Lichtschriftzeichen
Nico Schulte-Ebbert bespricht auf literaturkritik.de eine unlängst erschienene Zusammenstellung der Schriften von Roland Barthes zum Thema Photographie:
„ … im Interview „Über die Photographie“, ebenfalls aus dem Jahr 1980, sagt Barthes: „Jede Lesehandlung eines Photos, und dazu kommt es milliardenfach im Verlaufe eines gewöhnlichen Tages, jedes Erfassen und Lesen eines Photos ist implizit, in verdrängter Form, eine Berührung mit dem, was nicht mehr ist, das heißt mit dem Tod.“ Derartig eschatologische Gedanken werden wohl die Wenigsten haben, wenn sie tagtäglich von Selfies und Katzenbildern überflutet werden und hin und wieder über den Sinn sinnieren. In „So“, einem nur gut zwei Seiten langen Text aus dem Jahr 1977 über Photographien Richard Avedons (1923-2004), der in Auge in Auge erstmals auf Deutsch vorliegt, schreibt Barthes: „Doch die Photographie ist weder ein Gemälde noch … eine Photographie; sie ist ein Text, das heißt eine komplexe, äußerst komplexe Meditation über den Sinn.“ Die hyperschnellen Photographien des Internetzeitalters, die kaum noch gelesen, sondern nur noch als sinnloses, visuelles, omnipräsentes Hintergrundrauschen konsumiert werden (können), mögen vielleicht eine eigene, neue Ästhetik besitzen, deren theoretische Darstellung erst noch geschrieben werden muss. Roland Barthes’ Kleine Schriften zur Photographie haben hierfür allerdings einen Grundstein von immenser Wichtigkeit und Inspiration gelegt.“
Roland Barthes: Auge in Auge. Kleine Schriften zur Photographie.
Herausgegeben von Peter Geimer und Bernd Stiegler.
Übersetzt aus dem Französischen von Horst Brühmann, Dieter Hornig, Dieter Hoch, Agnès Bucaille-Euler, Gerhard Mahlberg, Maren Sell und Birgit Spielmann.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015.
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