Melancholie
Neuerscheinung bei Matthes & Seitz: László F. Földényi: Lob der Melancholie. Rätselhafte Botschaften. Übersetzung: Akos Doma.
Mein Körper ruhte. Um das tun zu können, hatte er sich meiner entledigt. Ich hatte versucht, selbst die bequemste Stellung zu finden; aber ich muss wohl so müde gewesen sein, dass all die gewollten Bewegungen, die sonst natürlich gewesen wären, sich als erschöpfend erwiesen. Ich hatte die Bewegungen gesucht; aber nichts ist ermüdender als gesuchte Natürlichkeit. Die gewählte Stellung der Arme oder Beine wird schon durch die schiere Tatsache des Wählens immer schwerer, bis schließlich auch das einfache Liegen zu einer unerträglichen Kraftprobe werden kann.
Mit diesem Lob der Melancholie kehrt László F. Földényi nach 40 Jahren zu seinem Lebensthema zurück und nähert sich ein weiteres Mal jener unzeitgemäßen Stimmung. In einem feinen Gewebe von Essays durchstreift er Malerei, Kino und Literatur und entlockt ihnen die Erfahrung einer Sehnsucht, die in ihrer Zartheit alles mit sich zu reißen vermag. Dabei begegnet uns die Melancholie in all ihrem betörenden kulturellen Reichtum als verunsichernder dunkler Schatten des sonst so strahlenden, vergnügungssüchtigen Diesseits - ohne jedoch den versöhnenden Glauben an ein Jenseits anzubieten.
László F. Földényi, geb. 1952 in Debrecen (Ungarn), ist Kunsttheoretiker, Literaturwissenschaftler und Essayist. Er zählt zu den bedeutendsten ungarischen Intellektuellen und leitet als Professor den Lehrstuhl für Kunsttheorie an der Akademie für Theater und Film, Budapest. Er ist Herausgeber der gesammelten Werke von Heinrich von Kleist in ungarischer Sprache und u.a. Friedrich-Gundolf-Preisträger. Seit 2009 ist er Mitglied der der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Für sein Werk Lob der Melancholie. Rätselhafte Botschaften wird er mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2020 ausgezeichnet.
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