Zum Verschenken und Wiederentdecken
Die Büchergilde Gutenberg muss als Verlag für schöne, ja bibliophile Bücher nicht mehr vorgestellt werden. Bereits seit 1924 besteht die einst in Leipzig gegründete Buchgemeinschaft, aus der 2002 der eigenständige Verlag Edition Büchergilde hervorging. Im Jahr des zehnten Geburtstags gibt der Verlag nun eine neue Reihe illustrierter Bücher heraus, die im wahrsten Sinne des Wortes kleine Schätze sind. Die Bände der Reihe „Petits Fours“ messen nämlich gerade einmal 9,5 x 12,5 cm und kommen als Hardcoverausgaben im Schuber, fadengeheftet und von verschiedenen Künstlern illustriert. Zwei der kleinen Viererpacks sind bereits erschienen. Die Bücher sind jedoch auch als Einzelausgaben erhältlich. Soviel zur technischen Seite.
Bei den Titeln der Reihe handelt es sich um Klassiker, die optisch aufbereitet zu neuem Leben erweckt werden und sich daher nicht nur zum Verschenken eigenen. Aber auch. Die erste Kollektion der „Petits Fours“ besteht aus Texten von Friedrich Schiller, Mark Twain, Pete Seegers sowie Erich Frieds wohl bekanntestem Gedicht „Was es ist“. Dabei gilt: ein Buch, ein Text, ein Illustrator. Im Falle Erich Frieds handelt es sich um den in Mannheim lebenden Mehrdad Zaeri. Der aus dem Iran stammende Zeichner beseelt den Text mit klarer Linie und starker Kontur, ohne dabei auch nur ansatzweise grob vorzugehen. Durch Zaeris Motive wird Frieds leicht kitschiger Text von 1983 passend aufbereitet und ästhetisch aufgewertet. Ein Rabe klaut einer teilnahmslosen Frau eine Kirsche – „Es ist Unglück sagt die Berechnung“. Ein Schiff versinkt in fließend blauem Haar – „Es ist aussichtslos sagt die Einsicht“. Ein Mädchen schwebt wie eine Feder zu Boden – „Es ist was es ist sagt die Liebe“.
Mehrdad Zaeri
Mit deutlich mehr Ecken und Kanten geht es da in Johann Wolfgang von Goethes „Der Zauberlehrling“ zu, der zusammen mit Texten von Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky und der all-time-all-club-Fußballhymne „You’ll never walk alone“ von Oskar Hammerstein die zweite Kollektion der „Petits Fours“ bildet. Illustriert wurde Goethes Ballade von der Leipzigerin Ulrike Steinke, die sich damit in eine prominent besetzte Linie graphischer Zauberlehrlings-Interpreten einreiht. Allerdings hat es sie Illustratorin geschafft, eine ganz eigene Bildsprache fern von Ernst Barlach, Walt Disney oder Tomi Ungerer zu finden. Durch Steinkes kunterbunte Scherenschnittoptik ist die Interpretation des Textes längst nicht so düster geworden wie es bei anderen Künstlern mitunter der Fall war. Steinkes Bilder wecken vielmehr Assoziationen mit der Schulzeit, in der wohl jeder einmal den Zauberlehrling auswendig lernen und vor der Klasse herunterbeten musste, ohne den Inhalt sonderlich vermittelt bekommen zu haben. So ging es zumindest nach eigenen Aussagen der Illustratorin, die im Covermotiv auf diese (Nicht-)Vermittlung anspielt. Zu sehen ist ein Hexenmeister, der mit ausgestrecktem Finger den Weg weist, während der Zauberlehrling eher missmutig folgt und sich seinen Teil denkt.
Ulrike Steinke
Als wäre die Neuinterpretation des Zauberlehrlings eine Versöhnung mit der Schulzeit, lässt Steinke Goethes Ballade sich in einem eher unklassischen setting entfalten. Ihren dramatischen Kern verliert sie dadurch allerdings nicht. Die sich stark voneinander abhebenden Farbflächen lassen den Leser bzw. Betrachter teilhaben an der hektischen und chaotischen Situation, in der der Zauberlehrling steckt, als ihm der beseelte Besen außer Kontrolle gerät. Als der Hexenmeister dem Spuk schließlich ein Ende macht, herrscht auch in den Bildern Steinkes wieder Ordnung.
Die Reihe „Petits Fours“ zum Verschenken und Wiederentdecken klassischer Texte macht Spaß und ist für alle Freunde von liebevoll illustrierten Büchern ein Gewinn.
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