wie der Aristokrat vollkommen unerschrocken und unbeeinflusst sind von den Meinungen und Launen der Masse.“
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