Kritik

Nicht jede kann einen guten Krimi schreiben.

Die Georg-Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff verärgert mit „Killmousky“
Hamburg

Geht's noch platter? Der ehemalige Kommissar Richard Ellwanger wird zwangspensioniert, weil er einem Kindesentführer Folter angedroht hat. Seine nette Vermieterin lädt ihn nach New York ein, wo sie ihm einen sehr lukrativen Auftrag als Privatdetektiv verschafft: Vicky, die schüchterne und wenig attraktive Tochter eines sehr reichen Mannes, Howard Clayton Trevillyan, der ihm Rollstuhl sitzt, ist gestorben, mit Schlaftabletten vollgestopft von der Dachterrasse gefallen. Catherine ihre  attraktive und nymphomane Schwester, hilft Ellwanger bei den Ermittlungen, die sich auf den schönen Schwiegersohn konzentrieren, Paul Henrik Larson. Der soll ein Deutscher sein, ein ehemaliger Schulkamerad aus Gerabrunn, will ihn erkannt haben. Dieser Schulkamerad verschwindet aber dann spurlos. Ellwanger schläft mit Catherine, fährt ein wenig in der Gegend umher, recherchiert auch in Deutschland, lässt sich dann von seinem Hauptverdächtigen einladen, der ihm die ganze Geschichte erzählt bzw. bestätigt und dann von Catherine erschossen wird. Und Ellwanger lässt den Totschlag wie einen Einbruch mit Todesfolge aussehen und fliegt mit einem dicken Scheck wieder zurück in seine kleine Wohnung, zu seinem Kater Killmousky.

Nein, sehr viel platter geht es nicht. Schon gar nicht auf 224 Seiten im eher großformatigen Druck. Dabei ist Konstellation ebenso wie der Schluss eine Anspielung auf „The Big Sleep“ von Raymond Chandler und einigen anderen klassischen Krimis. Oder es ist geklaut. Oder ist das alles ironisch? Unwahrscheinlich.

Nun gut, nicht jeder kann eine Krimistory ordentlich plotten, dass es nicht langweilig wird. Aber noch viel ärgerlicher ist, dass die Georg-Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff plötzlich auch keine Sprache mehr hat. Hat sie etwa gedacht: „Ach, bei Krimis ist es ja nicht wichtig“? Sie, die manchmal die feinsten Nuancen zwischen Traum und Wachen, Geistererscheinungen und Realität heraufbeschwören kann? Und war kein Lektor in der Nähe?

Offenbar nicht. Anders kann man sich weder die dünne Geschichte erklären noch die armselige, oberflächliche, unsinnliche Sprache voller Redundanzen, mit der Lewitscharoff erzählt und Ellwanger, seine Gedanken und New York beschreibt. Ellwanger sieht die Baustelle, wo das World Trade Center stand: „Natürlich waren Ellwanger die dramatischen Bilder eingebrannt, die damals um die Welt gingen.“ Ellwanger trifft sich mit Catherine, die ihn chauffiert hat: „Urplötzlich kam er sich wieder wie ein richtiger Mann vor, und das hatte er auch bitter nötig, denn ein Abend mit komplizierter Dame stand ihm bevor, die, das musste er zugeben, mehr als einfach nur gut aussah. Und die, was ihre Fahrkünste betraf, zwar seine männliche Fürsorge bitter nötig hatte, sonst aber ohne weiteres entbehren konnte.“ Catherine zog ihn in ihr Hotelzimmer: „Als sich die Tür hinter ihnen schloss, fing für ihn ein Leben an, das er noch nicht kannte.“ Für solche Sätze sollte Lewitscharoff unbedingt den Hedwig-Courths-Mahler-Preis bekommen. Eine Dame in New York heißt ausgerechnet Dorothy Parker, Ellwanger war einmal „drauf und dran zu schnurren“, als es ihm gut ging, und ständig kommt ein „Gehäus“ vor (statt „Haus“ – Achtung, auch das ist eine Anspielung).

Die ganze Konstruktion ist so hilflos und klapprig, dass beim ersten Treffen Larson den ihm unbekannten Ellwanger heimlich mit einem „scharfen Blick“ betrachtet und dabei natürlich von Ellwanger ertappt wird, sodass man als Leser den Täter dann schon kennt. Und dann ist das Buch auch noch ziemlich humorlos. Nur einmal muss man herzhaft lachen: Wenn man im Klappentext liest, dieses Buch sei ein „funkelndes sprachliches Meisterwerk“.

Sibylle Lewitscharoff
Killmousky
Suhrkamp
2014 · 223 Seiten · 19,95 Euro
ISBN:
978-3-518-42390-5

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