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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Band 2 der Briefe Hermann Hesses ist erschienen

Persönliche Schwierigkeiten, Eheprobleme und der Erste Weltkrieg.
Hamburg

„Die Abrechnung habe ich erhalten. Dass Sie sich so ganz verkalkuliert haben, ist ja nicht meine Schuld – eben für diese geschäftlichen Dinge hat man ja einen Verleger.“ So etwas hört ein Verleger natürlich nicht gern. Vor allem, wenn der Autor, der ihm schreibt, eigentlich ein Erfolgsautor ist. Einer, der normalerweise bei einem anderen, sehr renommierten Verlag unter Vertrag ist.

Man vergisst gern, dass Hermann Hesse nicht nur der Hippie-Autor ist, der Autor für pubertäre Gemüter, für den wir ihn inzwischen ansehen, sondern zu seinen Lebzeiten, vor allem bis 1933, ein vielgelesener und sehr beachteter, durch seine Bücher auch wohlhabend gewordener Schriftsteller war. Seine Bücher erlebten viele Auflagen, seine stets lobenden Rezensionen waren zeitweise sehr begehrt, sodass er mit Rezensionsexemplaren schier überschüttet wurde, und in der Auseinandersetzung um die Literatur war er seinerzeit durchaus eine Stimme, die gehört wurde. So entdeckte er auch die Romantiker wieder neu und stieß u.a. eine Gesamtausgabe der Werke von Jean Paul an – damals ein fast vergessener Autor, heute wird er zwar immer noch nicht viel gelesen, aber man erkennt seinen Rang an. Zudem war Hesse einer der ersten Autoren, der sich auch mit der neuen Psychoanalyse beschäftigte und sich später auch einer Analyse unterzog, der sich mit der Reformbewegung auseinandersetzte und einige Woche auf dem Monte Verita lebte. Ein Autor mit vielen Facetten.

Hesse lernte nach seinen ersten Erfolgen auch ziemlich schnell, sich selbst zu vermarkten, sich nicht unter Preis zu verkaufen, höhere Honorare zu verlangen. Und er bekam sie auch, 20, 25 Prozent Tantiemen waren keine Seltenheit, und sein Stammverlag, S. Fischer, schenkte ihm sogar ab und zu einen Reisezuschuss, als er z.B. nach Indien fuhr.

Im neuen Briefband kann man diese Beziehung zwischen Hesse und seinen Verlegern nachverfolgen, auch seinen wachsenden Ärger mit der Zeitschrift „März“, die ihn zunächst hofierte, dann, nach einem Herausgeberwechsel, mehr oder weniger links liegen ließ, was Hesse natürlich sehr erboste. Erst als Theodor Heuss der neue Chef wurde, wurde das Verhältnis auch wieder besser. Auch seine persönlichen Schwierigkeiten, seine Eheprobleme klingen in den Briefen an, sein Vergnügen und Missvergnügen an dem neuen Haus in Gaienhofen, seine Kuren, seine Lesereisen, sein Umzug in die Schweiz. Viele Kleinigkeiten sind hübsch zu lesen, so wenn er seine neue Schreibmaschine, die erste, die er besaß, lobte, weil sie ihm die Arbeit an den Romanen und Artikeln sehr erleichterte. Hesse wäre nicht der aufmerksame und sensible Selbstbeobachter, wenn er dabei nicht auch bemerken würde, dass er seine Handschrift vermisste, die ihm gleichzeitig viele seine Werke auch romantisierte, während er die maschinengeschriebenen Manuskripte viel objektiver betrachten konnte und die Fehler schneller bemerkte.

Da die Briefsammlung den Zeitraum bis 1915 umfasst, liest man auch, wie schnell sich Hesse ins Abseits schreibt, da er den Hurra-Patriotismus der Deutschen im Weltkrieg von Anfang an nicht mitmacht. Zwar versteht er, dass die alte Welt mit ihrem Scheinfrieden untergehen muss, glaubt auch zunächst, dass das durch die deutsche Kultur auch gelingen wird, aber dass das Neue durch so viel Leid und Schmerz geschehen muss, den sich die Menschen nicht ausgesucht haben, sondern befehlsmäßig gegenseitig antun müssen – das versteht er nicht und heißt es nicht gut.

Dabei sind Briefesammlungen immer ein wenig schwierig. Vor allem, wenn es keine Briefwechsel sind: Es fehlen einfach die Antworten, das Gespräch, oft auch die näheren Umstände. Manches kann und muss natürlich erläutert werden, aber gerade hier ist der von Volker Michels herausgegebene Band etwas zu schlampig: Manche Briefpartner oder erwähnte Personen werden nicht bei der ersten Erwähnung erklärt, andere überhaupt nicht. Zwischendurch gibt es Briefe und Postkarten, die überhaupt nicht erläutert werden, sodass man weder erfährt, wer Walter Meichen ist, noch worum es in dieser Postkarte Hesses überhaupt geht, warum er ihm über die „neuesten Verschiebungen im Verhältnis des Publikums zum Buchhandel“ schreibt.

So fehlen sehr häufig die Zusammenhänge, ein rundes Bild ergibt sich nicht, und auch dieser Briefeband von Hermann Hesse ist eher etwas für Hesse-Liebhaber, die auch Kleinigkeiten nachlesen möchten und genug Kenntnisse haben, um sich aus den Mosaiksteinen, die dem Leser hier vorgeworfen werden, ein eigenes Bild zu machen.

Volker Michels (Hg.)
Hermann Hesse - Die Briefe
»Aus dem Traurigen etwas Schönes machen« - Briefe 1905-1915
Suhrkamp
2013 · 636 Seiten · 39,95 Euro
ISBN:
978-3-518-42408-7

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