Von und mit Özlem Özgül Dündar
Selbstgespräche, da kenn ich mich aus!
Özlem Özgül Dündar, © Dinçer Güçyeter
Jetzt ist es doch ein bisschen seltsam, die Situation. Als du mir gesagt hast, dass du ein Interview machen möchtest, dachte ich „voll cool“ und habe mir so vorgestellt, dass du natürlich Fragen stellst und ich irgendwas dazu antworte. Und dann hatte ich mir schon überlegt, was das für Interviews sind und so. Und dann hast du aber gesagt, dass deine Reihe Literarische Selbstgespräche heißt und da dachte ich: „Ah, wie super, weil Selbstgespräche, da kenn ich mich aus!“. Es gibt ja viele Menschen, die das wahrscheinlich komisch finden, aber ich führe halt selbst Selbstgespräche, schon immer, seitdem ich klein bin und irgendwie denken kann. Ich weiß gar nicht, wann ich damit angefangen habe. Ich glaube, sobald ich angefangen habe zu reflektieren, habe ich wahrscheinlich auch mit Selbstgesprächen angefangen. Oder, ja, also vielleicht in dem Alter, wo man so ein bisschen auch alleine Sachen macht, unabhängig von seinen Eltern. Deswegen kenne ich mich ganz gut mit Selbstgesprächen aus. Und ich finde, das ist auch so was, das passt voll gut zur Literatur. Weil das ja auch so eine Art Selbstgespräch immer ist, Literatur. Man hat halt so ein bisschen eine schizophrene Grundsituation bei Literatur. Entweder erzählt man irgendwem was, der nicht da ist. In Form von einem Text, aber man erzählt es ja trotzdem. Und wenn man das im Geiste durchgeht, oder sich mal selbst laut vorliest, dann ist das ja schon irgendwie eine Situation, die nicht so ganz normal ist. Oder auch, man hat ein Du, oder ein Er, oder ein Sie, das man anspricht, oder auch ein Wir, also multiple Persönlichkeiten, und das passt daher eigentlich voll gut zur Literatur, Selbstgespräche. Deswegen fand ich das eine gute Idee, mit dieser Form von Interview.
Und ich glaube, das hat auch viel damit zu tun vielleicht, dass ich schreibe. Weil ich in meinem Kopf eben auch viele fiktive Figuren habe, schon immer. Und auch manchmal Menschen, die real existieren, zu denen ich im Selbstgespräch spreche, aber auch oft erfundene Menschen, die nicht in der Form existieren. Und ich habe das schon immer gehabt, dass ich so Geschichten in meinem Kopf habe. Und dann spinne ich eine Geschichte weiter und dann fängt sie immer wieder von vorne an und immer wieder von vorne und jedes Mal ändere ich die Geschichte ein wenig. So suche ich die perfekte Version, die mir am besten gefällt. Wenn ich die perfekte Version hab, dann ist die Geschichte abgeschlossen und ich gehe zu einer anderen über. Und das ist schon so ein bisschen, glaube ich, auch eine Form von Überarbeiten. Und das habe ich schon sehr früh angefangen zu machen. Und das ist Teil dieser Selbstgespräche, eigentlich, dass man so Geschichten spinnt im Kopf, mit Leuten, mit Figuren. Manchmal bin ich beteiligt, manchmal nicht. Meistens sind es einfach Figuren unabhängig von mir. Daher finde ich das sehr passend und gut. Ja.
Das ist echt ein bisschen seltsam, dass du überhaupt nichts sagst.
Ja. Genau. Und ich glaube, dass ich auch so ein bisschen zum Schreiben gekommen bin, weil ich halt auch oft Geschichten, oder Filme, die ich gesehen habe, dann einfach weitergesponnen habe für mich, weil ich nicht wollte, dass sie da aufhören, wo sie aufhören. Und manchmal war das auch so, dass ich ab der Mitte, ab einem bestimmten Punkt irgendwie mir eine andere Version für die Geschichte überlegt habe, wenn mir irgendwas nicht gefallen hat, oder so. Irgendwann habe ich dann halt auch angefangen, zu schreiben. Das kam auch schon relativ früh, so mit zehn habe ich angefangen zu schreiben. Aber eigentlich habe ich nicht angefangen zu schreiben, und irgendwann wollte ich Autorin werden. Sondern eigentlich wollte ich erst Autorin werden und dann habe ich geschrieben. Seltsamer Weise. Aber durch das Selbstgespräch war das „Schreiben“ ja schon vorher die ganze Zeit da, bevor ich tatsächlich geschrieben habe. Genau. Dann habe ich halt zuerst Prosa geschrieben. Und habe damals dann gedacht, weil ich ja das irgendwie an den Beruf des Schriftstellers/der Schriftstellerin geknüpft habe, dass ich Romane schreiben muss. Ich war so zehn und wollte dann einen Roman schreiben. Und dann habe ich angefangen zu schreiben und habe festgestellt, dass ich ja eigentlich über mich schreibe. Aber das passte nicht so in dieses Berufsbild „Schriftstellerin“, weil ich dachte, man muss Geschichten erfinden und nicht über sich selbst schreiben. Mein eigenes Leben fand ich auch nicht so spannend. Und dann dachte ich so: „Ach, Özlem, du schreibst ja irgendwie über dich, das ist ja voll langweilig, du musst über andere Leute schreiben, du musst Geschichten erfinden!“ Und das hab ich dann irgendwie nicht hingekriegt und dann habe ich gedacht: „Hm, das kannst du irgendwie nicht, das mit dem Roman.“ Und dann fand ich es sprachlich auch nicht gut, was ein bisschen seltsam ist im Nachhinein, wenn man denkt, dass ich irgendwie so zehn, elf war und das nicht gut fand.
Und dann hab ich erst mal aufgehört für eine Weile mit dem Schreiben. Und dann hab ich halt Tagebuch geschrieben und so. Und dann irgendwann kam Lyrik. Und ich hab tatsächlich gestern, wie du mich angesprochen hast für dieses Interview, nochmal überlegt, wie das mit der Lyrik war. Weil, ich habe nicht einfach angefangen, Lyrik zu schreiben, sondern eine Freundin von mir, die wollte unbedingt Gedichte mit mir schreiben. Und ich dachte so: „Ah, ich will jetzt keine Gedichte schreiben, was soll ich denn mit so was?“ Und dann haben wir angefangen, Gedichte zu schreiben, weil sie unbedingt wollte. Und ab da habe ich dann auch Gedichte für mich selbst geschrieben, das hat mich dann irgendwie gepackt. Vor kurzem haben wir über kollektives Schreiben gesprochen in einer Runde mit Autoren und Autorinnen und ich dachte so: „Ah, ich hab noch nie kollektiv geschrieben!“ Und jetzt musste ich an diese erste Hinführung sozusagen denken, das war eine kollektive Schreiberfahrung. Und dann dachte ich so: „Aha, ok, ich hab doch schon mal kollektiv geschrieben.“ Aber man vergisst halt solche Momente, weil man es damals nicht als kollektives Schreiben benannt hat, vergisst man diesen Fakt oder die Tatsache, dass es das war. Ich habe es für mich eigentlich erst gestern als 'kollektives Schreiben' benannt.
Ja, genau, dann habe ich halt Lyrik geschrieben und dann wollte ich aber auch immer Prosa schreiben. Eigentlich will ich irgendwie voll viele Sachen ausprobieren. Und dann habe ich auch Prosa geschrieben, aber das fand ich halt irgendwie nicht gut, was ich damals geschrieben habe. Da hatte ich sogar relativ viel schon geschrieben, dann habe ich das wieder ruhen lassen und habe wieder Lyrik gemacht. Dann irgendwann habe ich mich wieder an der Prosa versucht. Irgendwann hat mir mal jemand geraten: „Mach doch das, was du gut kannst, wofür du brennst. Und ja, das andere, irgendwann vielleicht, aber mach erst mal das, was dir liegt, was du wirklich magst und wo du ein Anliegen hast.“ Und dann habe ich mich wirklich ganz lange auf Lyrik konzentriert und fast nichts anderes mehr gemacht. Ich glaube, das war ganz gut, weil ich dann das erste Mal das Gefühl hatte: „So, jetzt schreibe ich Texte, die mir auch selbst gefallen.“ Und wo ich dachte, damit kann ich auch an die Öffentlichkeit treten. Die anderen Sachen waren sehr persönlich und da hatte ich irgendwie keinen Abstand zu. So kam ich zum Schreiben.
Und dann irgendwann habe ich halt natürlich immer weiter Prosa geschrieben, weil ich halt auch immer Figuren im Kopf habe. Bei der Lyrik hat man auch Handlung, man hat auch Figuren, aber man hat halt nicht so eine lange Geschichte. Und das sind dann immer so kurze Momente bei Lyrik, wo man in diesen Kosmos der Gedichte eintaucht, und dann taucht man wieder raus, also dann fällt man wieder raus, weil es eben sehr kurze Texte sind. Und was ich zum Beispiel an der Prosa voll mag ist, dass man halt so zum Beispiel 300 Seiten am Stück liest, wenn es gut ist, was man da liest, und man mag die Figuren und die Geschichte – wenn es einen so reinzieht und man kann nicht aufhören. Man ist dann so, weiß nicht, zwei Tage am Stück in dieser Welt drinnen, das mag ich voll. Das möchte ich auch gerne irgendwie schreiben können. Deswegen konnte ich das mit der Prosa nie so ganz aufgeben. Und jetzt schreibe ich auch immer mehr Prosa.
Und irgendwie vor ein paar Jahren kam Theater dazu. Und das war auch ganz seltsam, dieser Theatermoment, weil ich wollte nicht gezielt Theater schreiben. Sondern ich hatte so ein Setting, ich hab damals so ein paar Leute gekannt, deren Stimmen und wie sie gesprochen haben, das klang mir immer lange nach, weil die immer so bestimmte Dinge auch ständig wiederholt haben und ich mag voll Wiederholungen. Da bin ich irgendwie nach Hause und hab mir das aufgeschrieben. Und dann waren das Dialoge. Und nach ein paar Seiten saß ich da und dachte: „Hä? Das ist irgendwie Theater, das ist nicht Prosa.“ Und dann habe ich halt irgendwie gedacht: „Ok, was machst du jetzt damit? Schreibst du das jetzt um in Prosa?“ Weil ich ja keine Ahnung von Theater hatte und szenischem Schreiben. Und dann dachte ich, das ist eher nur so eine Atmosphäre, das hat keine Handlung. Das habe ich dann aber einfach weitergeschrieben. Und dann wurde mein erstes Theaterstück daraus. Und nachdem ich das erste dann hatte, habe ich dann angefangen neue Figuren im Kopf zu haben, die in erster Linie einfach sprechen. Und nicht irgendwie eine Landschaft oder so – also ich hab eigentlich keine Figuren in einer Landschaft rumlaufen. Als Kontrabeispiel zur Prosa, da könnte man halt auch eine Figur nehmen, die nicht spricht und einfach wahrnimmt. Und beim Theater – das würde halt nicht funktionieren. Im Theater das müsste man irgendwie anders umsetzen. Und man könnte zum Beispiel auch nicht eine Figur haben, die der Erzähler ist und die anderen beobachtet, das würde halt im Theater wiederum nicht funktionieren, außer man setzt gezielt narrative Elemente ein, aber das ist eigentlich eben nicht so theatral. Und ich glaube, Theater kam bei mir ins Spiel ab dem Moment, wo ich einfach Figuren nur sprechen gehört habe. Und eigentlich nicht wusste, was die wirklich machen, aber ich wusste, sie sprechen. Das machen sie auf jeden Fall. Und ja, das geht halt immer weiter, das finde ich ganz schön. Und das passt auch wieder zum Selbstgespräch, wenn man von Figuren spricht, die man 'in sich' sprechen hört.
Und andere Formen, da versuche ich mich auch immer wieder dran. Also zum Beispiel Essay. Da bin ich so ein bisschen vorbelastet durch mein wissenschaftliches Studium, glaube ich. Dass ich am Anfang sehr – auch wenn ich versucht hab, einen literarischen Essay zu schreiben und auch wenn, ich glaube, die Aussage eine literarische war, die Form doch immer wissenschaftlich irgendwie war. Dass ich mich halt nicht so lösen konnte von diesem Heran-zitieren von irgendwelchen anderen Autoren und so. Und das funktioniert inzwischen auch schon besser. Der letzte Essay, den ich geschrieben habe, der wurde dann kritisiert in einem Seminar am Literaturinstitut als – oder nicht kritisiert, aber es wurde gesagt, dass er vollständig subjektiv sei. Und da dachte ich so: „Ist das jetzt irgendwie ein Lob, oder ist das nicht so gut?“ Vorher war es halt zu wissenschaftlich und jetzt kam, dass es voll subjektiv ist. Und dann dachte ich: „Hm, ich weiß jetzt nicht, wie ich das verstehen soll?“ Aber es hat keiner gesagt, dass es kein Essay ist. Das war schon einmal ganz gut. Das hatte ich nämlich auch schon öfter, dass es entweder ein wissenschaftlicher Aufsatz dann geworden war, oder doch eine Prosageschichte. Und bei diesem Text hat dann zum Beispiel keiner gesagt, dass es Prosa sei, oder dass es ein wissenschaftlicher Text sei. Sondern es war halt, glaube ich, ein sehr subjektiver Essay. Was ja auch ok ist. Und. Ja. Das sind so die verschiedenen Textformen, die ich schreibe. Was wollte ich denn noch sagen? Da ist mir doch eben noch was eingefallen?
Genau, ach ja, vielleicht – genau. Es gibt so zwei Sachen, die mich in meinem Schreiben lange beschäftigt haben, wo ich nicht wusste, wie ich damit umgehe. Das eine ist das autobiografische Schreiben. Das andere ist das politische Schreiben. Und beim autobiografischen Schreiben war das immer so – ich weiß gar nicht, spreche ich vielleicht zu schnell oder so? Nicht, dass man dann am Ende gar nichts versteht – beim autobiografischen Schreiben – genau, wie damals, das ist diese Szene, die ich schon mal erzählt habe: Wie ich angefangen hab zu schreiben und festgestellt hab, ich schreibe über mich. Und dass mir das eigentlich nicht gefallen hat, weil ich irgendwie die Vorstellung hatte, dass man eben nicht über sich schreibt, sondern Dinge erfindet. Und ich hab irgendwann dann festgestellt: So ganz erfinden, das funktioniert auch nicht. Und hab halt irgendwie zum Beispiel Figuren, also Menschen, die ich kannte, die wurden dann so zu Figuren, oder Eigenschaften von denen gingen in die Figuren über. Oder der Ausgangspunkt war dann jemand, den ich kannte, und dann wurde die Figur irgendwie doch was ganz anderes. Aber so richtig über mich selbst habe ich eigentlich nicht geschrieben. Das waren halt immer Leute, die ich kannte oder so und dann hatte ich so ein Bild von einer Figur und mit der habe ich dann gearbeitet. Ich weiß nicht, ich habe mich irgendwie lange dagegen versperrt, autobiografisch zu schreiben. Vielleicht weil ich das auch nicht mag, diesen Fokus auf mich selbst. Was seltsam ist, weil man ja irgendwie denkt, Autoren und Autorinnen mögen so was vielleicht, weil sie das, was sie machen für so wichtig halten und daher auch sich selbst. Aber, dass der Gegenstand mein eigenes Leben wird, das war mir irgendwie unangenehm, oder da hab ich mich auf jeden Fall irgendwie nicht so wohl gefühlt mit. Vielleicht weil ich mich damit nicht beschäftigen will, oder weil ich es selbst zu langweilig finde oder so. Weil der Fokus dann ich als Person bin. Und ich habe mich irgendwie voll lange dagegen gesperrt. Und die letzten Jahre habe ich viele Texte von anderen Autoren gelesen, von jüngeren auch durch das Studium am Literaturinstitut, wo ich merke, die schreiben halt schon sehr stark aus ihrem Leben heraus. Auch wenn sie das dann natürlich verfremden. Und da habe ich irgendwie gemerkt, dass ich auch solche Geschichten schreiben könnte, rein theoretisch. Weil da doch viele Sachen sind und dass es doch nicht so langweilig ist, alles, wie ich dachte. Es kommt immer ein bisschen auf den Blickwinkel an.
Es gibt ja auch diese Geschichte, die ist unglaublich gut: Wolfgang Borchert, diese Geschichte mit dem Brot. Die heißt, glaube ich, sogar „Das Brot“. Das ist nur eine Seite oder zwei. Die ist voll genial! Das sind einfach ein Mann und eine Frau im – ich glaube – im Krieg. Ein Ehepaar, ein älteres. Und es geht darum, dass der Mann eine Scheibe Brot bekommt und die Frau weiß, sie haben eigentlich nur noch eine weitere Scheibe. Und die wäre für sie selbst, aber sie weiß, dass der Mann Hunger hat und noch mehr essen will. Und dann gibt sie ihm ihre Scheibe Brot. Und sie sprechen eigentlich nicht darüber. Man hat dieses ganze Szenario von Krieg in diesen zwei Scheiben Brot. Und das fand ich damals schon, als ich das gelesen habe in der Schule, voll genial. So kleine Situationen aus dem Leben, ohne irgendwie große Action, sind halt voll stark. Und das – weiß nicht – hat glaube ich bei mir sehr lange gedauert, dass ich das in meinem eigenen Leben auch gesehen hab. Und ja, seit dem ein paar Jahren, seitdem ich mich nicht so sehr dagegen versperre, schreibe ich halt auch immer mehr autobiografisch. Wobei ich das natürlich immer entfremde, ich nenne die Leute halt nie so, wie sie tatsächlich heißen. Vielleicht in der ersten Fassung heißen sie dann noch so, aber dann ändere ich das Setting und dann gibt es andere Figuren, die vielleicht doch nicht tatsächlich existieren, oder bestimmte existierende Figuren fallen weg und dadurch verändert sich dann einiges. Und das ist etwas, was halt neu ist bei mir und irgendwie so einen ganz neuen Raum für mich geöffnet hat, mit dem ich mich literarisch beschäftigen kann, was ich vorher nicht hatte. Und das kommt stark durch dieses Prosa-schreiben-wollen.
Und ich hab zum Beispiel ein großes Thema gerade, also das Mutter-Thema. Ich schreibe gerade einen Prosatext darüber, über die Auseinandersetzung zwischen Tochter und Mutter. Und ich habe auch Gedichte angefangen darüber zu schreiben, die aber ganz anders sind. Also bei den Gedichten sind es halt so punktuelle Sachen immer, die auch ein bisschen vielleicht aus einem Kontext heraus gerissen sind, den man dann so erahnt. Und bei der Prosa ist es halt so, da hole ich ganz weit aus, aus der Vergangenheit. Und jetzt zum Beispiel habe ich überlegt, wie man das vielleicht auch auf der Bühne machen könnte. Und die letzten Tage hier beim Festival, mit ganz vielen Theaterautoren um mich herum und eben auch vielen Theatervorstellungen, wo ich drin war, habe ich tatsächlich die ersten Bilder für das Stück bekommen. Und dann dachte ich so: „Ok, dann habe ich halt ein Thema und ich hab es am Ende in Lyrik, Prosa und Drama.“ Aber das ist ja eigentlich ganz schön so. Weil man halt auch bei Theater – also hatten wir ja so ein bisschen das Gespräch schon mal – dass man eben auch über die Form und das Wie-erzählt-man-was nachdenken sollte. Und ich finde das irgendwie ganz interessant, dass man zum Beispiel ein und dieselbe Sache in verschiedenen Gattungen erzählen kann. Aber dann eben auf unterschiedliche Art und Weise und mit dem Fokus auf verschiedenen Dinge. Und das ist halt so – dieses autobiografische Schreiben – also das ist zum Beispiel ein Thema, das eben aus meinem Leben kommt, wo ich nicht weiß, warum ich mich so lange dagegen versperrt habe. Aber ich bin froh, dass ich das überwunden habe.
Und das andere große Thema, womit ich immer so gehadert hab, ob das was für mich ist, ob ich da rein will, oder nicht, war immer das politische Schreiben. Ich bin irgendwie nicht so ein total politisierter Mensch, aber ich habe schon politische Haltungen. Und ich hab das nicht als so politisiert bisher wahrgenommen, weil ich eben nichts daraus aktiv gemacht habe. Also weder in meinem eigenen Leben, noch im Schreiben, noch irgendwie sonst. Und in den letzten Jahren hat sich das, glaube ich, geändert. Vielleicht auch einfach durch mein Umfeld, das sich geändert hat. Dadurch, dass ich mit sehr vielen Autoren und Autorinnen zu tun habe, auch im Freundeskreis, die eben politisch aktiv sind. Entweder literarisch, oder tatsächlich richtig politisch, die dann demonstrieren gehen und irgendwie in irgendwelchen Vereinen sind und Sachen machen. Dadurch hat mich das so beschäftigt, dass ich jetzt auch ein bisschen – zum Beispiel in einem Essay, an dem ich gerade arbeite und der sehr politisch ist. In dem Essay geht es halt sehr viel um mich selbst, aber eben auch um dieses ganze politische Umfeld. Und ja, das fing mit diesen großen Demos in Leipzig an. Da war ich grad erst nach Leipzig gezogen, das war mir so voll fremd, was da passierte in dem Moment. Und ich dachte so: „Oh Gott, es ist so anders hier, als da wo ich herkomme.“ Und letzten Endes ist es, glaube ich, wahrscheinlich nicht so großartig anders, aber das hat mich halt auf jeden Fall aufgewühlt und dadurch habe ich mich sehr viel damit beschäftigt. Und weil ich ja auch mich immer mehr mit dem Schreiben sehr intensiv beschäftige, habe ich natürlich auch darüber nachgedacht, welche Wege es dafür, für dieses Politische im Schreiben, gibt, für mich. Und dadurch, dass ich vorher viel Lyrik gemacht habe – und Lyrik kann auch voll politisch sein – aber irgendwie war das für mich ein Raum, der sehr unpolitisch war. Wo ich vielleicht schon irgendwie indirekt auch politische Dinge gesagt habe, aber immer sehr stark auf mich selbst bezogen und nicht so sehr auf die Gesellschaft oder die Gemeinschaft bezogen. Und durch das Theater denke ich da schon viel drüber nach. Und bei Theater habe ich zum Beispiel auch Ideen, was ich machen könnte. Und inzwischen finde ich das ganz gut, dieses Politisch-sein auch im Schreiben. Weil das Problem ist ja auch, was ich oft finde, wenn zum Beispiel ein Text zu stark eine politische Aussage hat, verliert er manchmal an ästhetischer Kraft. Oder es wird zu sehr auf diese politische Aussage Wert gelegt und nicht auf die ästhetische Form. Und ich möchte gern irgendwie, wenn ich so was im Theater mache, in einem Theatertext, dann möchte ich unbedingt, dass es auch ästhetisch einen Wert hat oder eher so: dass das Ästhetische die Priorität hat, egal, was das Thema des Textes sein mag. Also sowohl einen starken ästhetischen Wert, als auch politisch. Und die Aussage muss ja auch nicht eindeutig sein, die kann ja auch völlig ambivalent bleiben. Und mit solchen Formen versuche ich irgendwie mich da dran zu nähern.
Ja. Ich weiß nicht, soll ich noch irgendwas sagen? Ach so, vielleicht eine Sache, die mir noch einfällt ist mit dem Interview: Als du gesagt hast, dass du das transkribierst, dass es gar nicht ein gesprochenes Interview dann ist, war ich irgendwie fast ein bisschen erleichtert. Also einerseits habe ich dann gedacht: „Oh Gott, sie muss es transkribieren!“ Weil ich habe gerade auch ein Interview transkribiert. Und letztes Jahr habe ich noch ein paar andere transkribiert für meinen Job, den ich da hatte. In dem Johannes R. Becher Institut gibt es ein Projekt, das die Geschichte des Instituts aufarbeitet und dafür hatte ich einige Interviews transkribiert, die auch so 40 Minuten bis eine Stunde gingen und es war so viel Arbeit! Aber andererseits dachte ich: „Irgendwie ganz gut.“ Weil die Vorstellung, mir das dann anhören zu müssen, war ganz grauslich, weil ich mag das überhaupt nicht, meine eigene Stimme so zu hören. Also wenn ich jetzt spreche, so normal, aus meinem eigenen Körper heraus – diese Stimme kenne ich und die ist ok. Ich weiß nicht, ob ich sie gerne höre, ich will darüber lieber nicht nachdenken. Aber wenn man aufgenommen wird und sich dann selbst hört, das ist wirklich eine ganz seltsame Erfahrung. Und ich hab das mal gemacht, bei so einem Projekt, wo wir zusammen ein Hörspiel gemacht haben und jeder verschiedene Texte gesprochen hat. Und es war – als ich das erste Mal meinen Text gehört hab, den ich gesprochen habe in diesem Raum dort, dachte ich so: „Oh, Gott, so klinge ich? Wie furchtbar!“ Dabei hatte ich meine Stimme schon vorher öfter mal aufgenommen gehört, und seit langem aber dann nicht mehr. Gedichte von mir sind auf lyrikline.org. Also ich meine, ich mag das auch, weil diese Erfahrung die dort zu sprechen in diesem Studio, das war eine tolle Erfahrung. Man ist so voll mit sich selbst und hat dann auch noch seine Stimme im Ohr irgendwie. Aber die dann zu hören, als sie dann online gestellt wurden, das war ganz furchtbar. Ich weiß nicht, das ist vielleicht eine Gewöhnungssache einfach, weil man das sonst nicht so kennt. Aber ich war doch irgendwie ganz froh, dass dieses Interview nur schriftlich existieren wird.
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