Die Zwillingin und andere Geschichten
Der Literaturblog „Duftender Doppelpunkt“ bearbeitet ein breites Feld zwischen Literatur und Wissenschaft, organisiert Gedenkveranstaltungen, bietet im Literatursalon und in der Literaturwerkstatt Schreibanleitungen für junge AutorInnen, verweist auf Verlage und Rezensionen und vieles mehr. Zum zweiten Mal veranstaltete der Blog aber auch einen Literaturwettbewerb und wieder stand die Arbeitswelt im Mittelpunkt; in der ersten Phase des Bewerbs beteiligten sich 212 AutorInnen mit 334 Texten. Unter dem Titel Wir rufen auf! Penner, Fleischwölfe und arbeitsscheues Gesindel liegen jetzt die Texte der Preisträger der verschiedenen Stufen des Wettbewerbs auch in Buchform vor.
Das Besondere des Preises besteht nämlich darin, den PreisträgerInnen der ersten Einsendung MentorInnen beizustellen, erfahrenere AutorInnen, mit denen sie gemeinsam an weiteren Texten arbeiten. Auch diese Geschichten versammelt der Band wie auch die Beiträge der MentorInnen zum gleichen Thema. Hinzu kommen die Preisträgertexte des heuer erstmals durchgeführten Twitter-Preises, bei dem – ebenfalls zum Thema Arbeitswelt – Kürzestgeschichten, die höchstens wie bei Twitter üblich 140 Zeichen umfassen.
So vielfältig und vielschichtig der Preis selbst ist, so unterschiedlich sind die versammelten Autorinnen und Autoren und ihre Texte. Dabei experimentieren sie mit Sprache und Stil, wie etwa Wilhelm Hengl mit seinem an Trakl erinnernden Titel Die Zwillingin. Die Themenvorgabe wurde meist interpretiert als eher feindliche Umgebung mit rechtelosen Arbeitern in einer globalisierten, kapitalistischen und individuenfeindlichen Arbeitswelt. Etwa bei Anna-Katharina Pelkner (Zerschnipselt): „Die Arbeitsmonade kommt für sich alleine auf. Und klar. Sie kommt alleine klar. Als Arbeitssammlerin und Jägerin. Unterwegs und hinterher den Hungerlöhnen.“ (S. 68)
Das Verlagsinfo sagt es so: Die Menschen in diesem Buch "entlarven 'coole' Wortschöpfungen, die ihnen den Ausverkauf ihrer sozialen Rechte schmackhaft machen sollen, als Management-Floskeln. Sie verlieben sich und werfen mit Ausdrücken aus dem Wirtschaftsenglisch um sich... Sie erkennen, wie schmal der gesellschaftliche Grat zwischen arbeitslos und arbeitsscheu ist. Sie werden, in Arbeitsvermittlungsinstitutionen aufgerufen, zur Nummer. Sie lassen sich vom Schönreden der Bezeichnung Penner nicht blenden. Und sie stellen fest, daß hinter dem 'aufgeblasenen' Meat-Grinder nichts anderes steckt als der 'gute alte' Fleischwolf."
Wir rufen auf! bietet eine kurzweilige und abwechslungsreiche Lektüre zu einem Thema, das ansonsten in der Literatur eher stiefmütterlich behandelt wird. Gerade in Zeiten des Wallstreet-Protests und seinen Ausläufern in der ganzen Welt lohnt vielleicht ein anderer Blick auf die Mühen und Modi der Arbeitswelt.
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