Die flüchtigen Spuren der Vergangenheit
„J. Monika Walther schreibt eine sozial engagierte Poesie“, sagt die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Roters-Ulrich über die jüdisch-protestantische Dichterin, die in Leipzig und Berlin aufwuchs und seit Mitte der Sechziger im Münsterland und den Niederlanden wohnt. Ihr neuer Gedichtband „Windblüten Maschendraht“ ist unlängst in der Edition Haus Nottbeck erschienen, die insbesondere der aktuellen westfälischen Lyrik ein Forum bieten soll und vom Westfälischen Literaturmuseum betreut wird. Seit den Siebzigern schreibt und veröffentlicht Walther sowohl Lyrik als auch Prosa neben über achtzig Hörspielen, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde, und immer wieder ist dabei ihr Kernthema die deutsch-deutsche Geschichte, der Holocaust und die Spuren der Historie, die sich allerorten manifestieren.
Es ist eine Lyrik, der das Erinnern immanent ist, das Aufspüren dessen was war und der Narben von Wunden, die gerade erst verheilt sind oder nie richtig verheilen werden. Das Augenscheinliche ist ein Idyll unter dessen dünner, fragiler Oberfläche das Verderben lauert, das sich tief in die Seele frisst. Die Kriegsbilder sind stets präsent wie eine schimmernde Zeitfolie die sich über eine Landschaft legt, in der der Regen längst alles Blut weggewaschen hat: „Die Soldaten senken / ihre Arme. Die Nelken sind rot“ heißt es in „Himmelsleiter“, während das stakkatohafte, bedrängende Gedicht „Himmelfahrtstransport“ den ganzen Irrsinn des Hitlerkrieges in knappen Versen durchexerziert, von denen jeder einem Schuss gleicht, der nie verhallen wird.
Immer wieder ist es ein Nebel, ein Schleier, ein sanfter Wind oder Lichtschein, der ins Jetzt hereinbricht und uns erinnert, dass das Vorfindliche nicht alles ist, dass ein Bewusstsein sich in mehreren Zeitebenen bewegt und der Schmerz und das Schreckliche auch dann vorhanden sind, denn man sie nicht unmittelbar spürt. Zugleich scheinen diese Gedichte eine Reise zu sein, die tief ins Biographische führt und jeden Ort nach all dem abklopft, was gewesen ist: Aus einem oft grauen, faden Alltag hinaus in etwas, das noch wesentlich unangenehmer ist. Alle Wege führen in eine Richtung, und die Suche nach der Erlösung scheitert stets an der nackten Realität, die uns nicht ruhen lässt.
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