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Hundertvierzehn | Extra
»Manchmal ist es besser zu reisen als anzukommen.«

Zum Tod unseres Autors Robert M. Pirsig erinnern wir an seinen unvergesslichen Bestseller ›Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten‹ – ein Kultbuch, das eine ganze Generation bewegte und seither Millionen von Lesern in seinen Bann zieht.

 
Robert M. Pirsig

Robert M. Pirsig, geboren 1928 in Minneapolis, studierte an der University of Minnesota Chemie, Philosophie und Journalismus und schließlich auch östliche Philosophie an der Hindu-Universität in Benares. ›Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten‹ wurde ein internationaler Bestseller. Der Autor erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1979 den American Academy and Institut of Arts and Letter Award. Pirsig verstarb 2017 im Alter von 88 Jahren in Maine, USA.

Robert M. Pirsigs schriftstellerische Karriere begann mit einer Reise – einer sommerlichen Motorradreise, die der Amerikaner in den Sechzigerjahren mit seinem damals 12-jährigen Sohn durch den Nordwesten der USA unternahm. Seine Eindrücke und Erfahrungen verarbeitete er 1974 in ›Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten‹, ein Buch, das über Nacht zum Bestseller wurde und heute als einer der einflussreichsten Romane des 20. Jahrhunderts gefeiert wird. Pirsig nimmt uns darin zugleich mit auf eine philosophische Odyssee zu den grundlegenden Fragen des Lebens, eine bewegende Untersuchung, wie wir leben – und eine atemberaubende Meditation, wie man besser lebt.
Am Montag, 24. April 2017, ist Robert M. Pirsig im Alter von 88 Jahren in Maine, USA, verstorben. In Gedenken an ihn und sein wichtigstes Werk möchten wir ihn selbst zu Wort kommen lassen – Worte, die er bereits zehn Jahre nach Erscheinen der ersten amerikanischen Ausgabe dieses mittlerweile modernen Klassikers äußerte:

»In ›Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten‹ ist viel von den Perspektiven der alten Griechen und ihrer Bedeutung die Rede, aber eine Perspektive bleibt unberücksichtigt – ihr Zeitbegriff. Sie sahen die Zukunft als etwas, das von hinten über sie kam, während die Vergangenheit vor ihren Augen in die Ferne entschwand.
Wenn man es sich überlegt, ist das eine genauere Metapher als unsere jetzige. Denn wer kann wirklich in die Zukunft sehen? Man kann nichts weiter tun, als die Vergangenheit in die Zukunft zu projizieren, wenngleich die Vergangenheit zeigt, dass solche Projektionen oft falsch sind. Und wer kann wirklich die Vergangenheit vergessen? Was kennen wir sonst?
Zehn Jahre nach dem Erscheinen dieses Buches ist es sicherlich angebracht, die Perspektive der alten Griechen zu übernehmen. Was für eine Zukunft von hinten kommt, weiß ich nicht. Aber die vor mir ausgebreitete Vergangenheit beherrscht das ganze Blickfeld.
Nachdem seinerzeit 121 Verlage dieses Buch abgelehnt hatten, bot mir ein einziger Lektor den üblichen Vorschuss von 3.000 Dollar an. Er meinte, das Buch zwinge ihn, sich Rechenschaft darüber zu geben, warum und wozu er eigentlich im Verlagsgeschäft sei; obwohl dies, fuhr er fort, fast mit Sicherheit die letzte Honorarzahlung sei, die ich je bekommen würde, sollte ich mich nicht entmutigen lassen. Geld sei bei einem solchen Buch nicht der springende Punkt.
Das stimmte. Aber dann kamen der Erscheinungstag, erstaunliche Besprechungen, der Aufstieg zum Bestseller, Zeitschriften-Interviews, Interviews in Funk und Fernsehen, Angebote für Verfilmungen, Übersetzungen in andere Sprachen, zahllose Angebote für Vorträge und Leserbriefe –Woche für Woche, Monat für Monat. Die Briefe waren voller Fragen: Warum? Wie konnte das geschehen? Was fehlt hier? Was waren eigentlich Ihre Beweggründe? Es schwang so etwas wie Frustration mit. Die Leute wissen, dass mehr hinter diesem Buch steckt, als das Auge wahrnimmt. Sie wollen alles wissen. Aber ein solches »alles« hat es tatsächlich nicht gegeben. Es gab keine tiefen, letzten, zwingenden Beweggründe. Es schien nur einfach mehr Qualität darin zu liegen, das Buch zu schreiben, als darin, es nicht zu schreiben. Aber mit der voraus enteilenden Zeit und der sich weitenden Perspektive, in der das Buch jetzt steht, wird eine etwas detailliertere Antwort möglich.
 Im Schwedischen gibt es das Wort ›Kulturbärer‹, das man mit »Kulturträger« übersetzen kann. Dieser Begriff wird in Amerika leider viel zu wenig verwendet.
Ein kulturtragendes Buch trägt, wie ein Maultier, die Kultur auf seinem Rücken. Niemand sollte sich bewusst vornehmen, ein solches Buch zu schreiben. Kulturtragende Bücher ereignen sich fast zufällig, wie ein plötzlicher Umschwung an der Börse. Es gibt Bücher von hoher Qualität, die ein wichtiger Teil der Kultur sind, aber das ist etwas anderes. Sie gehören zur Kultur, bringen sie aber nicht weiter. Sie können beispielsweise verständnisvoll über Geisteskrankheit sprechen, weil das der kulturellen Norm entspricht, ohne jedoch auch nur anzudeuten, dass Geisteskrankheit etwas anderes als Krankheit oder Degeneriertheit sein könnte.
Kulturtragende Bücher stellen kulturelle Wertvorstellungen in Frage, und dies oft zu einer Zeit, da sich in der Kultur ein Wandel im gleichen Sinne vollzieht. Diese Bücher müssen nicht unbedingt von hoher Qualität sein. ›Onkel Toms Hütte‹ war kein literarisches Meisterwerk, aber es war ein kulturtragendes Buch. Es erschien zu einer Zeit, als sich in der ganzen Kultur die Ablehnung der Sklaverei durchzusetzen begann. Die Menschen fanden in dem Buch ihre eigenen geänderten Wertvorstellungen wieder, und es wurde ein überwältigender Erfolg.
Der Erfolg von ›Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten‹ ist auf dieses Phänomen der Kulturträgerschaft zurückzuführen. Die hier geschilderte Schocktherapie ohne Zustimmung des Patienten ist heute gesetzlich untersagt. Sie stellt einen Eingriff in die Freiheit des Menschen dar. Die Kultur hat sich gewandelt.
Das Buch erschien auch zu einer Zeit kultureller Umwälzungen in der Frage materiellen Erfolgs. Die Hippies wollten nichts davon wissen. Die Konservativen verstanden die Welt nicht mehr. Materieller Erfolg war der amerikanische Traum. Millionen europäischer Tagelöhner hatten sich ihr Leben lang danach gesehnt und waren nach Amerika gekommen, weil sie ihn hier zu finden hofften – in einer Welt, in der sie und ihre verwöhnten Nachkommen endlich genug zum Leben haben würden. Und nun warfen ihre verwöhnten Nachkommen ihnen diesen ganzen Traum vor die Füße, ließen kein gutes Haar daran. Was wollten sie?
Die Hippies glaubten zu wissen, was sie wollten, und nannten es ›Freiheit‹, aber in letzter Konsequenz ist ›Freiheit‹ ein rein negatives Ziel. Es besagt nur, dass irgendetwas schlecht ist. Die Hippies hatten im Grunde genommen keine anderen Alternativen als schillernde Eintagsfliegen anzubieten, und einige davon muteten mehr und mehr als pure Dekadenz an. Dekadenz kann Spaß machen, lässt sich aber nur schwer als lebenslange Beschäftigung aufrechterhalten.
Dieses Buch bietet eine andere, ernsthaftere Alternative zum materiellen Erfolg an. Das heißt, es ist eigentlich weniger eine Alternative als vielmehr eine Ausweitung der Bedeutung von ›Erfolg‹ auf etwas Größeres als das bloße Bemühen, eine gute Stellung zu finden und sich nichts zuschulden kommen zu lassen. Und auch etwas Größeres als bloße Freiheit. Es setzt ein positives Ziel, auf das man hinarbeiten kann, das einen aber nicht einengt. Das, so scheint mir, ist der Hauptgrund für den Erfolg des Buches. Es traf sich, dass die ganze Kultur genau nach dem auf der Suche war, was dieses Buch anzubieten hat. In diesem Sinne ist es ein Kulturträger.«

Robert M. Pirsig
Göteborg, Schweden 1983
[Auszug aus dem Nachwort, in: Pirsig, Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten. Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein. Fischer 1978]

Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten

»Das Buch erschien zu einer Zeit kultureller Umwälzungen in der Frage materiellen Erfolgs. Die Hippies wollten nichts davon wissen. Die Konservativen verstanden die Welt nicht mehr. Materieller Erfolg war der amerikanische Traum. Millionen europäischer Tagelöhner hatten sich ihr Leben lang danach gesehnt und waren nach Amerika gekommen, weil sie ihn hier zu finden hofften – in einer Welt, in der sie und ihre Nachkom-men endlich genug zum Leben haben würden. Und nun warfen ihre verwöhnten Nachkommen ihnen diesen ganzen Traum vor die Füße, ließen kein gutes Haar daran. Was wollten sie ?
Dieses Buch bietet eine andere, ernsthaftere Alternative zum materiellen Erfolg an. Das heißt, es ist eigentlich weniger eine Alternative als viel-mehr eine Ausweitung der Bedeutung von ›Erfolg‹ auf etwas Größeres als das bloße Bemühen, eine gute Stellung zu finden und sich nichts zuschulden kommen zu lassen. Und auch etwas Größeres als bloße Freiheit. Es setzt ein positives Ziel, auf das man hinarbeiten kann, das einen aber nicht einengt. Das, so scheint mir, ist der Hauptgrund für den Erfolg des Buches. Es traf sich, daß die ganze Kultur genau nach dem auf der Suche war, was dieses Buch anzubieten hat. In diesem Sinne ist es ein Kulturträger.«
Robert M.. Pirsig

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