Petrarcas Erbe
Seien wir ehrlich: Das Sonett befindet sich, was seine Massenkompatibilität angeht, in bester Gesellschaft mit der tasmanischen Folklore. So unwahrscheinlich es ist, dass dieser Musikstil in den bundesdeutschen Charts auftaucht, so nahezu ausgeschlossen ist es auch, in Büchern gebannte Sonette auf Bestseller-Listen vorzufinden oder von den medialen Literaturpäpsten vorgestellt zu bekommen. So bedeutsam und beliebt das Sonett zu seiner Hochzeit im späten Mittelalter auch war, so steht es in der heutigen Literaturlandschaft als Nischenprodukt doch höchstens noch unter Arten- und somit Bestandsschutz. Die Gründe dafür ausschließlich bei einer unwilligen Leserschaft zu suchen, dürfte falsch sein. Trotz steigender Tendenz zum Reim unterwerfen sich nur wenige zeitgenössische Autoren freiwillig dem strengen, anspruchsvollen Reimschema (zwei Quartette, die beide gleich gereimt sind, und zwei Terzette, deren ursprüngliche Reimfolge cdc dcd war), das dieser besonderen Art der Lyrik zu Grunde liegt.
Doch es gibt sie, jene Erben Petrarcas, die sich in ihrem Schaffen ausführlich dem Sonett, dieser durch Robert Gernhardt ebenso liebevoll wie auch stilsicher geschmähten Form der Lyrik, widmen. Einer dieser lyrischen Aficionados ist der im niedersächsischen Burgdorf beheimatete Dichter und Herausgeber Dirk Strauch, der unter dem Pseudonym ZaunköniG bereits des Öfteren auf sich aufmerksam gemacht hat. Wie groß seine Leidenschaft für das Sonett ist, lässt sich am ehesten durch einen Blick auf die Homepage seines Kleinverlages, der Edition Elf (www.edition-elf.de), ermessen. Neben verschiedenen Prosa- und Lyriktiteln findet sich dort der Link auf das hauseigene Sonett-Archiv. Im Jahre 2002 ins Leben gerufen, finden sich heute bereits über 10.000 Sonette (rund 6.500 deutschsprachige, 3.500 in deutscher Übersetzung) auf den Seiten des damit deutschlandweit konkurrenzlosen Archivs. Der Sisyphusarbeit der Pflege seines Sonett-Archivs steht die Arbeit am eigenen Wort gleichberechtigt zur Seite. Seit Jahren widmet sich ZaunköniG akribisch der Übersetzung fremdsprachiger Sonette, zwei aktuelle Bücher zeugen vom Ergebnis seiner Arbeit:
„aber echt ist“, bei der Edition Thaleia erschienen, präsentiert sich als bunte Sammlung, bei der sich Übersetzungen (u.a. Francesco Petrarca, Jacques Perk und Susan Evance) mit eigenen Sonetten mischen, ohne Konkurrenz einzugehen. Die Klassiker kommen lebendig daher, im Gegenzug konserviert Strauch in seinen „Burgdorf-Sonetten“ das Treiben seiner Heimatstadt in klassischer Form. Das zweite Buch, in der eigenen Edition Elf verlegt und zudem mit fünf Original-Linoldrucken illustriert, versammelt ausnahmslos deutschsprachige Übertragungen von Sonetten des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz. Dessen Sonette aus Odessa finden sich dort ebenso wieder wie die Krim-Sonette, die Mickiewicz schrieb, nachdem er 1823 wegen seiner Zugehörigkeit zu den Philomaten (Freunde des Fortschritts) und den Philareten (Freunde der Tugend) verhaftet und nach Russland verbannt worden war. Im Anhang befindliche Erläuterungen erleichtern das Verständnis.
Freunden des gereimten Gedichtes seien diese beiden Lyrikbände ans Herz gelegt. Zur Zeit arbeitet ZaunköniG an einem lyrischen Zyklus über die vielschichtige Figur und Geschichte der keltischen Göttin Morgaine – man darf gespannt sein.
ZaunköniG
Scheherazadesken
Wer kennt schon den Preis für die lauterste Kunst,
übers Leben zu schreiben, statt selber zu leben?
Was kann denn die Abschrift vom Urgefühl geben?
Wenn wir es nicht kosten, was kostet es uns!Ich wünsch’ mir ein echtes Gefühl ohne Boden.
Ich wünschte, wir könnten im Sonnenwind segeln,
die Schwerkräfte aus ihrem Mittelpunkt kegeln,
verjüngt wieder aufersteh’n aus allen Toden.Wie frei ist man, hat man auf Freiheit geschworen.
Prinzipien geraten sich selbst zur Groteske.
Die Tränen schon längst aus den Augen verloren,gerät mir mein eigenes Antlitz zur Freske.
Statt Leben nur schillernde Sterne geboren:
Eintausend und eine Scheherazadeske.
Fixpoetry 2009
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