Anzeige
Komm! Ins Offene haus für poesie
x
Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Größenwahnsinnig im Alter

Eine Film.Werk.Schau des Helmut Qualtinger

„Was passiert eigentlich, wenn man einen Inspektor Trottel nennt, Herr Wachtmeister?“, soll der Qualtinger einmal zu fortgeschrittener Stunde in seinem Lieblingslokal, dem „Gutruf“ in der Wiener Innenstadt, einen Inspektor gefragt haben. Dieser soll darauf etwas entsetzt geantwortet haben, dass dies ganz ganz schlimm sei und die Gäste ob der Sperrstunde weiter aus dem Lokal getrieben haben. Worauf der Qualtinger ihm eine weitere Frage stellte: „Und wenn man einen Trottel Inspektor nennt?“ Der Inspektor fuhr wenig beeindruckt mit seiner Arbeit fort und schaffte schließlich auch Qualtinger vor die Tür. Dieser hebt zum Abschluss die Hand an die Stirn und sagt: „Na doann, Guate Nacht, Herr Inschpektor!“

Solche kleine Episoden und Anekdoten wie diese gibt es wohl tausende über den Qualtinger, er war wohl das, was man gemeinhin ein „Wiener Original“ nennt und machte diesem, seinen Ruf, große Ehre. Zum 80-igsten Geburtstag von Helmut Qualtinger ist seinerzeit bei www.hoanzl.at eine würdige „Film.Werk.Schau" erschienen, die 10 DVDs umfasst und nein, der „Herr Karl“ ist nicht dabei, denn den kennt man eh schon. Auf den nationalen Charakter Herr Karl, auf den der Qualtinger Zeit seines Lebens festgeschrieben wurde und den er so meisterhaft beherrschte, wollte man hier wohl explizit verzichten, denn es bleibt das Wort von Nestroy: die edelste Nation ist immer noch die Resignation und Qualtingers Talent soll eben nicht auf diese eine Figur reduziert werden. Wie es ein Journalist ausdrückte: Qualtinger hat doch kein Gesicht. Der hat zwanzig, dreißig, zweitausendvierhunderteinundfünfzig. Manchmal sieht er nahezu drei Minuten aus wie der Qualtinger, aber dann... Auch er selbst sah sich so, wenn er sagte, dass auf seiner Visitenkarte „Menschenimitator“ stehen sollte. Allein, er brauchte keine, denn es kennt ihn eh jeder, nur eben wohl immer unter einem anderen „Gsicht“...

In seinem letzten Lebensjahr, 1986, wurde „Der Name der Rose“ veröffentlicht und Qualtinger konnte diesen Jugendtraum von Hollywood gerade noch erfüllt sehen. Starb er am Zenit seines Schaffens? Mit 58 Jahren hätte er wohl noch eine lange Karriere vor sich gehabt, gerade nach dem sein „Größenwahn“ überwunden war. Er wollte mit Fellini und Polanski drehen, aber diese Projekte wurden nie verwirklicht. O-Ton Qualtinger: „Mit zwanzig war ich größenwahnsinnig. Man muss größenwahnsinnig sein in dem Alter, sonst wird nichts daraus. Heute sehe ich, dass nur ein Teil von dem herausgekommen ist, was ich wirklich sagen wollte.“ Aber das ist ja auch schon sehr viel!

Die vorliegende „Qualtinger-Film. Werk. Schau“ umfasst „Mit Himbeergeist geht alles besser“ (Ö 1960), „Geschichten aus dem Wienerwald“ (Ö/BRD 1963) nach dem gleichnamigen Volksstück des österreichischen Autors Ödon von Horvath, „Mann im Schatten“ (Ö 1961), „Biedermann und die Brandstifter“ (Ö 1963) ebenfalls nach einem Lehrstück ohne Lehre des Schweizers Max Frisch, „Lumpazivagabundus“ (Ö 1965) von Nestroy, „Der Himbeerpflücker“ (Ö/BRD 1965) nach Fritz Hochwälders Theaterstück, „Die Hinrichtung“ (Ö/BRD 1966), „Kurzer Prozess“ (BRD 1967), „Der Kulterer“ (Ö/BRD 1974) nach einer Erzählung von Thomas Bernhard, und „Der Richter und sein Henker“ (BRD/Italien 1975) nach einem Roman von Friedrich Dürrenmatt.

Zusätzlich beinhaltet diese üppig-prächtige Qualtinger-Kollektion ein mehrseitiges Booklet mit Filmkurzbeschreibungen und einem kurzen Vorwort von Günter Krenn/Claus Philipp und einigen Fotos von Österreichs Schauspieler enfant terrible, etwa eines mit seinem Sohn Christian (Heimito) und einer wohl absichtlich schiefgeknöpften Weste oder ein anderes mit den Hawelkas oder mit Maximilian Schell und Cowboyhut. Die DVD-Sammlung ist ästhetisch bewußt appetitlich gestaltet und zu einer fast zwei Meter langen Tischdekoration ausklappbar und auf jeder DVD findet sich ein riesiger goldener Buchstabe des Namens von QUALTINGER.

Helmut Qualtinger
Film. Werk. Schau
Hoanzl
2008

Fixpoetry 2011
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge