Theologische Ökonomie
Schon mehrmals hat sich Joseph Vogl zu Geld geäußert: zum System, das Geld etabliert, wobei Subjekt und Objekt durchaus rotieren. In seinen Reflexionen, die nicht unwesentlich Lektüren sind, erweist sich, daß Literatur – etwa Goethes Faust – durchaus Auskunft zu geben vermag, wo es der Kapitalismus nur vielleicht könnte; und sie zu geben tunlichst unterläßt.
Denn Kapitalismus beinhaltet eine Durchdringung von Politik und Ökonomie, nicht wird, wer in der Politik ist, zuweilen korrumpiert, das Feld, worin er zu operieren vermeint, falls der denn an sein Tun glaubt, ist ihm vielmehr sowieso längst entzogen. Er muß ja dies und jenes tun, verwaltet also nur sein Fatum, seine Sachzwänge.
Das betrifft noch den immer virtuellen Souverän. Auch dieser ist, wofern er nicht in einer Art Anastasis allem entzogen ist, zwar das, was die Münze beglaubigt, sie ist von ihm konkret (durchs Bild) und metaphorisch geprägt, würde aber, wo er die Wechselkurse angriffe, seine Souveränität gefährden. Wenn die Münze Identität und Äquivalenz besagt, so auch jene dessen, der darum besser daran tut, diese Identität nicht zu manipulieren, wie Vogl darlegt.
Das bedeutet, daß Politik inszeniert, was nicht geschieht: sich selbst. In Wahrheit ist es das Kapital, das bestimmt, jedenfalls, solange man es glaubt, daß es nicht so ist. Der neue „»Klassenkampf« des Finanzpublikums gegen den Rest der Bevölkerung” (Vogl) wird einseitig geführt. Wie auch sollte man gegen ein Schicksal kämpfen, von den man glaubt, man habe es wesentlich mitgestaltet..?
So geschieht eine „Refeudalisierung” – und nicht nur die „der Öffentlichkeit” (so Habermas’ Hypothese), welche sich vielmehr hierin aufzulösen beginnt. 1 Der Herrscher ist der Kommunikator dessen, was in Wahrheit herrscht, er kann fallen, der Wähler wahlweise ihn oder sich bezichtigen. Bezichtigen müßte er sich aber nicht der falschen Wahl, sondern dessen, passiv innerhalb dessen scheinbar zu wählen, was es womöglich zu sprengen gälte. Womöglich, wohlgemerkt. Deichkind behandelte die Ideologie unter dem Titel Bück dich hoch: Man müsse sich anpassen, im System auf- und draufgehen, sogar dann, wenn man scheinbar wählt, denn Effizienz ist nun einmal Effizienz, wer wollte daran rühren? Die Wirtschaft brummt, ob mit oder ohne Beteiligung der Bevölkerung; die „Oikodizee” (Vogl) heiligt dies den Menschen, wie sich bei Vogl lesen läßt.
Entziehen kann man sich dem nicht, eine blanke Opposition, die einem ungezügelten carpe diem nachhängt, ist der beste Komplize, hier erspart man sich das Kommunizieren.
Klüger ist es, Vogl zu lesen, von dem, was geradezu harmlos auf anderem Level Torberg „Gott mit beschränkter Haftung” hieß – und da wie dort, in unterschiedlicher Dimension, mörderisch verfährt. Am Ende ist oder wäre ein Souverän: „Souverän ist, wer eigene Risiken in Gefahren für andere zu verwandeln vermag und sich als Gläubiger letzter Instanz platziert.” Dies ist, was in Wahrheit herrscht, ein Was, das vielleicht kein Wer kennt, sich nicht einmal entzieht. Der Souverän ist also einer oder keiner unter vielen, vielleicht auch: ein leeres Feld. Er ist die Fiktion, daß, fielen die Kulissen der Demokratie, worin fast alle eigenverantwortlich und machtlos zugleich sind (weshalb sie Glückskompetenz erlernen zu dürfen haben), dahinter doch ein Eigentliches wäre. Einer, der zumindest wüßte … der „Blick Gottes, des absoluten Lesers”.
Aber diese an des Souveräns Leugnung grenzende Ratlosigkeit – in „der Republik gibt es keine allgemein gültige Definition des Souveräns”, weiß Wikipedia – ist insofern, als sie nur stimmt, wenn alles funktioniert (in wessen Augen nämlich..?), trügerisch. Fundierendes ist dann sichtbar, wenn es selbst zugleich befindet, daß das Funktionieren nicht mehr gegeben ist; dann „werden […] jene Kräfte […] sichtbar, die das bestehende Ordnungsgefüge fundieren”, wie Vogl annotiert: mögen sie auch sonst bis zur Unsichtbarkeit „dezent” walten… Dann, wenn man es (?) ahnt, ist wie das Wunder Gottes das Intervenieren des Souveräns vielleicht eben Ausdruck dessen, daß das Nicht-Wundersame zuvor auch auf ihm ruhte.
Man könnte zu Vogls Auslassungen ergänzend sagen, daß ein sichtbarer Souverän eben nicht mehr souverän ist, sein Diminutiv wird, etwas, das sich in Beziehung setzen läßt, und: etwas, dem man seine anfänglich selbst initiierte Entmachtung angedeihen lassen könnte, sozusagen. Also: Gibt es, wovon Vogl schreibt?
Man könnte hier auf Türckes ebenfalls jüngst erschienene Geldanalyse hinweisen, auf das Geld, das sich fetischisiert, als nichts ist, aber zu allem anregt (was wiederum zur Theologie etwa Blumenbergs führte), mit einem Sein, das nicht mehr eines für die Waren, die man dafür kaufen kann, wäre, sondern jenseits dessen einem „utopischen Überschuss” zustrebt. Der als Fetisch aber ist pervers, und zwar strictu sensu: „Den Ersatz für die Sache selbst zu nehmen, ist […] pervers”, so Türcke.
Der Souverän wäre, was uns so äfft. Gibt es ihn nicht anders – oder: ihn, doch nicht in Reinform, welche aber Implikat der Begrifflichkeit hier wäre, also dialektisch nicht –, dann ist in Abwandlung des Satzes über den Atheismus zu sagen, daß nicht alles erlaubt ist, sondern das Erlauben obsolet – positiv aber vieles möglich. Lesen und Schreiben schaffen Wege, auch dies ein (früherer) Befund Vogls.
Also: Es gilt zu lesen, nämlich nicht zuletzt Vogl..!
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